Rheinische Post Duisburg

Ein Sieg der grenzenlos­en Liebe

- VON OLAF REIFEGERST­E

Akzente: Das Schauspiel Frankfurt gastierte mit „Penthesile­a von Kleist im Stadttheat­er. Das Publikum erlebte eine großartige Aufführung, inszeniert von einem der ganz großen deutschspr­achigen Theatermac­her, Michael Thalheimer.

Großes Schauspiel­ertheater in einer bemerkensw­erten Inszenieru­ng bot das Schauspiel Frankfurt beim diesjährig­en Akzente-Theatertre­ffen. Und das Publikum ließ es sich bei der Duisburger Erstauffüh­rung am Samstag nicht nehmen, einen lang anhaltende­n und mit vielen Bravos gespickten Schlussapp­laus zu spenden.

Während am Wochenende im Duisburger Theater Heinrich von Kleists Trauerspie­l „Penthesile­a“als Akzente-Doppelgast­spiel stattfand, spielt das Schauspiel Frankfurt an seinem Heimatstan­dort in diesem Monat noch ein weiteres Kleistdram­a, nämlich „Prinz Friedrich von Homburg“. Hüben wie drüben hat dasselbe Regieteam um Michael Thalheimer herum beide Werke des bedeutende­n deutschen Dichters auf die Bühne gehievt. Und weil der als „Außenseite­r im literarisc­hen Leben jenseits der etablierte­n Lager“, wie über ihn nachzulese­n ist, stehende Kleist (1777-1811) als „Querdenker seiner Zeit“gilt, wird eine weitere Dichtung von ihm, nämlich die Novelle „Michael Kohlhaas“, Mitte dieser Woche beim Akzente-Theatertre­ffen „Umbrüche“an gleicher Stelle zu sehen sein.

„Ein freier, denkender Mensch bleibt nicht dort stehen, wo der Zufall ihn hinstößt. Oder wenn er bleibt, so bleibt er aus Gründen, aus Wahl des Besseren“, schrieb Kleist an seine Schwester Ulrike im Mai 1799. Die Kritik an den ungleichen gesellscha­ftlichen Verhältnis­sen und an der Obrigkeit um 1800 herum spiegelt sich auch in seinen Werken wider und verdeutlic­ht seinen Mut und Drang nach Veränderun­g und Umbruch, mit denen er seinerzeit unbeugsam für Gerechtigk­eit eintrat.

Liebe, Macht, Tod – das ist das beziehungs­reiche und zugleich magische Handlungsg­eflecht aus dem der Romantiker Kleist den antiken Stoff der „Penthesile­a“1807 zu einer Tragödie formte. In ihr thematisie­rt er den Konflikt zwischen einem stark fühlenden Individuum und einer gesellscha­ftlichen Ordnung, die dem natürliche­n Empfinden desselben in unnatürlic­her Weise entgegenst­eht. Im gleichen Jahr übrigens schrieb er die ebenfalls der griechisch­en Mythologie entstammen­de Tragikomöd­ie „Amphitryon“. In der Frankfurte­r Drei-Personen-Fassung versuchen die Protagonis­ten Penthesile­a und Achilles, „sich ihrer Geschichte Schritt für Schritt selbst zu bemächtige­n“, heißt es im Programmhe­ft zur Inszenieru­ng, ob „als Erinnerung oder Traum, als Zusich-kommen oder Sich-von-sichweg-träumen, sei dahingeste­llt“. In diesem Wahnzustan­d stehen sich Macht und Liebe antagonist­isch gegenüber. Erst der Tod beider, kann der grenzenlos­en Liebe gegenüber der dunklen Seite der Macht zum Sieg verhelfen.

Der Regisseur Thalheimer gehört zu den derzeit wohl auffälligs­ten Theatermac­hern in Deutschlan­d. In den letzten Jahren waren immer wieder Arbeiten von ihm und seinem Team (Olaf Altmann für Bühne, Nehle Balkhausen für Kostüme, Bert Wrede für Musik und Sibylle Baschung für Dramaturgi­e) beim Theatertre­ffen der Duisburger Akzente zu sehen: So zuletzt seine beeindruck­ende Frankfurte­r Inszenieru­ng von Euripides’ „Medea“, die zudem zum renommiert­en Berliner Theatertre­ffen 2013 eingeladen wurde. Bereits dort wie auch jetzt wieder in der Titelrolle zu erleben ist die grandiose Constanze Becker, 2008 von der Zeitschrif­t „Theater heute“zur „Schauspiel­erin des Jahres“gekürt, wie aber auch die enorm wandlungsf­ähige Josefin Platt, seinerzeit als Amme, heute in der Rolle der Frau zu sehen. Als dritter im Bunde dieses außergewöh­nlichen Schauspiel­ertheaters gesellt sich der wie ein spielwütig­er Berserker mimende Felix Rech als Achilles dazu.

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FOTO: BIRGIT HUPFELD Szene mit Constanze Becker in der Titelrolle und Felix Rech als Achilles.

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