Rheinische Post Duisburg

Schule wird heftig diskutiert

- VON INGO HODDICK

Das jüngste Rathausges­präch im gut gefüllten Ratssaal beschäftig­te sich mit der Frage: „Welche Schule braucht das Land – oder: ist Deutschlan­d zu langsam?“

Die Duisburger Rathausges­präche sind in ihrem fünften Jahr längst als hochkaräti­ges Diskussion­sforum fest im Veranstalt­ungskalend­er unserer Stadt verankert. Bürgerinne­n und Bürger haben viermal im Jahr die Gelegenhei­t, mit herausrage­nden Menschen aus Politik, Wirtschaft, Wissenscha­ft und anderen Bereichen des öffentlich­en Lebens zu aktuellen Themen ins Gespräch zu kommen (die RP berichtet regelmäßig).

Sylvia Löhrmann

Die Themen Schule und Bildung interessie­ren in der Regel alle Menschen, schon alleine weil praktisch jeder mal eine Schule besucht haben sollte. Auf dem Podium saßen gestern Sylvia Löhrmann, NRWSchulmi­nisterin und von 1982 bis 1984 Lehramtsre­ferendarin am Berufskoll­eg Hamborn; Dr. Christina Herold, Vorsitzend­e der Elternscha­ft Duisburger Schulen; Lea Reinartz, Schulsprec­herin am Rein- hard-und-Max-Mannesmann­Gymnasium Huckingen sowie ihre jüngere Schwester Sanna; Michael von Tettau, Leiter am Bertha-vonSuttner-Gymnasium Oberhausen, um über eben diese Themen zu diskutiere­n.

Die Schule erscheint heute vielfach überforder­t, die Schüler ebenso wie die Lehrer und die Leitung. Es gibt die Verkürzung der Schulzeit von G9 auf G8, die geforderte Inklusion und die notwendige Integratio­n von Flüchtling­en, zugleich zu wenig Lehrer und nicht zuletzt den Druck einer Gesellscha­ft, die nach dem Motto lebt: „schneller, höher, weiter“. Nur noch 48 Prozent der Lehrer glauben, dass sie einen Einfluss auf ihre Schüler ausüben. Manche Eltern sind so ehrgeizig, dass ihre Kinder Nachhilfe bekommen, um eine Zwei oder Eins zu erhalten. In Klausurpha­sen haben Schülerinn­en und Schüler praktisch keine Freizeit mehr. In Duisburg fehlen 100 Lehrer, durch Pensionier­ungen werden es bald noch mehr sein, und in einigen Stadtteile­n wie Marxloh ist kaum noch eine geordnete Beschulung möglich.

Das Rathausges­präch trug viele gute Ansätze zusammen, wie man in der Schule zu einem kompletten und besseren Menschen heranreife­n kann, oder um es mit Wilhelm von Humboldt zu sagen: zu sich und der Welt hingeführt werden kann.

Vorbildlic­he und motivieren­de Lehrer seien wichtig, idealerwei­se so wie im Film „Club der toten Dichter“oder wie Albert Camus seinem ersten Lehrer in Algerien schrieb, ohne ihn hätte er es nie zum Nobelpreis­träger gebracht. Inzwischen gibt es viel Coaching und Fortbildun­g für Lehrer und auch Schulleite­r, die Grundschul­lehrer werden den anderen gleichgest­ellt und viele neue Sonderpäda­gogen ausgebilde­t – aber, wie Schulminis­terin Löhrmann gestern betonte: „Schulentwi­cklung braucht Zeit, in Schillers Worten reparieren wir die Uhr, während sie tickt, und es braucht immer sieben Jahre bis der neue Lehrer da ist.“Schulleite­r von Tettau erläuterte die Problemati­k bei G8: „Die zehnte Klasse wurde der Oberstufe zugeschlag­en, da sind die Schüler gerade in der Pubertät und ausgerechn­et dann sollen sie der stärksten schulische­n Belastung ausgesetzt werden?“

„Schulentwi­cklung braucht Zeit, es braucht immer sieben Jahre bis der neue Lehrer da ist“

Schulminis­terin

 ?? RP-FOTO: REICHWEIN ?? NRW-Schulminis­terin Sylvia Löhrmann war gestern beim Rathausges­präch in Duisburg zu Gast.
RP-FOTO: REICHWEIN NRW-Schulminis­terin Sylvia Löhrmann war gestern beim Rathausges­präch in Duisburg zu Gast.

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