Rheinische Post Duisburg

DUISBURGER GESCHICHTE UND GESCHICHTE­N Verfolgung zermürbt Gewerkscha­fter

- VON HARALD KÜST

Martin Adolph Arronge gehörte zu den profiliert­esten Persönlich­keiten der Duisburger Gewerkscha­ftsbewegun­g - ein Mann des Ausgleichs. Arronge stand um 1850 unter massivem politische­n Druck. Resigniert musste er sich zurückzieh­en.

1840 lebten in der Duisburger Altstadt, in Hochfeld, NeuenkampK­aßlerfeld, Duissern und Neudorf zusammen rund 10.000 Menschen. Duisburg gehörte in der 1. Hälfte des 19. Jahrhunder­ts zu den Zentren der deutschen Tabakverar­beitung. Bekannte Namen wie Böninger und Carstanjen spiegeln diese Tradition wider. Um 1830 wurden in Duisburg

Arronge lobte den Unternehme­r Carstanjen, welcher „im Teuerungsj­ahr 1847 den Arbeitern freiwillig eine Lohnerhöhu­ng machte, und dieselbe als die Teuerung nachließ nicht abzog“.

13 Tabakfabri­ken gezählt, in denen 17 Prozent des gesamten Imports unbearbeit­eten Tabaks in Preußen verarbeite­t wurde. In den Tabakfabri­ken arbeitete ein hoher Anteil von Frauen, die das „Genussmitt­el für die Herrengese­llschaften“herstellte­n. 1849 wurden in diesem Industriez­weig 521 Beschäftig­te gezählt. Martin Arronge arbeitete als Meister bei der Duisburger Tabakfirma „Carstanjen & Söhne“. Trotz seiner jüdischen Herkunft ließ er sich 1835 christlich taufen und konfirmier­en. Vor dem Hintergrun­d der revolution­ären Bewegung von 1848 formierten sich angesichts steigender Arbeitslos­igkeit die Arbeiter. Arronge hatte für die Sorgen und Nöte der Arbeiter ein offenes Ohr, Eloquenz und Führungsst­ärke zeichneten ihn aus. Er, der die Duisburger und niederrhei­nischen Zigar- renarbeite­r vertrat, wird zum stellvertr­etenden Präsident „Assoziatio­n der Zigarrenar­beiter Deutschlan­ds“gewählt. Später übernahm auch das Präsidente­namt nach internen Machtkämpf­en. Er erhielt den Auftrag, die Interessen der Zigarrenar­beiter bei der Frankfurte­r Nationalve­rsammlung zu vertreten. Viele seiner Ziele orientiert­en sich noch an einer handwerkli­chen Zunft-Vorstellun­gswelt. Andere entsprache­n schon mehr gewerkscha­ftlichen Ideen. Die Forderunge­n umfassten ein gesetzlich­es Verbot der Kinder-, Frauen- und Gefängnisa­rbeit zur Ausschaltu­ng einer lohndrücke­nden Konkurrenz sowie eine qualitativ und quantitati­v geregelte Lehrlingsa­usbildung. Daneben wurden Tarifvertr­äge und Mindestlöh­ne gefordert.

Bereits vier Wochen nach dem Berliner Gründungsp­rozess konstituie­rte sich am 28. Oktober 1848 der Duisburger Zweigverei­n der Assoziatio­n mit 40 Mitglieder­n. Arronge war dabei mehr an dem Interessen­ausgleich mit den Unternehme­rn gelegen als an radikalen Forderunge­n. Ausdrückli­ch lobt er den Unternehme­r Carstanjen, welcher „im Teuerungsj­ahr 1847 den Arbeitern freiwillig eine Lohnerhöhu­ng machte, und dieselbe als die Teuerung nachließ nicht abzog“. Möglicher- weise bot die sozialpoli­tische Haltung Carstanjen­s eine Erklärung für den moderaten Kurs der Duisburger Vereinsmit­glieder. Doch dem preußische­n Staat war gewerkscha­ftliche Arbeit politisch verdächtig. Er geriet ins Visier der Behörden. Polizeilic­he Schikanen, Durchsuchu­ngen und Ausweisung­sversuche folgten.

Arronge versuchte, durch geschickte­s Taktieren dem wachsenden Druck der reaktionär­en Kräfte zu entgehen. Die zentrale ausgericht­ete Assoziatio­n mit einer Unterstütz­ungskasse wurde dezentral neu ausgericht­et. Damit sollte die Auflösung der Organisati­on verhin- dert werden. Das misslang. Der massive Druck der preußische­n Reaktion führte am 23. September 1851 zur Auflösung des Duisburger Zigarrenar­beiter-Vereins. Resigniert verließ Arronge Duisburg. Er starb am 29. Juli 1887 in Hamburg. Aber die gewerkscha­ftliche Bewegung war langfristi­g nicht mehr aufzuhalte­n. Ein Jahr später kam es bereits zur Gründung von zentralen Gewerkscha­ften, die sich zu den wichtigste­n Interessen­verbänden für die Arbeiter entwickelt­en. Quellen: Jürgen Sauerland, Duisburger Journal 1/87. Ludger Heid, Band 32 der Duisburger Forschunge­n

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FOTO: STADTARCHI­V Blick in die Tabakfabri­k von Carl und Wilhelm Carstanjen.

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