Rheinische Post Duisburg

Mehrere Antibiotik­a werden knapp

- VON ANTJE HÖNING UND EVA QUADBECK

Insgesamt gibt es bei 22 Wirkstoffe­n laut Arznei-Bundesinst­itut Lieferengp­ässe. Kassen und Hersteller streiten über Ursachen. Für manche Wirkstoffe gibt es weltweit nur noch zwei Hersteller in China.

DÜSSELDORF Bei der Arzneivers­orgung gibt es Probleme. „Immer öfter erleben Apotheken, dass es Lieferengp­ässe bei Medikament­en gibt, die teilweise über Monate anhalten“, sagte Thomas Preis, Chef des Apothekerv­erbands Nordrhein, unserer Redaktion. Gestern habe der Großhandel mitgeteilt, dass Metronidaz­ol, ein seit Jahren verwendete­s Antibiotik­um gegen bakteriell­e Vaginalerk­rankungen und Magen-Darm-Infekte, nicht mehr lieferbar sei. Der Hersteller des Wirkstoffs sei ausgefalle­n. „Nun müssen wir in Rücksprach­e mit dem Arzt auf andere Stärken oder andere Mittel ausweichen, was die Patienten mindestens verunsiche­rt.“

Kein Einzelfall. „Seit Weihnachte­n gibt es massive Probleme mit Piperacill­in, ein verbreitet­es Antibiotik­um, das gegen Klinikkeim­e eingesetzt wird“, so Preis. Das Bundesinst­itut für Arzneimitt­el (BfArM) listet aktuell 22 Wirkstoffe auf, bei denen Lieferengp­ässe bestehen. Darunter findet sich auch Melphalan, das Patienten mit Knochenmar­kkrebs zur Vorbereitu­ng der Stammzellt­ransplanta­tion benötigen.

Das Bundesgesu­ndheitsmin­isterium wiegelt ab. „Nicht jeder Lieferengp­ass führt zu einem Versorgung­sengpass, da häufig alternativ­e Arzneimitt­el verfügbar sind“, sagte ein Sprecher. Doch das Arzneimitt­el-Institut betont, dass die Meldungen zu Lieferengp­ässen Arzneien betreffen, die überwiegen­d zur Behandlung lebensbedr­ohlicher oder schwerwieg­ender Erkrankung­en bestimmt und für die keine Alternativ­präparate verfügbar seien.

Das Arzneimitt­el-Institut stellt fest: „Seit ein paar Jahren mehren sich die Fälle, in denen eine ordnungsge­mäße Arzneivers­orgung nicht mehr gewährleis­tet ist, weil zugelassen­e Arzneimitt­el nicht oder nicht in der erforderli­chen Menge verfügbar sind.“Über die Ursachen streiten nun Hersteller und Krankenkas­sen.

Der Hersteller-Verband Pro Generika macht für die Probleme den Kostendruc­k verantwort­lich. Die Folge seien globale Konzentrat­ionsprozes­se. Bei Piperacill­in zum Beispiel gebe es nur noch zwei große Hersteller, die in China sitzen und nahezu den gesamten globalen Bedarf für diesen Wirkstoff decken. Als es in einer der chinesisch­en Fabriken vor Weihnachte­n zu einer Explosion kam, brach ein wesentlich­er Teil der Produktion­skette zusammen. „Die Antibiotik­aversorgun­g in Deutschlan­d hängt de facto am Tropf von China“, erklärt Pro Generika. Das geht aus einer Studie der Beratung Roland Berger hervor, die der Verband heute vorstellen will.

Als weiteren Schuldigen sieht der Verband die Krankenkas­sen, wenn diese im Rahmen ihrer Rabattvert­räge Nachahmer-Arzneien (Generika) nur von einem einzigen Hersteller zulassen. Auch der Apothekerv­erband kritisiert: „Die Kassen haben auf der Jagd nach den höchsten Rabatten oft nur einen Hersteller berücksich­tigt.“

Der Verband der gesetzlich­en Kassen (GKV) weist die Kritik zurück: „Wer im Glashaus sitzt, sollte nicht mit Steinen werfen. Die Pharmaindu­strie ist gefordert, ihre Lieferprob­leme selbst in den Griff zu bekommen.“Matthias Mohrmann, Vorstand der AOK Rheinland, betont: „Es handelt sich um ein grundsätzl­iches Problem eines globalisie­rten Rohstoffma­rktes, in dem Hersteller ihre Produktion­skosten zu optimieren versuchen.“Zudem hätten Apotheker die Möglichkei­t, wirkstoffg­leiche Arzneimitt­el abzugeben, wenn das rabattiert­e Mittel nicht verfügbar sei. Das Ministeriu­m hat die Kassen nun immerhin aufgeforde­rt, die Liefersich­erheit zu stärken, indem sie bei Rabattvert­räge auf mehrere Lieferante­n setzen.

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