THOMAS JACOBS Für ein Miteinander in Frieden
Thomas Jacobs aus Rheinhausen leitet seit 2009 das Friedensdorf International in Oberhausen. Im Jahr 2017 besteht die Einrichtung für kriegsverletzte Kinder seit 50 Jahren.
RHEINHAUSEN Zu Hause in Rheinhausen ist der 62-Jährige auch manchmal anzutreffen. Viel Zeit verbringt der gelernte Baustoffhändler im Außendienst, der nach seiner Ausbildung Sozialpädagogik studierte, aber vor allem in Oberhausen. Der Familienvater von zwei Kindern arbeitet seit 1981 im Friedensdorf International (siehe Box unten). Seit 2009 leitet Thomas Jacobs das Friedensdorf. Im Gespräch erzählt er von Rheinhausen, seiner Arbeit und einer Modellbahnanlage. Herr Jacobs, was hat Sie als Hochfelder eigentlich nach Rheinhausen verschlagen? JACOBS Wahrscheinlich die Tatsache, dass ich halber Niederrheiner bin. Mein Vater stammt aus Sonsbeck. Und dann zieht es einen irgendwie ein bisschen in Richtung Niederrhein. Rheinhausen war der Kompromiss zwischen Hochfeld und dem Niederrhein (Er lacht herzlich.) Wie kamen Sie ins Friedensdorf? JACOBS Ich musste ein Anerkennungsjahr machen und brauchte eine Stelle. Ein Kommilitone machte mich auf das Friedensdorf aufmerksam. Was war ihre Aufgabe damals? JACOBS Als ich hier anfing, waren noch rund 60 vietnamesische Kinder da. Meine Aufgabe war es, als einer der ersten Sozialarbeiter überhaupt hier, die Kinder bestmöglich in unsere Gesellschaft zu integrieren. Im Großen und Ganzen ist dieser Integrationsprozess gelungen. Es gab aber auch Ausnahmen, bittere Schicksale, die auch Suizid begangen haben. Diese Erfahrungen haben wir in eine Konzeption einfließen lassen, damit es solche Schicksal nicht mehr gibt. Deshalb arbeiten wir heute mit Nicht-Regierungs-Organisationen in den Ländern zusammen, die sich verpflichten, die Rückführung der Kinder zu ihren Eltern zu gewährleisten. Und auch die Familien müssen uns heute eine Garantie geben, dass sie die Kinder nach der Rehabilitationsmaßnahme in Deutschland wieder aufnehmen. Ab 1985 wurden erstmals wieder Kinder aus dem Senegal, Marokko, später Afghanistan und weiteren Ländern aufgenommen. Wie arbeitet das Friedensdorf heute? JACOBS Wir haben im Jahr vier Charterflüge, zwei Flüge gehen nach Zentralasien – Afghanistan, aber auch Tadschikistan, Usbekistan und in den Kaukasus. Die neuen Kinder kommen hierher und die rehabilitierten Kinder gehen über dieselbe Flugroute wieder nach Hause. Als Sie 1981 ins Friedensdorf kamen, wie schnell war Ihnen da klar, dass Sie hier bleiben wollen? JACOBS Das war mir überhaupt nicht klar. Ich denke heute manchmal noch darüber nach, was ich hier eigentlich mache (er lacht). In der Sozialarbeit heißt es, dass man nach einigen Jahren die Arbeit wechseln sollte, um möglichst ein breites Feld mitzubekommen. Ich habe irgendwie den Absprung verpasst... Und als wir dann Mitte der 80er Jahre ernsthaft wieder die Einzelfallhilfe angehen konnten, da wurde es ja auch wieder sehr spannend. 50 Jahre Friedensdorf, was bedeutet Ihnen das? JACOBS Zunächst einmal bedeutet es großes Erstaunen, denn ich hätte es 1981 niemals für möglich gehalten, dass wir als Einrichtung das Jahr 2017 erleben werden. Ich bin erstaunt, wie wir das immer geschafft haben. Ich glaube, das konnte nur gelingen, weil wir eine ziemlich eingeschworene Mannschaft sind und an einem Strang ziehen. Sie haben während Ihrer Tätigkeit für das Friedensdorf nahezu alle Einsatzgebiete auch selbst bereist. Waren Sie vor Ihrer Arbeit hier auch schon in der Welt unterwegs? JACOBS Vor meiner Arbeit hier war ich so global unterwegs, dass mein Weg vom Baustofflager ins Büro reichte...(er lacht). Was haben Sie ganz persönlich von Ihrer Arbeit mitgenommen? JACOBS Der Blick in andere Kulturen hinein bereichert ganz eindeutig. Ich habe für mich mitgenommen, dass man einfach über den Tellerrand hinausschauen muss, dass wir in einer globalisierten Welt leben – diese Schraube wird man nicht zurück drehen können und das ist auch gut so. Wir leben nicht nur in Deutschland, wir leben in einer Welt, in der wir zueinander finden müssen. Gibt es ein besonderes Erlebnis, an das Sie sich erinnern? JACOBS Wenn wir schon mal in die Länder reisen, dann sehe ich dort diese Zufriedenheit trotz der ärmlichen Verhältnisse. Dort existiert ein Familienverbund, der auch so gelebt wird, sich nicht nur so darstellt. Und ich sehe auch die Solidarität dieser Menschen untereinander, wo arme Menschen noch ärmeren Menschen helfen. Diese Dinge haben mich berührt und beeindruckt. Wenn Sie nach einem Arbeitstag nach Hause kommen, was nehmen sie mit? JACOBS Einen Schnitt kann ich nicht machen. Man nimmt vieles mit, nicht nur Einzelschicksale, sondern auch Dinge, die die Gesamteinrichtung betreffen. Bei Familie Jacobs in Rheinhausen gibt es also eine Art Zweigniederlassung des Friedensdorfes? JACOBS Wenn Sie so wollen, ja. Das geht auch nicht anders. Man kann hier nicht auf die Uhr gucken und sagen: so, Feierabend. Bleibt bei Thomas Jacobs privat denn Zeit für ein Hobby? JACOBS Ich habe eine wundervolle nicht aufgebaute Modellbahnanlage im Keller stehen. Da wollte ich mal vor 20 Jahren mit anfangen, aber das hat irgendwie nicht so klappen wollen... (er lacht). Die Motörchen sind sicher schon verharzt, aber ich gebe die Hoffnung nicht auf, dass ich irgendwann einmal mit dieser Modellbahnanlage beginnen kann. Vorerst aber noch nicht. Wie motivieren Sie sich – trotz vieler Herausforderungen – für Ihre Arbeit im Friedensdorf? JACOBS Meine Motivation ziehe ich aus den Kindern. Da muss man sich nur mal eine halbe Stunde aufs Dorfgelände setzen, wenn man den Papp auf hat, und schon kommt man geläutert wieder ins Büro. Letzte Frage: Was wünschen Sie sich für das Friedensdorf? JACOBS Auf der einen Seite wünsche ich mir, dass wir diese Einrichtung in fünf Jahren noch finanziert bekommen. Auf der anderen Seite möchte ich natürlich schon, dass sich eine Einrichtung wie das Friedensdorf erübrigt.