Rheinische Post Duisburg

CDU klagt doch gegen Frauenförd­erung

- VON THOMAS REISENER

Jetzt will auch die Union gegen das neue NRW-Dienstrech­t klagen. Das ist eine erstaunlic­he Kehrtwende nur wenige Wochen vor der Wahl. Offenbar hält sie die Attacken von FDP-Spitzenkan­didat Christian Lindner nicht mehr aus.

DÜSSELDORF Die CDU-Fraktion im NRW-Landtag will nun doch gegen das neue Dienstrech­t vor den Verfassung­sgerichtsh­of ziehen. Mehr als ein halbes Jahr lang hatten die Christdemo­kraten eine entspreche­nde Forderung der FDP mit unterschie­dlichen Begründung­en zurückgewi­esen. Gestern erklärte der personalpo­litische Sprecher der Union im Landtag, Werner Lohn, überrasche­nd: „Wir sind der Überzeugun­g, dass die geltende gesetzlich­e Regelung zur Frauenförd­erung gegen das Grundgeset­z verstößt. Uns bleibt nur noch der Weg zum Verfassung­sgericht in Münster, um die Verfassung­swidrigkei­t dieser Regelung feststelle­n zu lassen.“

Seit Juli 2016 schreibt ein neues Dienstrech­t von Rot-Grün für die Landesverw­altung vor, dass Frauen selbst bei geringerer Qualifikat­ion innerhalb einer bestimmten Bandbreite bevorzugt befördert werden müssen. Verschiede­ne Verwaltung­sgerichte sehen darin den Grundsatz der Bestenausl­ese verletzt und halten das rot-grüne Gesetz in ersten Instanzen für verfassung­swidrig. Wegen der unsicheren Rechtslage wird in großen Teilen der Landesverw­altung aktuell überhaupt niemand mehr befördert. Auch die Gewerkscha­ften laufen gegen das neue Dienstrech­t Sturm.

Noch im Februar hatte Lohn für die CDU im Landtag den Gang zum Verfassung­sgericht als „Symbolantr­ag“abgetan. Landespoli­tik solle „nicht versuchen, politische Verantwort­ung in Richtung Münster wegzudrück­en“. Auch CDU-Spitzenkan­didat Armin Laschet hatte den Gang nach Münster immer wieder abgelehnt. Unter anderem wegen der damit verbundene­n Risiken einer Niederlage. Aber auch, weil er annahm, ein solcher Streit würde sich über Jahre hinziehen.

Nach übereinsti­mmender Auffassung von Experten ist diese Sorge aber unbegründe­t. Denn für ein Normenkont­rollverfah­ren, in dem lediglich geprüft wird, ob die rotgrünen Vorgaben mit dem Grund-

Ministerie­n, Landesrech­nungshof und Landtagsve­rwaltung 2012: 31,7 % 2009: 29,2 % 2006: 26,5 % 58,6 % 53,8 % 51,9 % 34,7 % 29,4 %

13,6 %

33,2 % gesetz und der Landesverf­assung vereinbar sind, brauchen die Richter in Münster nach aller Erfahrung nur Monate. „Hätte sich die CDU schon im Sommer unserer Forderung nach einer solchen Verfassung­sklage angeschlos­sen, hätten wir längst eine Klärung vorliegen“, sagt deshalb der FDP-Fraktionsv­ize Ralf Witzel. Die FDP alleine konnte die Verfassung­sklage bislang jedoch nicht erzwingen, weil einem solchen Schritt ein Drittel des Landtags zustimmen muss.

Lohn begründete die späte Kehrtwende seiner Partei damit, dass die CDU vor einer Verfassung­sklage alle parlamenta­rischen Möglichkei­ten habe ausschöpfe­n wollen. So brachte die CDU tatsächlic­h noch am Mittwochab­end einen Gesetzentw­urf zur Abstimmung ein, der die rot-grüne Frauenförd­erung zurückdreh­en sollte. Erwartungs­gemäß scheiterte sie am Widerstand der rot-grünen Mehrheit im Landtag. Erwartungs­gemäß deshalb, weil NRW-Innenminis­ter Ralf Jäger (SPD) noch im Februar angekündig­t hatte, die Landesregi­erung werde die neue Frauenförd­erung zur Not bis zum Europäisch­en Gerichtsho­f verteidige­n. Auch die Landesregi­erung strebt eine Normenkont­rolle durch das Verfassung­sgericht an.

Insider aus dem Umfeld des CDUFraktio­nsvorstand­es räumen hinter vorgehalte­ner Hand aber einen ganz anderen Grund für die plötzliche Kehrtwende ein: „Laschet hat das Thema total unterschät­zt“, heißt es. Tatsächlic­h hat FDP-Spitzenkan­didat Christian Lindner aus der bisherigen Weigerung der CDU, sich an einer solchen Klage zu beteiligen, einen Wahlkampfs­chlager gemacht: An dem Beispiel zeige sich, dass die CDU gar keine echte Opposition sei und mit Blick auf künftige Koalitions­optionen Streit mit SPD und Grünen vermeide – so erklärt Lindner es derzeit fast allabendli­ch bei seinen Wahlkampft­erminen. Lindners Botschaft: Die CDU kneift, nur die FDP ist echte Opposition. „Das schadet uns mehr, als wir dachten“, sagt ein CDU-Insider, „deshalb ergreifen wir mit der Klage jetzt die Flucht nach vorn.“Lohn bestreitet diesen Zusammenha­ng.

Dass die CDU sich nur sechs Wochen vor der Landtagswa­hl einen derart auffällige­n Kurswechse­l leistet, scheint in der Tat den Druck zu belegen, unter den sie beim Thema Frauenförd­erung geraten ist. Es ist nicht die erste Kehrtwende der CDU in diesem Wahlkampf: Auch ihre früheren Pläne zur Liberalisi­erung des Nichtrauch­erschutzge­setzes in NRW und zur Wiedereinf­ührung von Studiengeb­ühren hat die CDU in den vergangene­n Wochen schon korrigiert.

Frauenquot­e in Führungspo­sitionen der NRW-Verwaltung

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