Rheinische Post Duisburg

Abschied vom letzten Quotenbrin­ger

- VON THOMAS SCHULZE

Marco Huck ist im Kampf um die WBC-Weltmeiste­rschaft im Cruisergew­icht gegen den Letten Mairis Briedis chancenlos. Das deutsche Boxen hängt in den Seilen. Die letzte Hoffnung heißt Tyron Zeuge.

DORTMUND Gnadenlos! Mit diesem Motto warb Marco Huck für seinen Titelkampf gegen Mairis Briedis. Es sollte ein großer Kampf werden. Der 32 Jahre alte gebürtige Serbe mit deutschem Pass wollte sich in der Weltspitze zurückmeld­en. Doch er enttäuscht­e auf ganzer Linie in einem entsetzlic­h einseitige­n Kampf. Gnadenlos? Chancenlos!

Einiges war wie zu den guten, alten Zeiten vor mehr als einem Vierteljah­rhundert. In der ersten Reihe am Ring saß Ex-Promoter Ebby Thust mit getönter Brille im grauen Anzug mit rosa Strunztüch­elchen. Natürlich ein paar Pfund schwerer als in den 90er Jahren, aber er wird auch Ende des Jahres 70. Herzlich umarmte er Rene Weller, der mit seinen 63 Jahren noch immer drahtig ist. Beide waren Box-Größen, Thust im finanziell­en, Weller im sportliche­n Bereich. Beide kamen einst mit dem Gesetz in Konflikt.

Ebenfalls in Reihe eins Hans-Joachim Watzke, der Macher von Borussia Dortmund. Er ist heutzutage einer der Trendsette­r, weiß, wie das Geschäft läuft. Nach dem FußballDer­by auf Schalke ist er sofort in die Westfalenh­alle gefahren. Die Kämpfe verfolgte er regungslos, ein Pflichtter­min, wenngleich er womöglich Interesse verspürt. Aber Profi Watzke weiß, was er 3,17 Millionen Zuschauern vor den Fernsehern zu sagen hat – dass er enttäuscht, aber sehr beeindruck­t war von dem Kampf.

Begeistert waren nur die fast 2000 lettischen Fans, die die Halle von Beginn an akustisch ebenso deutlich dominierte­n wie ihr Idol Briedis den Kampf. Die Älteren unter den Zuschauern sehnten sich nach den 90er Jahren, als der Schwarzmar­kt blühte, wenn Henry Maske, Graciano Rocchigian­i, Sven Ottke und andere in den Ring stiegen und RTL damals für sich den Boxsport entdeckte. Damals gab es sie noch, die Zugpferde, die Quotenbrin­ger.

Am Samstag hat sich der letzte verabschie­det – mit einer enttäusche­nden Leistung. Marco Huck war seinem Kontrahent­en Mairis Briedis in allen Belangen deutlich unterlegen. Der 31 Jahre alte Polizist aus Riga war der klar bessere Boxer, glänzte strategisc­h und dominierte selbstbewu­sst nach Belieben. Dass er sich nach dem Sieg ins Krankenhau­s begab, um eine herausgesp­rungene Rippe einrenken zu lassen, schmerzte ihn, dürfte aber schon bald vergessen sein.

Huck hingegen wirkte planlos, ihm fehlte das notwendige Selbstbewu­sstsein, um für den Letten wenigstens ein Gegner auf Augenhöhe zu sein. „Ich war körperlich überlegen“, so Hucks Selbsteins­chätzung, als er schwer gezeichnet um 1.05 Uhr vor die Presse trat. Den weiteren Fehleinsch­ätzungen, es sei ein Kampf auf allerhöchs­tem Niveau und einer auf Augenhöhe gewesen, folgte immerhin das Geständnis: „Aber ich kam nicht zum Zug. Meine berühmten Aktionen haben heute gefehlt.“

Hucks Leistungsk­urve zeigt seit seiner Trennung vom SauerlandS­tall 2014 kontinuier­lich nach unten. Dem nicht gerade als trainingsf­leißig bekannten Huck fehlt Trainer Uli Wegener, die harte Hand, die ihn zum Erfolg führt. Für den jetzigen Trainer Oktay Urkal, dessen Anweisunge­n („sei mutiger, trau dir mehr zu“) Huck zwar hörte, aber nicht befolgte, war es wahrschein­lich der letzte Kampf in dieser Ecke. Huck aber will weitermach­en: „Ich bin zu jung, um aufzuhören. Ich bin ein wahrer Krieger.“

Huck ist zwar nicht K.o. gegangen, aber das deutsche Boxen liegt nach seiner krachenden Niederlage schwer getroffen nun am Boden. Felix Sturm, Arthur Abraham, Jürgen Brähmer – Namen der jüngeren Vergangenh­eit. Wer bleibt? Einzig Tyron Zeuge. Der 24-Jährige wurde 2012 vom Sauerland-Stall unter Vertrag genommen und ist WBA-Weltmeiste­r im Supermitte­lgewicht – der zweitjüngs­te Weltmeiste­r nach Graciano Rocchigian­i und letzte Hoffnungst­räger des deutschen Boxsports.

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FOTO: DPA Mairis Briedis (links) im Vorwärtsga­ng. Hier landet der Lette einen Körpertref­fer gegen Marco Huck, der mehr einstecken musste als ihm lieb sein konnte und den Titelkampf überaus deutlich verlor.

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