Der Holocaust vor Gericht
„Verleugnung“rollt den Prozess gegen Holocaust-Leugner David Irving auf.
(dpa) Vor 17 Jahren begann ein Prozess, der Geschichte schrieb: David Irving hatte die US-Historikerin Deborah E. Lipstadt wegen Verleumdung verklagt. In ihrem Buch „Betrifft: Das Leugnen des Holocaust“hatte sie den britischen Geschichtsautor als Antisemit und HolocaustLeugner bezeichnet.
David Irving war durchaus ein Mann von Reputation, bis er sich zum Hitler-Verehrer wandelte und zu einem der prominentesten Vertreter der internationalen rechten Szene aufstieg. Ein durch und durch unsympathischer Mann, der sich seine Welt nach seinen ganz eigenen Vorstellungen zurechtgelegt hat. Und dabei ist nicht nur die Wahrheit auf der Strecke geblieben.
In seinem dokumentarisch anmutenden Polit-Drama „Verleugnung“hat Regisseur Mick Jackson ganz zurückhaltend diesen Prozess mit einer hochkarätigen Besetzung verfilmt, in dem Moral, Geschichte und Justiz aufeinanderprallen – was nicht selten ungläubiges Staunen, Schrecken und Entsetzen hervorruft: Lipstadt muss beweisen, dass ihre Behauptungen wahr sind – kein leichtes Unterfangen.
„No Holes, No Holocaust“war eine der erschütterndsten Schlagzeilen nach einem Prozesstag, bei dem Irving behauptet hatte, dass es in dem Konzentrationslager Auschwitz nicht zur Massenvernichtung gekommen sei, da es im Krematorium Nummer 2 keine Löcher gegeben habe, durch die die todbringenden Zyklon B-Kristalle hätten eingeleitet werden können. In Auschwitz hätte es keine Gaskammern gegeben, behauptet Irving. Keine Löcher, kein Holocaust.
Die Verteidigung muss nun die Wahrheit beweisen. Längst geht es in dem Prozess nicht mehr nur um Verleumdung, längst geht es darum zu beweisen, dass der Holocaust überhaupt stattgefunden. Aber in Lipstadts brillantem Anwalt Richard Rampton (Tom Wilkinson) hat David Irving seinen Meister gefunden. Wie der Stratege sich einen Plan zurücklegt, um den Holocaustleugner zu überführen, ist ein detektivisches und juristisches Lehrstück.
Timothy Spall („Mr. Turner – Meister des Lichts“) verkörpert brillant diesen sich in seiner selbstgefälligen Arroganz sonnenden Mann, der sich vor Gericht selbst vertritt. Wie diese Selbstsicherheit aber immer brüchiger wird und Irving in sich zusammenfällt, ist mit Kunst vorgebracht. Ein Leugner und Lügner, ein Verdreher der Wahrheit, der willentlich Fakten für seine abstruse Geschichtsklitterung gefälscht hat – was es aber zu beweisen gilt.
Den schwierigsten Part während des Prozesses aber muss Deborah E. Lipstadt übernehmen, die von Rachel Weisz verkörpert wird. Die engagierte Frau, die ihre Überzeugungen kompromisslos vertritt, ist zum Schweigen verurteilt. Ihre Anwälte wollen sie nicht der Gefahr ausgesetzt sehen, sich vor Irving rechtfertigen zu müssen. Auch HolocaustÜberlebende wurden nicht in den Zeugenstand gerufen, um sie vor David Irvings Demütigungen zu schützen.
„Verleugnung“ist ein starkes, ein wichtiges, ein aufwühlendes und dabei auch noch überaus spannend inszeniertes Gerichtsdrama. Verleugnung, Großbritannien/USA 2016 Regie: Mick Jackson, mit Rachel Weisz, Timothy Spall, Tom Wilkinson, 1 10 Min.