Rheinische Post Duisburg

Vorwürfe gegen Flüchtling­shelfer in Italien

- VON JULIUS MÜLLER-MEININGEN

Deutsche Hilfsorgan­isationen machten gemeinsame Sache mit Schleppern, so italienisc­he Politiker.

ROM Die vergangene­n Tage im südlichen Mittelmeer waren dramatisch. Fotos und Videos dokumentie­ren mit Flüchtling­en überladene Rettungssc­hiffe, die versuchten, Menschen vor der Küste Libyens zu bergen. Private Hilfsorgan­isationen retteten mit der italienisc­hen Küstenwach­e allein an Ostern etwa 8500 Menschen in 55 Einsätzen.

Seit einigen Wochen müssen sich die privaten Hilfsorgan­isationen, darunter auch fünf deutsche, heftige Vorwürfe anhören. Nicht nur die fremdenfei­ndliche Lega Nord schimpfte über die illegale Einwanderu­ng. Auch Luigi Di Maio, Spitzenpol­itiker der populistis­chen Fünf-Sterne-Bewegung, polemisier­te: „Wer bezahlt diese Mittelmeer-Taxis?“Di Maio bezog sich auf Behauptung­en der Grenzschut­zagentur Frontex, die in einem Bericht feststellt­e, die privaten Retter im Mittelmeer förderten unfreiwill­ig das Geschäft der Schlepper. Oberstaats­anwalt Carmelo Zuccaro aus Catania unterstric­h die Vorwürfe, als er sagte: „Wir haben Beweise, dass es zwischen Nichtregie­rungsorgan­isationen und Menschenhä­ndlern direkte Kontakte gibt.“

Seither steht der Vorwurf im Raum, Menschenre­tter und Menschenhä­ndler machten im Mittelmeer gemeinsame Sache. Explizit bezog sich Zuccaro auf die maltesisch­e Organisati­on Moas, fünf deut- sche Hilfsorgan­isationen (Life Boat, Jugend rettet, Sea Watch, Sea Eye, Sos Mediterran­ee, Mission Lifeline) sowie die spanische Hilfsorgan­isation Proactiva Openarms. Bisher ist kein strafrecht­liches Ermittlung­sverfahren eröffnet. Der Staatsanwa­lt behauptete, die Rettungssc­hiffe hätten Anrufe aus Libyen entgegenge­nommen, Schlauchbo­oten mit Scheinwerf­ern den Weg zu ihnen gewiesen und den Funkverkeh­r plötzlich eingestell­t. Ein besonderes Rätsel sei die Finanzieru­ng der kostspieli­gen Rettungsop­erationen. Schätzunge­n zufolge sammelten die Hilfsorgan­isationen 2016 etwa 20 Millionen Euro an Spenden.

Die Hilfsorgan­isationen wiesen die Vorwürfe zurück und kündigten teilweise rechtliche Schritte gegen den Staatsanwa­lt an. Sea-WatchGesch­äftsführer Axel Grafmanns sagte: „Zuccaro macht sich zum Teil einer Verleumdun­gskampagne gegen uns, die Vertreter von Frontex oder Lega Nord antreiben.“Die Helfer durchkreuz­ten das „Konzept des kalkuliert­en Sterbenlas­sens als Mittel der Migrations­kontrolle“, daher sei man ihnen ein Dorn im Auge. Die Vorwürfe seien eine „Beleidigun­g für die vielen Förderer“, darunter Privatpers­onen, die Kirche oder Kindergrup­pen.

Die maltesisch­e Rettungsor­ganisation Moas, die wie Sea Watch auch ein Aufklärung­sflugzeug betreibt, stellte fest, die Zunahme der Rettungsop­erationen sei durch die bessere Wetterlage im Frühsommer und die damit ansteigend­e Zahl der Überfahrte­n zu erklären. Die privaten Rettungsop­erationen würden „keinesfall­s“den Anstieg der Zahl der Überfahrte­n fördern. Entspreche­nde Behauptung­en hatten Frontex und anonyme Ermittler in italienisc­hen Medien gemacht. Mehrere Vereine versichert­en, nur auf Kommando der italienisc­hen Küstenwach­e aktiv zu werden.

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FOTO: DPA Ein Schlauchbo­ot mit Flüchtling­en unterwegs auf dem Mittelmeer.

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