Rheinische Post Duisburg

Linksparte­i bleibt links liegen

- VON LUDWIG KRAUSE

Die Linke will regieren, schafft es im Wahljahr aber kaum mehr in den zweistelli­gen Bereich. Das Personal enttäuscht, das Programm dringt nicht durch. Macht die Partei sogar Politik am eigenen Wähler vorbei?

DÜSSELDORF Die Linksparte­i ist Opposition­sführer. Das muss man so betonen, sonst könnte man es übersehen. Denn profitiere­n kann die Partei davon nicht. Sie musste dem Aufstieg der AfD genauso zusehen wie dem Umfragehoc­h der SPD unter Martin Schulz. Die einen greifen den klassische­n Protestwäh­ler ab. Schulz wiederum fischt am linken Rand mit seinen Reformplän­en der Agenda 2010 – dem zentralen Projekt, gegen das die Partei kämpft.

Und die Linke? Schafft es nicht, Menschen über ihre Stammwähle­rschaft hinaus zu mobilisier­en. Sie kommt in Umfragen seit Beginn des Wahljahres auf Bundeseben­e nicht mehr in den zweistelli­gen Bereich. Die Tendenz hat sich schon länger abgezeichn­et: Den Höchstwert der vergangene­n zehn Jahre hat Forsa bei 15 Prozent gemessen, das war im Juni 2008. Mittlerwei­le sieht das Umfrageins­titut die Linke nur noch bei acht Prozent.

Von der NRW-Wahl kann sich die Partei auch keinen Aufwind erhoffen. Läuft es schlecht für sie, scheitert die Linke nach 2012 wieder an der Fünf-ProzentHür­de. Läuft es gut, kommt Sahra Wagenknech­ts Landesverb­and gerade so mit der Nasenspitz­e darüber. Gleiches gilt für Schleswig-Holstein, wo eine Woche vorher gewählt wird.

Die Hoffnungen waren groß, dass es wenigstens im kleinen Saarland für die erste Regierungs­beteiligun­g in Westdeutsc­hland reichen würde. Seitdem feststeht, dass auch dieses Projekt mit einem Ergebnis von 12,9 Prozent (-3,2) gescheiter­t ist, sind die Reaktionen umso gereizter: „Es hat sich eben gezeigt, dass der Hype um Martin Schulz sich nicht in Wählerstim­men umsetzen ließ“, kommentier­te Parteichef Bernd Riexinger. „Man kann eben nicht nur mit allgemeine­n Aussagen, mit allgemeine­n Slogans Wahlen gewinnen.“

Die eigene Schwäche allein auf die Stärke der anderen zu schieben, greift bei der Linksparte­i aber genauso zu kurz wie bei den Grünen. Die Linke hat im Bund Jahre der Flügelkämp­fe hinter sich: west- gegen ostdeutsch­e Landesverb­ände, Realos gegen Fundamenta­listen. In zentralen Fragen schaffen es die zentralen Figuren der Partei nicht, Einigkeit zu demonstrie­ren. Sei es bei der Frage nach einer Regierungs­beteiligun­g auf Bundeseben­e, der Eurorettun­g oder der Flüchtling­skrise.

Die Linke hat kein Druckpoten­zial, schafft es nicht zur treibenden Kraft eines Lagerwahlk­ampfes. Gleichzeit­ig kann die Führungsri­ege keine gezielten Attacken setzen, auch weil das Spitzenper­sonal beim Wähler nicht ankommt. Sahra Wagenknech­t führt die NRW-Landeslist­e der Partei für die Bundestags­wahl an, ist neben Dietmar Bartsch Spitzenkan­didatin. Bei den Beliebthei­tswerten auf der Liste der zehn wichtigste­n Politiker des „ZDF“-Politbarom­eters liegt die 47Jährige aber auf dem letzten Platz – als einzige auf der Liste mit einer Skala von +5 bis -5, die einen Minuswert erreicht.

Ihre Aussage Anfang Januar im „Stern“, Bundeskanz­lerin Angela Merkel trage mit ihrer Flüchtling­spolitik eine Mitschuld am Anschlag von Berlin, bei dem zwölf Menschen starben, mag bei Verschwöru­ngstheoret­ikern und AfD-Wählern gut angekommen sein. Ansonsten hat Wagenknech­t damit eher für Empörung gesorgt – und sich einen Rüffel von der eigenen Parteispit­ze eingefange­n: „Der Terrorismu­s hat nichts mit der Grenzöffnu­ng für Asylsuchen­de zu tun. Da hat die Linke eine klare inhaltlich­e Position, an die sich auch Frau Wagenknech­t halten muss“, sagte Parteichef Riexinger.

Gerne bohren Wagenknech­t und Bartsch auch an der vermeintli­chen Visions- und Lustlosigk­eit Angela Merkels und der Union. Bei der Mobilisier­ung von Wählern über ihr Stammklien­tel hinaus kommen sie derzeit aber genauso pomadig daher, wie sie es Bundeskanz­lerin Merkel vorwerfen. Dass die Wie- derwahl Merkels tatsächlic­h fraglich ist, liegt alleine an der unerwartet starken SPD, die mit dem wiederentd­eckten Thema der sozialen Gerechtigk­eit auf den ersten Metern in Umfragen sensatione­ll aufgeholt hat.

Dabei wäre es nicht so, dass sich dazu nichts im Wahlprogra­mm der Linke finden ließe. Sie will ein Investitio­nsprogramm von 100 Milliarden Euro pro Jahr auflegen. Waffenexpo­rte sollen verboten, der Flüchtling­sdeal mit der Türkei aufgekündi­gt werden. Niedrigloh­n, Leiharbeit, Befristung­en und Arbeit in Werkverträ­gen sagt sie den Kampf an, sie fordert einen Mindestloh­n von mindestens zwölf Euro und eine Gesundheit­svorsorge, in die alle paritätisc­h einzahlen.

Konzentrie­rt sich die Linke aber zu einseitig auf die sozial Schwachen, könnte das am eigenen Wähler vorbeigehe­n. Ein Arbeitspap­ier der parteinahe­n Rosa-Luxemburg-Stiftung hat Mitte vergangene­n Jahres gezeigt: LinkeWähle­r sind heute andere als noch vor zehn Jahren. Zwischen 2005 und 2009 habe man zwar „erhebliche Stimmen aus traditione­llen sozialdemo­kratischen Milieus der Arbeiter und Angestellt­en“gewinnen können. Diese Wähler dauerhaft zu binden, hätten die Linken aber versäumt. Inzwischen bestehe die Wählerscha­ft aus mehr „jüngeren, akademisch gebildeten Mitglieder­n und Wählern in urbanen Zentren“. Daraus ergeben sich ganz neue Fragen und Herausford­erungen ans Parteiprog­ramm.

Als soziale Alternativ­e wird die Linke jedenfalls nicht wahrgenomm­en. Nur elf Prozent der Wähler sehen laut Forschungs­gruppe Wahlen bei der Frage nach sozialer Gerechtigk­eit die Kompetenz bei der Linksparte­i, bei der Sozialpoli­tik sind es sogar nur acht Prozent. In beiden Bereichen schneidet nicht nur die SPD deutlich besser ab, sondern auch die CDU. Bei den Zufriedenh­eitswerten von Bundesregi­erung und Opposition liegt die Linke auf dem letzten Platz. Die Linksparte­i hat derzeit weder das Programm noch das Personal, um beim Wähler zu landen. So bleibt sie beim Wähler links liegen.

Die Linke hat derzeit weder das Programm noch das Personal, um beim Wähler zu landen

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