Rheinische Post Duisburg

40 und kein bisschen langsam

- VON STEFAN KLÜTTERMAN­N

Alexander Kosenkow ist in diesem Jahrtausen­d die Konstante unter den deutschen Sprintern. Im März wird er 40. Im August will er bei der WM in London dabei sein.

WATTENSCHE­ID Alexander Kosenkow will sich nicht beschweren über die jüngeren Kontrahent­en um ihn herum. Respekt? Vor ihm, dem fast 40-jährigen Oldie auf der Tartanbahn? Ja, den gebe es. „Sie lassen mich aber nicht als Ersten durchs Ziel laufen, so weit respektier­en mich die Jüngeren dann doch nicht. Das muss ich mir doch noch selbst erkämp- fen“, sagt Kosen- kow. Dass er diesen Kampf gegen fast 16 Jahre jüngere Trainingsk­ollegen wie Maurice Huke in Wattensche­id und fast nur jüngere Kontrahent­en bei nationalen und internatio­nalen Wettkämpfe­n immer noch erfolgreic­h aufnimmt, ist das Besondere an Alexander Kosenkow.

Es ist das Besondere an Kosenkows Körper. Am 14. März wird er 40, und in einem Alter also, in dem andere längst aufgehört haben, zählt der Kirgisista­n-Deutsche nach wie vor zu den Schnellste­n des Landes. „Ein Arzt hat mir mal gesagt, dass ich mit meinen Voraussetz­ungen ohne Leistungse­inschränku­ngen bis 42 meinen Sport betreiben könnte“, sagt der Mann, der bei der WM 2001 in Edmonton erstmals in der 4x100-Meter-Staffel des Deutschen Leichtathl­etik-Verbandes gelaufen war und seitdem so etwas wie ihr Aushängesc­hild geworden ist. „Das müssen andere entscheide­n ob ich eins bin oder nicht. Ich kann nur sagen, ich bin stolz, dass ich an der positiven Entwicklun­g unserer Staffel mitwirken konnte und dass wir heute Zeiten laufen, von denen man vor zehn Jahren nur träumen konnte“, sagt Konsekow.

Doch wie trimmt man einen Körper mit fast 40 noch zu 100-MeterZeite­n wie den 10,22 Sekunden, mit

denen Kosenkow in der deutschen Bestenlist­e 2016 an vierter Stelle rangiert? „Über die Jahre hat man natürlich viel dazu gelernt, was Trainingss­teuerung, Trainingsm­ethodik und Ernährung angeht. Man macht nicht mehr so viele Fehler, das ist ein Vorteil gegenüber jüngeren Athleten“, sagt Kosenkow.

Dreimal Deutscher Meister über die 100 Meter ist er geworden, einmal über die 200, viermal holte er EM-Silber mit der deutschen 4x100Meter-Crew. Kosenkow ist die große Konstante in einer deutschen Sprinterla­ndschaft, die seit den 1990ern in Marc Blume, Tobias Unger und aktuell Julian Reus ihre jeweiligen Top-Athleten besaß und besitzt.

Ist Kosenkow stolz auf diese Konstanz? „In den Augen anderer müsste ich wahrschein­lich stolz auf mich sein“, sagt er. Und das zu erwartende „Aber“folgt auf dem Fuß. „Wichtiger ist mir mein inneres Empfinden. Stehe ich noch hinter dem, was ich mache? Kann ich noch? Will ich noch? Solche Fragen muss ich alle noch mit ja beantworte­n können, ohne mir irgendwas vorzulügen.“Um sich etwas vorzumache­n, ist Kosenkow zu lange dabei. Und für Augenwisch­erei würden sich die Trainingss­trapazen nicht lohnen. Wobei: „Das sind ja keine Strapazen, wenn man etwas macht, das einen erfühlt und befriedigt“, sagt er.

Was Kosenkow antreibt, sind Zie- le. Wettkämpfe, Zeiten, Normen, Platzierun­gen. Und der Fokus auf eben solche Punkte hilft ihm, das allgegenwä­rtige Thema Doping auszublend­en. „Es gibt einfach ein paar Menschen auf diesem Planeten, die talentiert­er sind und schneller sprinten können als wir in Deutschlan­d, und das muss man respektier­en. Dass es aber auch viele unsaubere Athleten gibt, die viel Schaden anrichten, ist genauso ein Fakt. Ich weiß, was man in der Lage ist, mit sauberen Mitteln zu sprinten. Das kann man jetzt an uns selbst sehen. 10,01 bis 10,20 Sekunden sind in Deutschlan­d kein Thema mehr, wenn man perfekt dafür vorbereite­t ist“, sagt Kosenkow. Derjenige, der die Zehn-Sekunden-Schallmaue­r am ehesten wird brechen können, ist Kosenkows Vereinskol­lege Julian Reus. Auf 10,01 Sekunden steigerte dieser die Bestmarke im vergangene­n Sommer.

Mit der neun vor dem Komma beschäftig­t sich Kosenkow nicht. Er hat andere Ziele. „Geplant sind ein paar Wettkämpfe in der Halle, ein Trainingsl­ager in den USA, die Staffel-WM auf den Bahamas, Wettkämpfe im Sommer in Deutschlan­d, die Deutschen Meistersch­aften in Erfurt und hoffentlic­h die WM in London“, erklärt Kosenkow. London soll der Höhepunkt des dann 40-Jährigen werden. „Eine StaffelTei­lnahme bei der WM ist ein Ziel, das ich vorhabe, dieses Jahr zu erreichen“, sagt er. Es ist das perfekte Ziel für 2017 – das Jahr in dem Kosenkow 20 Jahre Vereinstre­ue beim TV Wattensche­id, Deutschlan­ds langjährig­er Sprinterho­chburg, vollmacht. „Vereinstre­ue ist ja nur dann gegeben, wenn beide Seiten zufrieden miteinande­r sind“, sagt er.

Bleibt die Frage, ob es auch ein Jahr 2018 in der Sprinterka­rriere des Alexander Kosenkow geben wird? „Ob 2017 der Abschluss meiner Laufbahn sein wird, kann ich nicht sagen“, sagt er. Wenn es nach seinem Arzt geht, muss jedenfalls nicht zwingend Schluss sein.

 ?? FOTO: IMAGO ?? Alexander Kosenkow vom TV Wattensche­id ist mit fast 40 immer noch einer der deutschen Top-Sprinter.
FOTO: IMAGO Alexander Kosenkow vom TV Wattensche­id ist mit fast 40 immer noch einer der deutschen Top-Sprinter.

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