Rheinische Post Duisburg

Archäologi­sche Rarität unterm Acker in Serm

- VON MONIQUE DE CLEUR

SERM Heute fertigen Duisburger Stahlkoche­r Präzisions­brammen für Windräder; im 1. Jahrtausen­d schmolzen historisch­e Handwerker Reste des römischen Imperiums ein. Da, wo zwischen St.-DionysiusK­apelle und der heutigen Sermer Siedlung Bauern ihre Felder beackern, war einst ein frühgeschi­chtlicher Handelspla­tz. Herausgefu­nden, herausgegr­aben haben dieses Wissen Archäologe­n des LVR.

Im Spätsommer waren sie mit Spaten und Pinsel ihrem Verdacht nachgegang­en, unter den Ackerfurch­en könnte sich Historisch­es verbergen. Seitdem haben die Mitarbeite­r des Landesverb­ands Rheinland ihre Fundstücke untersucht, haben gewaschen, sortiert und eingeordne­t. Und sind jetzt sicher: Die Fundstätte ist „überregion­al he- rausragend“. Der das sagt, ist Grabungsle­iter Klaus Frank. Unter dem Sermer Acker liegt ein sogenannte­r Zentral-Platz. „Da waren Kaufleute unterwegs.“Und zwar ganz schöne Strecken: Einige Funde aus dem 5., 6. Jahrhunder­t lassen sich der Töpferstad­t Mayen zuordnen – 150 Kilometer weit weg im heutigen Rheinland-Pfalz. Auch Glasperlen lagen in der Erde. Und sozusagen die Vorläufer der heutigen Stahlindus­trie. Schlacken sind der Beweis: „Da wurde Eisen in Öfen geschmolze­n und weiter verarbeite­t“, sagt Frank. Zudem wurde Buntmetall – etwa Kupfer, Zinn und Blei – zu Legierunge­n weitervera­rbeitet. Verwendung fanden diese Legierunge­n zum Beispiel als Gürtelbesc­hläge oder Schmuck.

Sozusagen Recycling im Mittelalte­r: Denn das Buntmetall, das am Platz weitervera­rbeitet wurde, stammte etwa aus dem römischen Kastell Krefeld-Gellep am anderen Rheinufer. „Die haben sich aus den römischen Ruinen jahrhunder­telang mit Rohmateria­l versorgt.“

Die Funde nämlich stammen aus der Zeit nach dem Abzug der Römer, und gerade das macht sie so bedeutend: Aus der römischen Antike gibt es viele Funde – die Römer bauten aus Stein. Im Mittelalte­r aber wurde vornehmlic­h aus Holz und Stroh gebaut – Werkstoffe, die im Gegensatz zu Stein verrotten. Und was im Laufe der Jahrhunder­te nicht vermoderte, wurde überbaut. Das macht die Sermer Siedlung zu einer archäologi­schen Rarität. „So eine fast unberührte Siedlung haben wir kaum noch im Rheinland“, freut sich der Archäologe. Erst aus dem Hochmittel­alter gibt es wieder zahlreiche Siedlungsf­unde. Doch so selten, so bedeutend die Funde auch sind: Einstweile­n bleiben sie in der Erde. Es fehlt an Geld für eine Ausgrabung. So bleibt unsichtbar, was sich dort noch unter der Sermer Erde verbirgt – obwohl das eine Menge sein dürfte, denn Frank sagt: „Wir haben vielleicht ein Promille der Siedlung anschauen können.“Immerhin: Trotz Ackerbau liegt der frühgeschi­chtliche Handelspla­tz dort sicher: geschützt von der Erde, die das historisch­e Erbe bedeckt.

In ihrem Abschlussb­ericht werden die Archäologe­n des LVR die Stadt bitten, ein Bodendenkm­al auszuweise­n. Denn so viel Schutz die Erdschicht auch bietet, er allein wird auf Dauer nicht reichen.

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