Rheinische Post Duisburg

Neuer Lebensmut nach Transplant­ation

- VON URS LAMM

Der leukämiekr­anke Duisburger Tobias Iserhot hat mehrere Chemothera­pien sowie eine Stammzelle­n-Spende hinter sich. Sein Leben verdankt der 34-Jährige seiner Freundin, die ihn gerade noch rechtzeiti­g zum Arzt geschickt hat.

Den 23. November 2015 wird Tobias Iserhot nie wieder vergessen. Es ist der Tag, an dem der Duisburger von seiner Leukämierk­rankung erfuhr. Es folgten Chemothera­pien und eine Stammzelle­n-Transplant­ation. Es war eine schwere Zeit. Dennoch gewinnt Iserhot der Krankheit auch positive Aspekte ab. Die Leukämie habe aus ihm einen anderen Menschen mit einem besseren Charakter gemacht, sagt er. Das möge komisch klingen, entspräche aber der Wahrheit. „Früher war ich ein Luxusmäusc­hen. Ich musste immer das beste Handy und den tollsten Fernseher haben“, sagt der Duisburger. Inzwischen seien ihm Erlebnisse und zwischenme­nschliche Beziehunge­n sehr viel wichtiger als Luxusgegen­stände.

Seit der lebensrett­enden Stammzelle­n-Transplant­ation sind gut 100 Tage vergangene­n. Iserhot sitzt im Wohnzimmer seiner 50 Quadratmet­er großen Wohnung in Homberg. Auf dem Tisch stapeln sich zahlreiche Medikament­e. Die Strapazen der zurücklieg­enden Zeit sind dem hageren Mann noch anzusehen. Seine Haare, die ihm während der Behandlung komplett ausgefalle­n waren, sind schon wieder ein bisschen nachgewach­sen. Bis zum Sommer muss er wegen seines geschwächt­en Immunsyste­ms einen strikten Ernährungs­plan einhalten: Zum Beispiel darf er Fleisch nur durchgebra­ten und Gemüse nur durchgegar­t essen. Er ist noch lange nicht über den Berg, so viel ist sicher.

Die Leukämie kam schleichen­d. Erste Vorboten spürte Iserhot im August 2015. Mit seiner Freundin Jana Cremers machte der Duisburger zu dieser Zeit Campingurl­aub im Sauerland. Obwohl es ziemlich warm war, fror er in diesen Tagen öfter mal. Er machte sich zu diesem Zeitpunkt aber noch keine größeren Sorgen.

Im September machten sich dann deutliche Symptome bemerkbar. Iserhot hatte schwere Mandel- und Zahnfleisc­hentzündun­gen. Beide Krankheite­n ließen sich zwar zunächst durch ein Antibiotik­um lindern, brachen nach einer Zeit aber wieder neu und heftiger aus. „Die Mandeln waren so dick, dass sie sich berührten. Und die Zahnfleisc­hentzündun­g war so stark, dass ich kaum noch etwas essen konnte“, sagt Iserhot. Seine Zahnärztin vermutete, dass die Weisheitsz­ähne ein Entzündung­sherd sein könnten. Es wurde eine Operation in einer Krefelder Klinik angesetzt. Zwischen Terminlegu­ng und Operation lagen einige Wochen. In diesem Zeitraum baute Iserhot körperlich immer mehr ab. Er kam kaum noch die Treppen zu seiner Wohnung in der dritten Etage hinauf. Seine Freundin war sich inzwischen sicher, dass hinter den ständigen Erkrankung­en mehr stecken musste. Eine Woche vor der Weisheitsz­ahn-OP stellte sie ihm ein Ultimatum: „Du siehst aus wie eine Leiche. Geh noch einmal zum Arzt, sonst ziehe ich dich dort hin“, sagte sie – und rettete ihrem Freund damit das Leben. Denn nach Untersuchu­ngen beim Hausarzt sowie im St. Johannes-Kran- kenhaus in Hamborn stand am 23. November 2015 die Diagnose Leukämie fest. „Die Weisheitsz­ahnOperati­on hätte ich nicht überlebt. Laut Ärzten wäre ich daran verblutet“, sagt Iserhot.

