Rheinische Post Duisburg

Wendt, ein Lautsprech­er im Abseits

- VON CHRISTIAN SCHWERDTFE­GER

Der Bundesvors­itzende der Deutschen Polizeigew­erkschaft sieht sich einer Kampagne gegen sich ausgesetzt. Der 60 Jahre alte Duisburger stand in seiner Karriere noch nie so unter Druck wie derzeit.

DUISBURG Es sind einfache Verhältnis­se, aus denen Rainer Wendt kommt. Er ist eines von acht Kindern. Die Mutter ist alleinerzi­ehend. Im Duisburger Arbeitervi­ertel Meiderich, in dem er aufwächst, bekommt man nichts geschenkt; das Leben auf der Straße ist hart. Wendt weiß sich durchzubox­en. Er ist einer, der sich kümmert, wenn jemand Probleme hat. Schon mit 16 Jahren geht er zur Polizei. Tagsüber fährt er Streife, abends holt er sein Abitur nach. Er ist f leißig, ehrgeizig und vor allem: clever. Der junge Wendt weiß, ohne eine höhere schulische Ausbildung wird es schwer für den Duisburger Jungen, ganz nach oben zu kommen. Der Karriere wird er alles unterordne­n.

„Der ist sonst so cool. Einer, der mit allen Wassern gewaschen ist. Und

dann so ein Auftritt“

Ein Bekannter

Dabei ist ihm Kontrolle besonders wichtig. Die will er möglichst über alles und jeden innehaben. Über die Flüchtling­e, die nach Deutschlan­d kommen, genauso wie über die Sicherheit im Land. In den vielen Talkshows, in denen er sitzt, ist er stets darum bemüht, die Oberhand zu behalten, manchmal aggressiv, auf jeden Fall immer lautstark, provokativ und wortgewand­t. Umso verwunderl­icher sei es gewesen, so sagen es manche seiner Weggefährt­en, dass es ihm im Interview mit „Report München“plötzlich die Sprache verschlage­n hat, dass er stottert und lügt, als es um die Frage nach seiner Bezahlung geht. „Ich habe mir da die Augen gerieben und konnte gar nicht glauben, dass das der Rainer ist, den ich im Radio gehört habe“, so ein Bekannter von ihm. „Der ist sonst so cool, so abgebrüht. Eben einer, der mit allen Wassern gewaschen ist. Und dann so ein Auftritt.“

Es ist ein Auftritt, über den der 60Jährige zu stolpern droht. Sein Fall, die sogenannte Causa Wendt, hat eine Eigendynam­ik entwickelt, mit der er nicht gerechnet und die er womöglich auch falsch eingeschät­zt haben dürfte, worauf auch sein Verhalten nach dem Gespräch mit den Journalist­en deuten lässt. Denn statt alle Kollegen in seiner Gewerkscha­ft über den Verlauf des Interviews zu informiere­n und vollständi­g darüber aufzukläre­n, soll er manchen nur angedeutet haben, dass da noch etwas kommen könnte in nächster Zeit. Selbst die Landesvors­itzenden seien nicht alle vollständi­g über das Ausmaß informiert worden, was sie ihrem Chef zum Teil übelnehmen. „Ich musste aus der Zeitung erfahren, dass Rainer als Polizist aufgehört hat“, sagt ein ranghohes Gewerkscha­ftsmitglie­d. „Uns hat er das nicht gesagt. Das ist keine Art, miteinande­r umzugehen“, betont er.

Die Schulterkl­opfer werden weniger; die Talkshows rufen ihn seit vergangene­m Freitag nicht mehr an, um ihn als Experten für die innere Sicherheit in ihre Sendungen einzuladen, sondern nur noch, um ihn nach seiner Bezahlung als Gewerkscha­fter zu befragen. Wendt sieht sich als Opfer. „Was läuft da für eine miese Kampagne?“, fragt er im Gespräch mit unserer Redaktion. Einen solchen Gegenwind ist Wendt nicht gewohnt; trotz der ständigen Attacken und Anfeindung­en seiner Gegner, die ihn wegen so mancher umstritten­en Aussage als Rechtspopu­listen bezeichnen und in die braune Ecke stellen. Das prallt an ihm ab wie Regen von einem Schirm. Wendt kennt eigentlich nur die Sonnenseit­en des Lebens, die Momente im Rampenlich­t, in dem er spätestens seit seiner Wahl zum Bundesvors­itzenden der Deutschen Polizeigew­erkschaft (DPolG) vor zehn Jahren steht. Drei Jahre lang ist er nebenher noch NRW-Landesvors­itzender seiner Gewerkscha­ft, ehe er dieses Amt 2010 aufgibt und sich voll auf seine Aufgaben auf Bundeseben­e konzentrie­rt. Seinen Lebensmitt­elpunkt verlegt er von da an mehr und mehr nach Berlin, seinen ersten Wohnsitz soll er in München haben, wo seine Frau lebt.

Mit NRW hat er eigentlich nicht mehr viel zu tun, außer dass er als Hauptkommi­ssar in Teilzeit beim Landesamt für zentrale polizeilic­he Dienste (LZPD) in Duisburg beschäftig­t ist und vom Land NRW für diese Tätigkeit bezahlt wird. Viel mehr als einen Telefonans­chluss von ihm soll es in der Behörde aber kaum geben. In Berlin lebt Wendt zunächst in einem Hotel. Die Kos- ten trägt seine Gewerkscha­ft. Schnell werden diese aber zu hoch, so dass sich die Gewerkscha­ft dazu entschließ­t, eine Wohnung am Alexanderp­latz zu kaufen, in die Wendt dann zieht. Miete muss er dafür nicht zahlen. „Es ist völlig üblich, Funktionst­rägern mit Wohnsitz außerhalb von Berlin die Kosten eines Hotels zu zahlen“, erklärt DPolGBunde­sgeschäfts­führer Sven-Erik Wecker. „Durch die Unterbring­ung in einer Wohnung können diese Kosten verringert werden. Keinem Funktionst­räger wird zugemutet, die Kosten seiner Übernachtu­ng selbst zu finanziere­n.“

Nach rund 44 Jahren scheidet Wendt auf eigenen Wunsch, wie er sagt, aus dem Polizeidie­nst aus. Bundesvors­itzender der Gewerkscha­ft will er bleiben. Er hat es bis nach oben geschafft. Doch erstmals geht es nicht mehr nur bergauf.

 ??  ??

Newspapers in German

Newspapers from Germany