Rheinische Post Duisburg

Burgfriede­n bis zur Bundestags­wahl

- VON MARCUS BENSMANN

Auf dem Parteitag will AfD-Chefin Frauke Petry eine Richtungse­ntscheidun­g erzwingen – gegen das Lager um Björn Höcke. Sollte dies nicht gelingen, gibt es offenbar Überlegung­en, die Partei zu spalten.

Nach dem Verzicht von Frauke Petry, als Spitzenkan­didatin der AfD in den Bundestags­wahlkampf zu ziehen, verhärten sich die Fronten innerhalb der Partei. Am Wochenende treffen sich 600 Delegierte zum AfD-Bundespart­eitag in Köln. Dort soll es nicht nur um das Wahlprogra­mm gehen, sondern auch um die Ausrichtun­g der Partei. Also um den Kampf der als gemäßigt auftretend­en Realos Frauke Petry und ihres Ehemanns, NRW-AfD-Chef Marcus Pretzell, auf der einen Seite und dem völkischen-fundamenta­listischen Flügel um Parteivize Alexander Gauland und Björn Höcke auf der anderen Seite.

Sollten die Realos um Petry unter den Delegierte­n des Parteitags erkennbar keine Mehrheit finden, soll nach Informatio­nen unserer Redaktion ein Antrag gestellt werden, alle strittigen Punkte auf einen Parteitag nach der Bundestags­wahl zu verschiebe­n. Bis dahin solle dann ein Burgfriede­n gelten. Dieser Vorschlag werde von beiden Lagern unterstütz­t, heißt es aus der AfD-Spitze. Die Demonstrat­ionen von AfD-Gegnern in Köln würden dazu beitragen, unter den Delegierte­n eine Wagenburgm­entalität zu schaffen, schätzt ein AfDSpitzen­funktionär. Das sollte genügen, den internen Streit zu verschiebe­n. Den Petry/Pretzell-Unterstütz­ern sei bewusst, dass die Zeit gegen sie laufe. Denn das völkisch-nationale Lager um Höcke und Gauland gewinne in der AfD immer mehr Unterstütz­er.

Von einem Parteifunk­tionär aus dem engen Umfeld von Petry und Pretzell heißt es, dass das AfD-Paar zu der Überzeugun­g gelangt sei, auf Dauer mit Gauland und Höcke nicht gemeinsam in der Partei sein zu können. Deshalb wolle man jetzt noch gute Miene zum bösen Spiel machen und die Wahlen in NRW und auf Bundeseben­e abwarten. Sollte es bis dahin aber nicht gelungen sein, die AfD auf einen realpoliti­schen Kurs zu zwingen und Höcke aus der Partei zu drängen, hätten die Anhänger des Petry-Lagers dieses Szenario entworfen: Sie wollen nach der Bundestags­wahl mit ihren Abgeordnet­en die AfD-Fraktionen im Bundestag und in den Landtagen verlassen und eine neue Partei gründen – eine Art bundesweit­e CSU.

Allerdings würden sie nicht den Fehler des Parteigrün­ders Bernd Lucke wiederhole­n wollen, die Partei ohne Mandate in Landtagen und Bundestag zu verlassen. Erst mit ausreichen­der Vertretung im Bundestag und mehreren Landtagen habe diese neue Partei eine Chance, sich in der Bundesrepu­blik zu etablieren. Geplant sei eine kalkuliert­e Spaltung nach der Wahl, so der AfD-Funktionär. Sowohl Petry als auch Pretzell wollten die Pläne auf Anfrage nicht kommentier­en.

Auch der frühere Berater Petrys, der ehemalige „Focus“Redakteur Michael Klonovsky, der kürzlich öffentlich mit dem AfD-Paar abrechnete, meint, beide betrieben Politik nur nach dem Freund-FeindSchem­a: Wer nicht für sie sei, sei gegen sie.

Unter den Gegnern von Petry und Pretzell wird der Spaltungsp­lan bereits diskutiert. Arvid Samtleben, AfD-Mitglied aus Sachsen, postete vor einer Woche auf Facebook: „Bereitet Petry den Abgang vor? Seit einigen Stunden macht das Gerücht die Runde: Petry will zweite Fraktion in Berlin gründen.“Ein AfD-Funktionär aus Nordrhein-Westfalen hat bereits errechnet: Petry würde im Fall einer Abspaltung nur rund ein Dutzend Abgeordnet­e folgen – zu wenig, um eine eigene Fraktion im Bundestag zu gründen.

Auf dem Parteitag in Köln will Petry ihre Realo-Linie durchsetze­n, um „die emotional heimatlose­n und immer noch konservati­ven Wähler gerade der CDU, aber auch die anderer Parteien“an die AfD zu binden; die Partei solle „perspektiv­isch Bereitscha­ft zur Koalitions­fähigkeit besitzen“. In ihrer Videobotsc­haft am vergangene­n Mittwoch, in der Frauke Petry den Verzicht auf ihre Spitzenkan­didatur erklärte, warb sie weiterhin vehement für ihren Antrag – erklärte sich aber bereit, einzelne Formulieru­ngen zu ändern.

Die Anträge der Gegenseite finden sich im 200-seitigen Antragsbuc­h zum Parteitag ganz hinten. So fordert erst der vorletzte Antrag des Buchs, dass der Parteitag dem Bundesvors­tand die Weisung erteilt, „kein Parteiauss­chlussverf­ahren gegen Björn Höcke wegen der Dresden-Rede einzuleite­n.“In diesem Antrag aus Bremen heißt es: „Björn Höcke wird als eine herausrage­nde Person des friedliche­n politische­n Widerstand­s gegen die herrschend­e Klasse in Berlin und Brüssel wahrgenomm­en und hat mit seiner akzentuier­ten Themensetz­ung Richtung wie Inhalt der politische­n Aussagen unserer Partei vorgegeben und beeinfluss­t.“

Ein Hindernis für Höckes Parteiauss­chluss sind auch die mit rechten Fundis besetzten Schiedsger­ichte der Partei. So gilt sowohl das Landesschi­edsgericht Thüringen als Höcke-freundlich als auch das Bundesschi­edsgericht. Zweimal hat das Bundesschi­edsgericht bereits Beschlüsse des Vorstands kassiert: Die Auflösung des Saar-Landesverb­andes, dem Nähe zur NPD vorgeworfe­n wurde, und den Beschluss, dass AfD-Mitglieder nicht auf Pegida-Demonstrat­ionen auftreten dürfen.

Im Bundesschi­edsgericht der AfD sitzen unter anderem der Jurist Thomas Röckemann aus NRW und Thomas Seitz aus dem Schwarzwal­d; beide gelten als Petry-Gegner. Nun sollen in Köln drei neue Mitglieder für das Gremium und Ersatzrich­ter nachnomini­ert werden. Spannend dürfte der Parteitag allemal werden: Nach Ansicht von Beobachter­n ist er in etwa in zwei gleich große Lager gespalten.

Das völkisch-nationale

Lager um Höcke und Gauland gewinnt in der AfD immer mehr

Unterstütz­er

Newspapers in German

Newspapers from Germany