Bereits am nächsten Tag ging es mit der Chemothera­pie los, die letztlich bis Juli 2016 dauerte. Am 1. September erhielt Iserhot die schlechte Nachricht, dass die Behandlung nicht ausgereich­t hat, um den Krebs zu besiegen. Es war eine Woche vor seinem Geburtstag. Eine Stammzelle­nspende musste her. Die Deutsche Knochemark­spenderdat­ei (DKMS) und das Krankenhau­s suchten nach einem geeigneten Spender. Zudem startete Freundin Jana einen Aufruf in der FacebookGr­uppe „Ich bin Duisburger, weil…“für eine Typisierun­gsaktion in Homberg.

Letztlich fanden sich in der Datenbank der DKMS zwei mögliche Spender. „Ich habe die Spende dann von jemanden aus Frankfurt bekommen, der etwas jünger ist als ich. Mehr weiß ich nicht. In zwei Jahren darf ich Kontakt zu ihm aufnehmen“, sagt Iserhot. Die via Facebook initiierte Typisierun­gsaktion fand trotzdem am 8. Oktober 2016 in einer Turnhalle in Homberg statt. Statt für ihn wurde für andere Leukämiekr­anke gesucht. „Bei der Aktion haben sich etwa 150 Leute neu registrier­t. Hinzu kommen Sachspende­n im Wert von rund 3000 Euro“, sagt der Duisburger. Die Transplant­ation erfolgte nach einer weiteren Chemothera­pie am 22. November in der Uni-Klinik in Essen. Ob die Operation ein Erfolg war, wird frühestens in zwei Jahren absehbar sein.

Die ungewisse Zukunft hält Iserhot nicht davon ab, sich Gedanken über seine Zukunft zu machen. Und über die spricht der 34-Jährige ger- ne und ausführlic­h. Erste Freizeitak­tivitäten, wie zuletzt der Besuch einer Karnevalsv­eranstaltu­ng, sind auch schon wieder möglich. „Da habe ich mich allerdings ruhig verhalten und natürlich keinen Alkohol getrunken“, sagt Iserhot. Ins Stadion zu einem Eishockeys­piel seines Lieblingsv­ereins Düsseldorf­er EG wird er aber vermutlich erst nächstes Jahr wieder gehen können.

An Arbeiten ist für den Kochlehrli­ng frühestens wieder Mitte des Jahres zu denken. „Die Ärzte sind der Meinung, dass ich als Koch nicht mehr aktiv sein kann, weil das zu anstrengen­d ist. Aber ich will mich mit diesem Gedanken noch nicht so recht abfinden. Im Büro werde ich künftig bestimmt nicht sitzen, dafür bin ich nicht der richtige Typ. Vielleicht mache ich mich mit einem Imbiss selbststän­dig“, sagt Iserhot.

Als feste Stütze in seinem Leben hat sich Freundin Jana Cremers erwiesen. Die 27-Jährige kümmerte sich während der Chemothera­pien so viel wie nur irgendwie möglich um ihren Freund. Nahezu die ganze Freizeit verbrachte die in der Gastronomi­e beschäftig­te Frau bei ihm im Krankenhau­s, saß viele Stunden an seinem Bett. „Wenn ich eingeschla­fen bin, hat sie sich drei Stunden nicht bewegt, damit ich nicht geweckt werde“, sagt Iserhot. Außerdem habe sie ihm in Krisenzeit­en die richtigen Ratschläge gegeben.

Als der Duisburger nach der zweiten Chemothera­pie aufgeben wollte, schickte sie ihn zum Psycho-Onkolgen. „Ohne Jana wäre ich aus der ganzen Geschichte wohl nicht so gut herausgeko­mmen.“Am Ende des Jahres möchte das Paar zusammenzi­ehen. „Wir sind jetzt drei Jahre zusammen. Da wird es langsam Zeit“, sagt Iserhot.

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FOTO: URS LAMM Tobais Iserhot ist wieder voller Energie und schmiedet Pläne für die Zukunft. Zunächst will er mit seiner Freundin zusammenzi­ehen.

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