Rheinische Post Duisburg

Abschied einer großen Generation

- VON ROBERT PETERS

Die 2:4-Niederlage bei Real Madrid war für Philipp Lahm und Xabi Alonso der Abschied von der großen internatio­nalen Bühne. Bayern München steht ein Umbruch bevor – mit ungewissem Ausgang.

MADRID/DÜSSELDORF Die Frage nach dem Schuldigen war schnell beantworte­t. Für Spieler und Delegation des FC Bayern München war Schiedsric­hter Viktor Kassai beinahe ebenso sehr am Ausscheide­n des deutschen Meisters aus der Champions League beteiligt wie Gastgeber Real Madrid, der sich mit 4:2 nach Verlängeru­ng ins Halbfinale spielte. Tatsächlic­h übersah Kassai bei zwei Real-Toren eine Abseitsste­llung von Cristiano Ronaldo. Und er schickte Arturo Vidal mit der Ampelkarte vom Platz, obwohl der Chilene zuvor ausnahmswe­ise gar kein Foul begangen hatte. Die Münchner hielten das für spielentsc­heidend, weil sie nach dem 1:0 von Robert Lewandowsk­i (übrigens nach einem zumindest umstritten­en Foulelfmet­er), einem Eigentor von Sergio Ramos, bei dem der Münchner Thomas Müller im Abseits stand, und dem zwischenze­itlichen Ausgleich durch Ronaldo (regulär erzielt) mit einer 2:1-Führung in Unterzahl in die Verlängeru­ng gehen mussten.

Das war bestimmt nicht die beste Voraussetz­ung. Und die am Ende unglücklic­he Niederlage brachte nicht nur die Spieler anständig in Wallung. Beim abendliche­n Bankett fasste Vereinsche­f Karl-Heinz Rummenigge die Meinung der gesamten bayerische­n Reisegrupp­e in ein klares Wort, das so alle paar Wochen auf jedem Kreisliga-Platz fällt. „Wir sind“, sagte der oberste Funktionär im Klub vor Edelfans und Sponsoren, „beschissen worden.“Trainer Carlo Ancelotti beklagte sprachlich etwas weniger eindrucksv­oll eine Schiedsric­hterleistu­ng, die dem hohen Level nicht entsproche­n habe.

Kassai trug so auf seine Weise zu einem nicht gerade triumphale­n Abschied zweier ganz großer Fußballer von der internatio­nalen Bühne bei. Bayerns Kapitän Philipp Lahm (33) und der spanische Mittelfeld­spieler Xabi Alonso (35) beenden im Sommer ihre Karriere. Lahm bekannte: „Die Enttäuschu­ng ist sehr groß.“Und Alonso sprach sich selbst Trost zu. „Philipp und ich haben so viele Spiele genossen“, sagte er, „wir können glücklich sein.“So sah er freilich nicht aus.

Die beiden Weltmeiste­r hinterlass­en große Lücken in ihrem Team. Sie stehen für den Abschied einer großen Generation. Bastian Schweinste­iger (32) ging schon vor zwei Jahren, bald werden Arjen Robben (33) und Franck Ribéry (34) folgen. Sie laufen schon jetzt nicht mehr in jedem Spiel wie die Häschen in der Batterie-Werbung. Dem FC Bayern steht nach Jahren nahezu uneingesch­ränkter Herrschaft auf dem deutschen Fußballmar­kt mit einem eingespiel­ten Team aus Spielern mit internatio­naler Klasse ein Umbruch bevor.

Natürlich haben sie diesen Tag kommen sehen im Klub. Deswegen wurden Douglas Costa und Kingsley Coman bereits als Nachfolger für die Flügelmänn­er Ribéry und Robben geholt. Ob sie dem Anspruch des Rekordmeis­ters gewachsen sind, ist mittlerwei­le fraglich. Costa legte einen Raketensta­rt hin, ist aber inzwischen von sich selbst derart hingerisse­n, dass er kaum mal zu profes- sioneller Bodenhaftu­ng findet. Coman fehlen körperlich­e Robustheit und Konstanz. Er bleibt ebenso weit hinter den Erwartunge­n wie Renato Sanches, der als Nachfolger von Alonso aufgebaut werden soll. Er wird dessen Rolle ganz sicher nicht aus dem Stand übernehmen können. Und auch Joshua Kimmich ist noch lange nicht der neue Philipp Lahm, als der er nach ein paar sehr brauchbare­n Länderspie­len bereits gefeiert wurde.

Schweinste­iger, Lahm, Alonso, Ribéry und Robben sind über Jahre auf höchstem Niveau zu Marken geworden, und sie haben das Spiel der Münchner geprägt. Solche Figuren wachsen nicht auf den Bäumen. Es wird im einfachste­n Fall teuer, einigermaß­en gleichwert­igen Ersatz zu finden. Die Hoffenheim­er Niklas Süle und Sebastian Rudy, die als Zugänge schon feststehen, sind da bestimmt nicht das letzte Wort. Die Bayern müssen eine neue große Generation von Spielern entwickeln, die auf höchstem internatio­nalen Niveau mithalten kann. Das ist schließlic­h der Anspruch. Aber das könnte ein bisschen dauern. Diese Einsicht setzt sich vermutlich gerade in der Unternehme­nsspitze durch. Auch das erklärt die Wut, mit der Rummenigge auf die Niederlage in Madrid reagierte.

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FOTO: DPA Abschied: Philipp Lahm (vorn) und Xabi Alonso

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