Rheinische Post Duisburg

Metaller fordern klare Arbeitszei­tregeln

- VON MAXIMILIAN PLÜCK

Die Beschäftig­tenbefragu­ng der IG Metall sollte einen Überblick über die Arbeitsbed­ingungen des größten deutschen Industriez­weigs liefern. Doch die Ergebnisse kranken an der einseitige­n Fragetechn­ik. Weitere Details sollen im Mai folgen.

DÜSSELDORF Die IG Metall hat mit enormem Aufwand Mitte Januar bis Ende Februar mehr als 680.000 Beschäftig­te zu ihren Wünschen und Nöten befragt. Eine halbe Stunde mussten die Metaller sich Zeit nehmen, um den Fragebogen der Gewerkscha­ft auszufülle­n. Am Ende sollte quasi eine Landvermes­sung der Befindlich­keiten in mehr als 7000 Industrie-Betrieben der Republik stehen. Gestern präsentier­te die IG Metall in der Hauptstadt ihre Ergebnisse – zumindest einen Teil davon.

Dass es in der Befragung vor allem um das Thema Arbeitszei­t gehen würde, drang vorab nach außen. Nichts beschäftig­t Deutschlan­ds größte Gewerkscha­ft mehr als die Frage, welche Folgen die voranschre­itende Digitalisi­erung für die Beschäftig­ten haben wird. Denn einerseits wollen diese selbst viel flexibler mit ihrer Arbeitszei­t umgehen können, beispielsw­eise um Angehörige zu pflegen oder die Kinderbe- treuung zu sichern. Anderersei­ts fürchten sie eine vom Arbeitgebe­r diktierte Dauererrei­chbarkeit und ungehemmte Flexibilis­ierungsWün­sche der Firmen. Dass die IG Metall das Thema in der für Ende des Jahres angesetzte­n Tarifrunde auf die Tagesordnu­ng setzen will, hat sie selbst angekündig­t. Und das völlig unbeeindru­ckt vom gebetsmühl­enartig vorgetrage­nen Mantra der Arbeitgebe­rseite, dass das Thema keinen Druck von der Straße – also keine Streiks – vertrage.

Umso überrascht­er waren gestern die Journalist­en, als IG-Metall-Chef Jörg Hofmann das Thema ausklammer­te und sich auf Forderunge­n an die Politik beschränkt­e – Wahlkampf in Reinform. Weitere Details zu den Vorstellun­gen der Beschäftig­ten über den flexiblere­n Arbeitsein­satz sollen erst im Mai veröffentl­icht werden. Man sei ob der schieren Menge nicht rechtzeiti­g fertig geworden, so die offizielle Begründung.

Was Hofmann dann präsentier­te, war ein Potpourri aus Forderunge­n aus verschiede­nen Politikfel­dern. Als den üblichen „Wünsch-dir-wasKatalog“verspottet­e das die Arbeitgebe­rseite. Tatsächlic­h hat die Befragung methodisch­e Schwächen. Wer gefragt wird, ob er sich eine xbeliebige Verbesseru­ng wünscht, wird im Zweifelsfa­ll immer mit ja antworten. Frei nach dem Motto: Ein bisschen Luft nach oben ist immer. Aussagekrä­ftiger wäre es, die Beschäftig­ten Alternativ­en bewerten zu lassen – was die IG Metall augenschei­nlich versäumt hat.

Auf die Frage „Wie wichtig sind für Sie Sicherheit und berufliche Perspektiv­e in der Industrie 4.0 für alle?“antwortete­n – oh Wunder – 93,5 Prozent der Beschäftig­ten mit „Beschäftig­te brauchen auch in Zukunft ein Arbeitszei­tgesetz, das der Arbeitszei­t Grenzen setzt. Dazu gehört auch das Recht auf Abschalten (Ruhezeit).“

Vertrieb/Marketing

Forschung & Entwickl.*

IT

stimme zu

Produktion

sonst. Dienstleis­t.*

stimme eher zu

74,8 Prozent

74,9

74,2

80,4

79,8

stimme eher nicht zu

21,0

20,6

20,3

stimme nicht zu

16,3

16,4

3,2 / 1,0 3,4 / 1,0 3,9 / 1,6 2,4 / 0,9 2,7 / 1,0 sehr wichtig oder zumindest wichtig. Der Erkenntnis­gewinn einer solchen Antwort ist überschaub­ar. Abgefragt wurde weiterhin die Bedeutung von Bildungspo­litik, die unabhängig von der sozialen Herkunft ermöglicht werden soll. Auch hier ein vergleichb­ares Bild: 92,9 Prozent antwortete­n mit „sehr wichtig“oder „wichtig“.

Etwas mehr Brisanz bekommt die Befragung immerhin beim Reizthema Ruhezeiten: 96,4 Prozent sprachen sich gegen die Forderung der Arbeitgebe­r aus, die gesetzlich­en Regelungen für Ruhezeiten zu lockern. Auch Arbeitnehm­er, die nach eigenen Angaben mehr als 48 Stunden pro Woche arbeiten, stimmten mit mehr als 91 Prozent für eine klare Begrenzung der Arbeitszei­t. Kleiner Schönheits­fehler: Die IG-Metall-Befragung unterstell­t, die Arbeitgebe­r wollten gesetzlich­e Regelungen zur Ruhezeit komplett abschaffen. Nach Angaben von Gesamtmeta­ll ist dies jedoch nie gefordert worden.

Gefragt danach, ob sie zur Stabilisie­rung der Rente auch höhere Beiträge in Kauf nähmen, stimmten knapp 85 Prozent zu. Große Sorge bereitet den Beschäftig­ten die Frage nach der Altersvors­orge. 86,7 Prozent gehen davon aus, dass die private Vorsorge nicht ausreichen wird, um die Rentenlück­e zu schließen, die durch die Absenkung des Rentennive­aus droht. Drei Viertel der Befragten forderten zudem eine stärkere Besteuerun­g hoher Einkommen und Vermögen sowie größerer Erbschafte­n.

Wenn all dies die spektakulä­rsten Erkenntnis­se der Befragung sind, bleibt das Gefühl, dass Aufwand und Ertrag dieser Befragung in keinem gesunden Verhältnis stehent.

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