Können Computer den Anwalt ersetzen?
Thomas Glaesmann ( CMS Hasche Sigle) weist demgegenüber darauf hin, dass Legaltech nicht als bloßes Mittel angesehen werden dürfe, den Anwalt in seiner Arbeit zu unterstützen, sondern ihn in absehbarer Zeit in bestimmten Bereichen wirklich ersetzen könnte.
PricewaterhouseCoopers Legal investiert in Großbritannien derzeit rund 40 Millionen Pfund in moderne Technologien. „Einfache Fragen, die ein Senior Consultant mit drei Jahren Berufserfahrung lösen kann, kann der Computer schon heute beantworten“, bekräftigt Dr. Sven-Joachim Otto. „Im Legalbereich stehen wir zwar erst am Anfang, doch wir wollen die Digitalisierung wei- ter ausbauen. Schon heute ist unser Alltag digital geprägt, so sind etwa alle Akten im Computer gespeichert. Papierakten haben wir nur noch, weil wir es uns nicht abgewöhnen können.“
Bei Jones Day wird die Digitalisierung insbesondere gemeinsam mit Mandanten vorangetrieben: „Das erleichtert die Kommunikation und wirkt sich positiv auf Kosten aus“, so Dr. Ulrich Brauer. Sehr effektiv sei etwa die Nutzung der Patentdatenbank in München. Dennoch ist er wie viele seiner Kollegen überzeugt: „Ein Roboter wird den Anwalt nicht ersetzen, aber in bestimmten Bereichen wird er sinnvoll eingesetzt werden können.“Dr. Thorsten Volz (Pinsent Masons) verweist auf gute Erfahrungen in Großbritannien: „Hier setzen wir Software ein, um Prozesse zu vereinfachen – das verändert den Beratungsansatz allerdings komplett.“
Dr. Ulrich Flege von McDermott Will & Emery beobachtet, wie die Digitalisierung schleichend Einzug nimmt: „In naher Zukunft werden auch komplexe Verträge automatisch erstellt werden können. Angst vor Veränderungen darf man nicht haben, wir müssen die Chancen sehen. So verwalten manche Kanzleien gigantische Datenmengen ihrer Mandanten. Daraus lassen sich für diese neue Angebote entwickeln, indem deren Daten so vernetzt werden, dass eventuelle Konflikte oder aber auch Synergieeffekte aufgedeckt werden.“
Auch Dr. Natalie Daghles (Latham & Watkins) sieht Chancen, zum Beispiel in der Effizienzsteigerung. „Aber die eigentliche Bewertungsaufgabe, die einen guten Wirtschaftsanwalt kennzeichnet, kann digital derzeit nicht abgebildet werden.“
Auch bei Herberth Smith Freehills sind viele Prozesse digitalisiert worden. Dr. Michael Dietrich berichtet von einer digitalen Plattform, auf der demnächst Angebote zusammengefasst werden: „Wir versuchen damit digitale Produkte zu schaffen, die unsere Mandaten für sich nutzen können.“
Lars Hinkel von Anchor verweist auf die Schnelligkeit, mit der die Digitalisierung vorangetrieben wird. „Einen Senior Associate und auch Partner wird der Computer in einigen Bereich ersetzen können. Sieger werden in Zukunft diejenigen sein, die Daten am schnellsten auswerten können.“„Auswertungen sind aber nur möglich, wenn wir die Daten vernetzen“, ergänzt Susann Ihlau (Mazars). Sie erwarte für die Zukunft deshalb eine Spaltung des Wirtschaftskanzleien-Marktes: „Profitieren werden Gesellschaften, die jetzt in diese Digitalisierung investieren können – diese werden in Zukunft schneller und kostengünstiger arbeiten können.“
Bei der Rechtsanwaltsgesellschaft Luther hat man schon früh komplexe Datenbanktools zur Betreuung umfangreicher Prozessmandate mit hunderten und zum Teil sogar mehreren tausend Klageverfahren entwickelt und genutzt. „Ohne solche Hilfsmittel können derartige Verfahren nicht mehr effizient betreut werden“sagt Hans-Christian Ackermann (Luther).
„Ich habe für mich die Überzeugung gewonnen, dass die Branche sich nicht in Sicherheit wiegen darf“, meint Felix Felleisen (Deloitte Legal). „Es wäre vermessen zu glauben, dass unsere Industrie nicht von den Folgen der Digitalisierung erfasst wird. Der Anwalt als ‚Trusted Advisor‘ wird in Zukunft weiter wichtig sein, aber die Frage ist, wie viele Berater dieses Typs noch benötigt werden.“Chancen sieht Felix Felleisen in einer „crossfunktionalen Beratung“, die unter dem Blickwinkel der Digitalisierung Bereiche wie Steuern, Buchhaltung und Recht verbindet.
Selbstverständlich gehen die Spezialisten bei ihrer Beratung auch auf die Digitalisierung bei ihren Mandanten ein. Insbesondere in der Mittelstandsberatung steht das Thema hier mit Blick auf Effizienzsteigerung der Lieferketten oder auf Fragen der Datensicherheit im Fokus, sagt Dr. Knut Schulte (Beiten Burkhardt). Fintech und Datenschutz böten viel Potenzial für Kanzleien, ergänzt Dr. Norbert Bröcker (Hoffmann Liebs Fritsch & Partner). Im Umfeld von Informationstechnologie (IT) und dem Schutz geistigen Eigentums (Intellectual Property) liegen ebenfalls viele geschäftliche Chancen für Anwälte, fügt Dr. Philipp Mels (Orth Kluth Rechtsanwälte) hinzu. Auch im Bereich Compliance spiele die Digitalisierung eine zunehmend bedeutsame Rolle, sagt Dr. Kerstin Pallinger (Mütze Korsch Rechtsanwaltsgesellschaft). Das reiche von der Implementierung bis zur Zertifizierung. Wichtig sei hier ein gutes Konzept.
„Sieger werden in Zukunft diejenigen sein, die Daten am schnellsten auswerten können“