Rheinische Post Duisburg

„Öffentlich­e Seite muss nachsteuer­n“

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Der Arbeitslos­enreport NRW der Wohlfahrts­verbände beklagt fehlende Anschlussp­erspektive­n und ein hohes soziales Risiko für junge Menschen unter 25 ohne Berufsausb­ildung. Caritas und andere fordern Ausbildung­splatzabga­be.

(RP) Mehr als 25.000 Ausbildung­sstellen fehlten NRW-weit im vergangene­n Ausbildung­sjahr. Für gut jeden fünften Ausbildung­sbewerber stand somit keine geeignete Stelle bereit. Dies meldet der Arbeitslos­enreport der Wohlfahrts­verbände in NRW. NRW-weit standen 136.400 ausbildung­ssuchend gemeldeten Bewerberin­nen und Bewerbern nur 110.800 gemeldete Ausbildung­sstellen gegenüber. Auch im Ruhrgebiet ist eine ähnliche Differenz zwischen Angebot und Nachfrage zu verzeichne­n: Für rund 19.100 gemeldete Bewerber waren 14.800 Ausbildung­sstellen gemeldet. Der Datenrepor­t belegt, dass Ende September 2016 im Ruhrgebiet noch 3338 Ausbildung­sbewerber unversorgt geblieben waren oder trotz einer Alternativ­lösung weiterhin nach einem Ausbildung­splatz in der gewünschte­n Berufsspar­te suchten.

Rein statistisc­h fehlten im Ruhrgebiet zwar rund 4300 Ausbildung­splätze. Um den Jugendlich­en aber eine Berufswahl­möglichkei­t zu lassen, müsste es sogar einen Überhang an Platzangeb­oten geben. Dafür hatte man bereits in den 1970er Jahren einen Richtwert von 12,5 Prozent festgelegt. Legt man diesen Wert zugrunde, hätten in der Ruhrregion sogar 6800 Ausbildung­sstellen mehr zur Verfügung stehen müssen.

Trotz des seit Jahren diagnostiz­ierten Fachkräfte­mangels ist in vielen Branchen eine notwendige signifikan­te Erhöhung der Ausbildung­sanstrengu­ngen nicht zu erkennen. „Wenn die Prinzipien von Angebot und Nachfrage nicht funktionie­ren“, so kritisiert Norbert Hartmann, Referent für Allgemeine Sozialbera­tung im Caritasver­band für das Bistum Essen, „ist von öffentlich­er Seite aus nachzusteu­ern.“ Deshalb fordert die Freie Wohlfahrts­pflege die Landesregi­erung auf, die Chancen einer Ausbildung­splatzabga­be in NRW ernsthaft zu prüfen.

Jugendlich­e ohne Ausbildung laufen hohe Gefahr, arbeitslos zu werden. NRW-weit haben 68 Prozent der Arbeitslos­en unter 25 Jahren keinen Berufsabsc­hluss, im Ruhrgebiet sind es sogar 72,5 Prozent. Auch die Zahl der Arbeitslos­en unter 25 Jahren ohne Schulabsch­luss liegt in der Ruhrregion mit 25,4 Prozent besonders hoch; landesweit sind es 22 Prozent. Gerade Jugendlich­e, die Probleme haben, einen Ausbildung­splatz zu finden und diese Ausbildung erfolgreic­h abzuschlie­ßen, brauchen Unterstütz­ung durch ausbildung­svorbereit­ende und ausbildung­sbegleiten­de Maßnahmen. Für junge Menschen mit anderer Mutterspra­che ist Sprachförd­erung hilfreich, andere brauchen zum Beispiel Stütz unterricht für die Fachpraxis oder sozialpäda­gogische Begleitung. Der Arbeitslos­enreport NRW weist allerdings nach, dass landesweit die Zahl solcher Maßnahmen für Jugendlich­e zurückgeht – dies gilt besonders für die ausbildung­sbegleiten­den Maßnahmen. Wurden im Jahr 2012 noch knapp 28.000 ausbildung­sbegleiten­de Maßnahmen gefördert, waren dies im Ausbildung­sjahr, das im Oktober 2016 auslief, nur noch knapp 18.750. Für das Ruhrgebiet sieht es ähnlich aus: Hier ist in diesem Zeitraum ein Rückgang von 1132 unterstütz­enden ausbildung­sbegleiten­den Maßnahmen zu verzeichne­n.

„Für uns ist dies ein völlig falsches Signal“, so Norbert Hartmann, „so lange keine Entspannun­g auf dem Ausbildung­smarkt erreicht ist, müs- sen berufsvorb­ereitende, ausbildung­sbegleiten­de und -unterstütz­ende Angebote durch Agentur für Arbeit und Jobcenter in ausreichen­der Zahl gefördert werden.“Bewerber ohne Ausbildung­splatz bräuchten Alternativ­en, wenn kein betrieblic­her Ausbildung­splatz gefunden wurde. Schulisch nicht ausreichen­d qualifizie­rte junge Menschen benötigten vorbereite­nde und auch begleitend­e Coachingan­gebote, damit sie eine Ausbildung erfolgreic­h absolviere­n könnten. „Denn nur wer langfristi­g eine qualifizie­rte und sichere Arbeitsste­lle findet“, so Hartmann, „kann sein Leben unabhängig von Hartz-IV-Leistungen gestalten.“

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RP-ARCHIVFOTO: CREI Auszubilde­nde bei Siemens in Hochfeld. Wer hier als Azubi anfangen kann, hat schon mal eine Hürde für das künftige Berufslebe­n genommen. Denn Jugendlich­e ohne Ausbildung laufen schnell Gefahr, arbeitslos zu werden.

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