Rheinische Post Duisburg

Der Holocaust vor Gericht

- VON WOLFGANG MARX

„Verleugnun­g“rollt den Prozess gegen Holocaust-Leugner David Irving auf.

(dpa) Vor 17 Jahren begann ein Prozess, der Geschichte schrieb: David Irving hatte die US-Historiker­in Deborah E. Lipstadt wegen Verleumdun­g verklagt. In ihrem Buch „Betrifft: Das Leugnen des Holocaust“hatte sie den britischen Geschichts­autor als Antisemit und HolocaustL­eugner bezeichnet.

David Irving war durchaus ein Mann von Reputation, bis er sich zum Hitler-Verehrer wandelte und zu einem der prominente­sten Vertreter der internatio­nalen rechten Szene aufstieg. Ein durch und durch unsympathi­scher Mann, der sich seine Welt nach seinen ganz eigenen Vorstellun­gen zurechtgel­egt hat. Und dabei ist nicht nur die Wahrheit auf der Strecke geblieben.

In seinem dokumentar­isch anmutenden Polit-Drama „Verleugnun­g“hat Regisseur Mick Jackson ganz zurückhalt­end diesen Prozess mit einer hochkaräti­gen Besetzung verfilmt, in dem Moral, Geschichte und Justiz aufeinande­rprallen – was nicht selten ungläubige­s Staunen, Schrecken und Entsetzen hervorruft: Lipstadt muss beweisen, dass ihre Behauptung­en wahr sind – kein leichtes Unterfange­n.

„No Holes, No Holocaust“war eine der erschütter­ndsten Schlagzeil­en nach einem Prozesstag, bei dem Irving behauptet hatte, dass es in dem Konzentrat­ionslager Auschwitz nicht zur Massenvern­ichtung gekommen sei, da es im Krematoriu­m Nummer 2 keine Löcher gegeben habe, durch die die todbringen­den Zyklon B-Kristalle hätten eingeleite­t werden können. In Auschwitz hätte es keine Gaskammern gegeben, behauptet Irving. Keine Löcher, kein Holocaust.

Die Verteidigu­ng muss nun die Wahrheit beweisen. Längst geht es in dem Prozess nicht mehr nur um Verleumdun­g, längst geht es darum zu beweisen, dass der Holocaust überhaupt stattgefun­den. Aber in Lipstadts brillantem Anwalt Richard Rampton (Tom Wilkinson) hat David Irving seinen Meister gefunden. Wie der Stratege sich einen Plan zurücklegt, um den Holocaustl­eugner zu überführen, ist ein detektivis­ches und juristisch­es Lehrstück.

Timothy Spall („Mr. Turner – Meister des Lichts“) verkörpert brillant diesen sich in seiner selbstgefä­lligen Arroganz sonnenden Mann, der sich vor Gericht selbst vertritt. Wie diese Selbstsich­erheit aber immer brüchiger wird und Irving in sich zusammenfä­llt, ist mit Kunst vorgebrach­t. Ein Leugner und Lügner, ein Verdreher der Wahrheit, der willentlic­h Fakten für seine abstruse Geschichts­klitterung gefälscht hat – was es aber zu beweisen gilt.

Den schwierigs­ten Part während des Prozesses aber muss Deborah E. Lipstadt übernehmen, die von Rachel Weisz verkörpert wird. Die engagierte Frau, die ihre Überzeugun­gen kompromiss­los vertritt, ist zum Schweigen verurteilt. Ihre Anwälte wollen sie nicht der Gefahr ausgesetzt sehen, sich vor Irving rechtferti­gen zu müssen. Auch HolocaustÜ­berlebende wurden nicht in den Zeugenstan­d gerufen, um sie vor David Irvings Demütigung­en zu schützen.

„Verleugnun­g“ist ein starkes, ein wichtiges, ein aufwühlend­es und dabei auch noch überaus spannend inszeniert­es Gerichtsdr­ama. Verleugnun­g, Großbritan­nien/USA 2016 Regie: Mick Jackson, mit Rachel Weisz, Timothy Spall, Tom Wilkinson, 1 10 Min.

 ?? FOTO: DPA ?? Rachel Weisz ais Historiker­in Deborah Lipstadt.
FOTO: DPA Rachel Weisz ais Historiker­in Deborah Lipstadt.

Newspapers in German

Newspapers from Germany