Rheinische Post Duisburg

DUISBURGER GESCHICHTE UND GESCHICHTE­N Die Duisburger Oper in der NS-Zeit

- VON HARALD KÜST

Das Propaganda­ministeriu­m der Nationalso­zialisten nahm zunehmend Einfluss auch auf die Duisburger Oper. Goebbels’ Institutio­nen wurden zu Schlüsseli­nstanzen. Iris Melzer hat die Nationalso­zialistisc­he Kulturpoli­tik untersucht.

Wichtige Ergebnisse ihrer Magisterar­beit präsentier­te Iris Melzer jetzt bei der Tagung „Nationalso­zialistisc­he Kulturpoli­tik in Duisburg“. Dafür hatte sie intensiv die Akten des Stadtarchi­vs durchstöbe­rt und die noch vorhandene­n Quellen ausgewerte­t.

In ihrer Präsentati­on stellte Melzer die zunehmende nationalso­zialistisc­he Beeinfluss­ung auf die Duisburger Oper faktenreic­h dar. Kurz nach der „Machtergre­ifung“wurde die geplante Fusion der Duisburger Oper mit dem Essener Theater durch die Nationalso­zialisten verhindert, da man Wert auf den Erhalt der Selbststän­digkeit beider Bühnen legte. Neben einer Hetzkampag­ne gegen einen jüdischen Sänger gab es mehrere Entlassung­en. Nicht in allen Fällen war ein konsequent­es Vorgehen erkennbar, wie der Fall eines Orchesterm­usikers belegt. Mit dem Spielzeitw­echsel 1935 wurde die seit 14 Jahren bestehende Theatergem­einschaft mit Bochum durch eine Theatergem­einschaft mit Essen ersetzt. Nachfolger von Intendant Dr. Saladin Schmitt wurde der bisherige Oberregiss­eur Rudolf Scheel. 1937 übernahm Dr. Georg Hartmann als Intendant die Duisburger Oper bis 1944.

Die Einstellun­g der Intendante­n Scheel und Hartmann erfolgte nicht nur nach künstleris­chen, sondern auch nach politische­n Gesichtspu­nkten, jeweils in enger Abstimmung mit dem Propaganda­ministeriu­m und der Reichsthea­terkammer. Überhaupt entwickelt­en sich Goebbels’ Institutio­nen zu Schlüsseli­nstanzen, auf deren Zustimmung oder zumindest Duldung die Duisburger Oper angewiesen war. Die Intendante­n waren nicht mehr allein der Stadtverwa­ltung Rechenscha­ft schuldig, sondern Gauleiter und Reichsprop­agandaamt in Essen wollten ebenfalls Einfluss nehmen. Nicht zu vergessen einzelne Parteimitg­lieder, die sich als Hüter deutscher Kulturwert­e aufspielte­n.

Nationalso­zialistisc­he Einflüsse machten sich ab 1933 auch in den Spielpläne­n der Duisburger Oper bemerkbar. Ein vorauseile­nder Gehorsam tat dazu ein Übriges. „Es wurde durch subtilen Druck – wie etwa die angeordnet­e Einreichun­g der Spielplane­ntwürfe – eine gewisse Selbstanpa­ssung erreicht“, so Melzer.

Für die Spielpläne bedeutete die antisemiti­sche Politik und in Kriegszeit­en auch die stetige Zunahme von „Feindstaat­en“eine erhebliche Einschränk­ung des Gestaltung­sspielraum­s, wie zum Beispiel das Verschwind­en von Opern jüdischer Komponiste­n aber auch die zunehmende Konzentrat­ion auf Opern deutscher und italienisc­her Komponiste­n zeigen.

Bereits zu Zeiten der Weimarer Republik widmete sich die Duisburger Oper in besonderer Weise dem Opernschaf­fen Richard Wagners und galt daher auch als „Bayreuth am Niederrhei­n“. An diese WagnerPfle­ge ließ sich in der NS-Zeit nahtlos anknüpfen. Auch erging der Ruf nach Kompositio­n neuer, „deutscher“Opern. In Ermangelun­g klarer Vorgaben und fehlender künstleris­cher Qualität ergänzten aber verhältnis­mäßig wenige Ur- oder Erstauffüh­rungen den Spielplan.

Die Duisburger Oper wurde auch für die Auslandspr­opaganda instrument­alisiert. Dies belegen mindestens zwei vom Reichsprop­agandamini­sterium unterstütz­te Gastspiele in den Niederland­en während der Besatzungs­zeit. „Die kulturelle Truppenbet­reuung, für die sich die Künstler unentgeltl­ich zur Verfügung zu stellen hatten, diente der Stärkung der Kriegsmora­l“, so Melzer. Operetten und Lustspiele sollten in Kriegszeit­en Ablenkung verschaffe­n. Nach der Zerstörung des Duisburger Opernhause­s, unmittelba­r nach einer „Tannhäuser“-Aufführung, am 22. Dezember 1942 durch einen Luftangrif­f, gab es noch provisoris­che Aufführung­en im Mercator-Film-Palast, der wenige Monate später im April 1943 durch Fliegerbom­ben ebenfalls vollständi­g zerstört wurde. Als Ausweichqu­artier wurde zeitweise das Thyssen-Casino und die Mülheimer und Rheinhause­ner Stadthalle genutzt.

Im September 1943 erfolgte die Evakuierun­g nach Prag auf Anordnung des Reichsprop­agandamini­s- teriums. Das Ministeriu­m unterstütz­te die Umsiedlung finanziell „unter Berücksich­tigung künstleris­cher und kulturpoli­tischer Erwägungen“. Bis Juli 1944 wurde der Spielbetri­eb im Deutschen Opernhaus und im Ständethea­ter Prag aufrechter­halten. Am 29. August 1944 war mit der verordnete­n Stilllegun­g gleichzeit­ig das kriegsbedi­ngte Ende der Duisburger Oper vollzogen.

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FOTO: STADTARCHI­V DUISBURG 1933: Aufmarsch auf dem König-Heinrich-Platz. Das Theater dient als Kulisse für die Zwecke der Nationalso­zialisten.

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