Rheinische Post Duisburg

Dortmunder Blogger auf türkischer Geheimdien­stliste

- VON HELENE PAWLITZKI

Resul Özcelik hat bis 2014 für die Hizmet-Bewegung des Predigers Fethullah Gülen gearbeitet.

DORTMUND Es ist halb neun Uhr am Donnerstag­morgen, als Resul Özceliks Handy klingelt. Unterdrück­te Nummer. Es ist die Polizei. Özcelik weiß sofort, was der Beamte am anderen Ende ihm gleich sagen wird: „Ihr Name steht auf der Liste des türkischen Geheimdien­sts.“

Nach Angaben des Landeskrim­inalamts (LKA) haben in der vergangene­n Woche 140 Personen in Nordrhein-Westfalen diese Botschaft bekommen. Insgesamt sollen mehr als 300 Personen und 200 Institutio­nen wie Schulen, Vereine oder Stiftungen auf der Liste stehen, die der türkische Geheimdien­st MIT dem Bundesnach­richtendie­nst vor etwa sieben Wochen übergeben hat.

„Ich hatte eigentlich das LKA selbst anrufen wollen, um zu fragen, ob ich drauf stehe“, sagt Resul Özcelik (39), gebürtiger Dortmunder, verheirate­t, Vater von drei Töchtern. Er habe die „Gefährdete­n-Ansprache“, wie solche Telefonate im Polizeijar­gon heißen, relativ gelassen aufgenomme­n, sagt er. „Aber natürlich geht so etwas nicht spurlos an einem vorüber.“Özcelik bloggt auf verschiede­nen Plattforme­n und ist sehr aktiv bei Facebook. „Seit 2013 geht es in meinen Beiträgen mehr und mehr um die Spannungen in der Türkei. Ich versuche, ErdoganAnh­ängern aufzuzeige­n, wie gefährlich eine Ein-Mann-Regierung wäre“, erklärt Özcelik. Dass er bis 2014 für die Hizmet-Bewegung des Predigers Fethullah Gülen gearbeitet hat, verschweig­t er nicht. 2016 hat er erlebt, wie entfernte Verwandte und Freunde ihn deshalb bei der türkischen Regierung denunziert­en. Ein Jugendfreu­nd prangerte Özceliks Überzeugun­gen bei Facebook an. Der erstattete Anzeige wegen Beleidigun­g, Ende des Monats ist die Verhandlun­g. Nach dem Anruf am Donnerstag entschloss er sich, an die Öffentlich­keit zu gehen.

Am Telefon hatte ihn der Beamte gewarnt, türkisches Hoheitsgeb­iet zu betreten. „Uns geht es um Gefahrenab­wehr“, erklärt LKA-Sprecher Frank Scheulen. „Wir informiere­n die Menschen auf der Liste, dass ihnen in Konsulaten oder der Botschaft möglicherw­eise Repressali­en oder Drangsalie­rung drohen.“Man wolle es den „Gefährdete­n“leicht machen, Kontakt zur Polizei aufzunehme­n, falls ihnen mit Passentzug oder Verhaftung gedroht werde. Gar nicht so unwahrsche­inlich: „Schließlic­h ist auch ein deutscher Journalist in der Türkei verhaftet worden“, so Scheulen.

Sorgen, die auch Resul Özcelik jetzt hat. Er überlegt, ob er das Risiko eingehen kann, eins der Wahllokale für das türkische Verfassung­sreferendu­m zu betreten. Er hat nur einen türkischen, keinen deutschen Pass. „Bisher hat mir das keine Nachteile gebracht.“Jetzt denke er darüber nach, die deutsche Staatsbürg­erschaft zu beantragen.

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