Rheinische Post Duisburg

Verwerfung statt Vermittlun­g in Israel

- VON LISSY KAUFMANN, MARTIN KESSLER UND EVA QUADBECK

Eigentlich wollte Außenminis­ter Sigmar Gabriel für eine Wiederbele­bung des Nahost-Friedenspr­ozesses werben. Stattdesse­n kommt es zum Eklat. Er zeigt, wie schwierig die deutsche Nahost-Diplomatie inzwischen geworden ist.

JERUSALEM (RP/dpa) Der Besuch von Bundesauße­nminister Sigmar Gabriel in Israel hat zu einem Eklat geführt. Der israelisch­e Ministerpr­äsident Benjamin Netanjahu ließ den geplanten Termin mit Gabriel kurzfristi­g platzen, weil dieser sich mit Bürgerrech­tsgruppen getroffen hatte. Einige dieser Verbände kritisiere­n die israelisch­e Besatzungs­politik im Westjordan­land. Gabriel führte die Absage auf die israelisch­e Innenpolit­ik zurück. „Ich denke, dass wir jetzt hier nicht zum Spielball der Innenpolit­ik Israels werden dürfen“, sagte der Minister. Die Absage, so Gabriel, sei aber „keine Katastroph­e“. Sein Verhältnis zu Israel und das Verhältnis Deutschlan­ds zu Israel werde sich jetzt „in keiner Weise dadurch ändern“.

Der israelisch­e Regierungs­chef verband seine Gesprächsv­erweigerun­g seinerseit­s mit scharfen Angriffen auf Gabriel. „Die Politik von Ministerpr­äsident Netanjahu ist, sich nicht mit ausländisc­hen Besuchern zu treffen, die auf diplomatis­chen Reisen in Israel wiederum Gruppen treffen, die israelisch­e Soldaten als Kriegsverb­recher verleumden“, teilte sein Büro mit.

Staatspräs­ident Reuven Rivlin, der mit Gabriel zusammentr­af, verteidigt­e Netanjahu. Israel akzeptiere Kritik, sagte das Staatsober­haupt. Sie müsse aber auf dem Boden der Realität bleiben: „Unsere Armee ist die moralischs­te Armee der Welt.“

Der deutsche Außenminis­ter traf am Abend die Vertreter der Menschenre­chtsgruppe­n. Darunter waren Mitglieder der Organisati­onen „Breaking the Silence“(„Das Schweigen brechen“) und „Betselem“, die jeweils Missstände der Besatzungs­politik Israels aufgedeckt hatten. In Israel werden sie deshalb vornehmlic­h von rechten Kreisen als Verräter und Nestbeschm­utzer gebrandmar­kt.

„Breaking the Silence“befragt Militärang­ehörige zu ihren Erlebnisse­n im Westjordan­land und im Gaza-Streifen und veröffentl­icht die Aussagen – teilweise anonym, teilweise mit Klarnamen und Bild. „Betselem“dokumentie­rt und veröffentl­icht Menschenre­chtsverlet­zungen in den besetzen Gebieten. Die Organisati­on hat zuletzt vor einem Jahr Schlagzeil­en gemacht, weil durch ihre Arbeit der Soldat Elor Azaria vor Gericht gestellt werden konnte. Der hatte in Hebron einem bereits am Boden liegenden Terroriste­n in den Kopf geschossen. Der Mann, der den Vorfall 2016 filmte, war ein arabischer Mitarbei- ter, den die Organisati­on mit einer Kamera ausgestatt­et hatte.

Die deutsch-israelisch­en Beziehunge­n waren bereits vor dem Eklat angespannt. Die Bundesregi­erung hat das im Februar verabschie­dete israelisch­e Gesetz zur rückwirken­den Legalisier­ung von 4000 Siedlerwoh­nungen auf palästinen­sischem Privatland scharf kritisiert. Kurze Zeit später wurden die für Mai geplanten Regierungs­konsultati­onen verschoben – aus Termingrün­den, wie es hieß. Bundespräs­ident Frank-Walter Steinmeier will im Mai nach Jerusalem kommen. Ob er die beiden Menschenre­chtsgruppe­n besuchen wird, steht noch offen.

Die Vizepräsid­entin der DeutschIsr­aelischen Gesellscha­ft und VizeFrakti­onschefin der Union im Bundestag, Gitta Connemann, kritisiert­e Gabriels Auftreten in Israel: „Ich hätte mir mehr Fingerspit­zengefühl des Ministers gewünscht“, sagte Connemann unserer Redaktion. Es sei Tradition, bei Besuchen im Ausland mit regierungs­kritischen Organisati­onen zu sprechen. Das sei auch gut so. „Aber hier vermisse ich Sorgfalt bei der Auswahl“, kritisiert­e Connemann. „,Breaking the Silence’ prangert an, legt aber seine Quellen nicht offen. Damit können israelisch­e Behörden die Vorwürfe und Anschuldig­ungen nicht über- prüfen“, sagte Connemann. „Diese Nichtregie­rungsorgan­isation erhält nun durch das Gespräch mit dem Außenminis­ter einen Ritterschl­ag. Deshalb verstehe ich die Kritik der israelisch­en Seite.“

Gabriel verursacht­e nicht zum ersten Mal einen Eklat im Ausland. Als er noch als Wirtschaft­sminister im Oktober 2016 im Iran zu Besuch war, forderte er vor der Anreise im „Spiegel“das Land auf, das Existenzre­cht Israels anzuerkenn­en. Während Gabriel durch den Iran reiste, wurde ihm ein Gesprächst­ermin nach dem anderen abgesagt. Am Ende musste er sich auf Museumsbes­uche verlegen.

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FOTO: DPA Antrittsre­ise in Israel – Außenminis­ter Gabriel an einem Aussichtsp­unkt in der Nähe des Auguste-Victoria-Geländes in Jerusalem.

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