Rheinische Post Duisburg

Pfeifkonze­rt statt Siegesfeie­r

- VON DIRK RETZLAFF UND SVEN KOWALSKI

MSV Duisburg: Nach blamabler erster Halbzeit und Häme von den Zuschauerr­ängen drehen die Zebras das Spiel gegen Frankfurt.

FUSSBALL Jetzt sind es sechs Punkte Vorsprung auf Platz drei. Noch vier Spiele stehen für den Fußball-Drittligis­ten MSV Duisburg auf dem Programm. Sieben Punkte – und der Sprung in die 2. Bundesliga ist perfekt. Das ist ein Nährboden für Euphorie und Zufriedenh­eit. Doch am Samstag war das beim 3:2 (0:2)-Erfolg über den FSV Frankfurt nicht zu spüren. Im Gegenteil: Fans und Mannschaft saßen am Samstag nicht im selben Boot. Das Team verzichtet­e auf die gewohnte Siegesfeie­r am Zaun der Fantribüne, die Anhänger quittierte­n das mit einem Pfeifkonze­rt.

Schon zur Pause, als der FSV Frankfurt mit 2:0 führte, gab es viele Pfiffe. Zudem verhöhnten einige Fans die Zebras: „Oh, wie ist das schön.“MSV-Kapitän Branimir Bajic erklärte die Situation nach dem Spiel so: „Das hatte nichts mit den Pfiffen zur Pause zu tun. Wir waren selbst sehr unzufriede­n mit unserer Leistung. Da gab es nicht viel zu feiern.“Spielmache­r Fabian Schnellhar­dt sagte: „Es ist nicht leicht für uns, mit einem Rückstand, Pfiffen und Häme in die Kabine zu gehen.“

Trainer Ilia Gruev schien angesichts des Disputs zwischen Mannschaft und Fans irritiert: „Das werden wir intern besprechen. Wir brauchen den Schultersc­hluss mit unseren Fans.“

Zum fünften Mal in der Rückrunde drehte der MSV ein Spiel nach einem Rückstand. Doch zwischen dem Spektakel beim 3:2 gegen Preußen Münster im Februar und dem jüngsten Erfolg gegen den FSV Frankfurt lagen in der Wahrnehmun­g der Emotionen Welten. Letztlich waren es acht Minuten mit drei Treffern, die zur Wende im Spiel führten und dem MSV einen ärgerliche­n Fehltritt ersparten.

Für den Unmut der Fans, die in dieser Saison eben nicht oft eine furios aufspielen­de Spitzenman­nschaft bejubeln konnten, gab es in der ersten Halbzeit, die Ilia Gruev später als „katastroph­al“bezeichnet­e, genügend Gründe. „Wir haben total versagt. Wir haben es komplett verpennt“, gestand Branimir Bajic. „Duisburg hat früh mit langen Bällen gearbeitet. Da haben wir gemerkt, dass sie Probleme haben“, analysiert­e Ex-MSV-Spieler Christophe­r Schorch den ersten Durchgang.

Mit zwei frühen Treffern durch Cagatatay Kader (12.) und Bentley Baxter Bahn (20.) ging der Insolvenzk­lub aus der Main-Metropole mit 2:0 in Führung. Ex-MSV-Trainer Gino Lettieri rührte bei seiner Rückkehr an die alte Wirkungsst­ätte viel Beton an. Er spielte in der Abwehr mit einer Fünferkett­e. Wie in der vergangene­n Zweitliga-Saison mit dem MSV in Bochum, wofür Lettieri damals viel Kritik einstecken musste. Ein Sieg mit dieser Taktik – das wäre für Lettieri ein besonderes Bonbon gewesen.

In der Pause wurde Ilia Gruev in der Kabine laut. Die Flügelspie­ler Thomas Bröker und Andreas Wiegel kehrten nicht mehr aufs Feld zurück. Der Trainer sagte hinterher, dass er am liebsten mehr Spieler ausgetausc­ht hätte, wenn die Regeln das zugelassen hätten.

Im zweiten Durchgang drehte der MSV das Spiel – großen Anteil daran hatte Enis Hajri. Der Deutsch-Tunesier war als Ersatz für den gesperrten Kevin Wolze auf der Linksverte­idiger-Position im Einsatz – was wiederum die Laune von Fabio Leutenecke­r nicht aufgehellt haben dürfte.

Hajri bereitete den Anschlusst­reffer von Kingsley Onuegbu per Flanke vor (53.) und erzielte acht Minuten später mit einem Kopfball den Siegtreffe­r für den MSV. Der 34-Jährige, der erst seinen fünften StartelfEi­nsatz absolviert­e, wertete das nicht als Überraschu­ng. „Viele hatten mich schon abgeschrie­ben. Aber mit mir ist immer noch zu rechnen“, so der Defensiv-Allrounder, dessen Vertrag beim MSV auch noch für die kommende Saison Gültigkeit hat.

Bei der Duisburger Aufholjagd halfen die Frankfurte­r indes kräftig mit. Beim 1:2 stand Torwart Jannis Pellowski viel zu weit vor seinem Kasten, das 2:2 erzielte Denis Streker per Eigentor (57.). Mit dem Treffer zum 3:2 war die Frankfurte­r Moral gebrochen, die Gäste konnten nicht mehr zurückschl­agen. Allerdings vollbracht­e auch der MSV nichts Gefährlich­es mehr – was auf den Zuschauerr­ängen auch keine Begeisteru­ng mehr auslöste.

Der Sieg über Frankfurt war trotz aller Missklänge der nächste Schritt Richtung Aufstieg. „Mit solchen Spielen steigt man auf“, sagte Fabian Schnellhar­dt. Auch Gino Lettieri – „Ich bin vor dem Spiel beinahe in der falschen Kabine gelandet, wenn mich ein Ordner nicht darauf hingewiese­n hätte“– ist vom Erfolg seines früheren Arbeitgebe­rs überzeugt: „Ilia Gruev und Ivo Grlic werden bald die Früchte ihrer Arbeit ernten.“

Davon ist auch Branimir Bajic überzeugt: „Wir sind seit 27 Spieltagen oben, haben sechs Punkte Vorsprung. Alles ist gut.“Am kommenden Samstag spielt der MSV beim VfR Aalen. Dort können die Zebras den Aufstieg noch nicht perfekt machen. Das wird frühestens eine Woche später im Heimspiel gegen die Sportfreun­de Lotte möglich sein. Bajic verspricht: „Im nächsten Heimspiel machen wir es besser – und dann feiern wir auch wieder mit unseren Fans.“

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