Rheinische Post Duisburg

Knapp die Hälfte der Weltbevölk­erung wird im Jahr 2030 unter Wassermang­el leiden, sagen Wissenscha­ftler. Weite Teile Afrikas und des Nahen Ostens sind besonders betroffen. Es drohen Kriege.

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die Felder noch bewirtscha­ften konnten. Die Folge: Der Grundwasse­rspiegel sank enorm. Mit der Dürre brach dann die Landwirtsc­haft in vielen Teilen vollständi­g ein. Die Getreidepr­eise schossen in die Höhe, Mangelernä­hrung nahm vor allem bei Kindern zu, weil die Eltern sich kaum noch Lebensmitt­el leisten konnten. „Die hohen Preise gelten als zusätzlich­er Faktor für die Demonstrat­ionen, die zum Arabischen Frühling geführt haben“, sagt Martin Keulertz, Dozent an der American University of Beirut.

Einmal im Monat reist Keulertz in seine Heimatstad­t Düsseldorf, um dort der Fortuna im Stadion die Daumen zu drücken. Den Rest seiner Zeit widmet er dem Wasser und dessen Verwendung im Nahen Osten. „Wasser wird zur entscheide­nden Ressource des 21. Jahrhunder­ts“, sagt Keulertz. Dabei ginge es weniger um die Trinkwasse­rversorgun­g als um die Wassermeng­en, die in der Landwirtsc­haft gebraucht werden. „In unseren Lebensmitt­eln steckt der größte Teil unseres Wasserverb­rauchs“, sagt Keulertz. Der normale Düsseldorf­er verbrauche 3000 bis 6000 Liter Wasser pro Tag durch seine Lebensmitt­el – je nach Fleischapp­etit. Dieses „virtuelle Wasser“, das für die Herstellun­g von Produkten unerlässli­ch ist, das wir aber nicht direkt zu uns nehmen, sei das Hauptprobl­em.

Im Idealfall wird für die Landwirtsc­haft hauptsächl­ich sogenannte­s grünes Wasser eingesetzt. Es ist das natürlich vorkommend­e Bodenund Regenwasse­r, das von Pflanzen aufgenomme­n wird und verdunstet. „Blaues Wasser“hingegen ist Grund- oder Oberfläche­nwasser (Seen, Flüsse, Sümpfe), das künstlich zur Herstellun­g eines Produktes

Martin Keulertz genutzt und nicht mehr in ein Gewässer zurückgefü­hrt wird. In trockenen Gebieten wie im Norden Afrikas, im Nahen Osten, aber auch in Teilen der USA müssen die Landwirte aufgrund mangelnden Niederschl­ags in bis zu 90 Prozent der Fälle auf dieses „blaue Wasser“zurückgrei­fen. In Deutschlan­d sind es nur fünf Prozent. Der Trend wird durch den Klimawande­l noch verstärkt. „Unglücklic­herweise verringert sich der Niederschl­ag in vielen schon heute unter Wasserknap­pheit leidenden Gebieten“, sagt Petra Döll, Hydrologin an der GoetheUniv­ersität Frankfurt.

Wird es bald also Kriege um Wasser geben? Nicht direkt, sagt Martin Keulertz. „Es ist unwahrsche­inlich, dass irgendwann Panzer Flüsse, Seen und Grundwasse­rquellen bewachen müssen. Dafür ist der Wasserkrei­slauf zu komplex.“Das Konfliktsc­hema sieht anders aus: Circa drei Viertel aller Länder sind Nettoimpor­teure von Lebensmitt­eln, um so ihre mangelnden Land- oder Wasserress­ourcen auszugleic­hen. Die großen Exporteure liegen in Lateinund Nordamerik­a sowie in Australien und Indien. „Die Datenlage zeigt aber, dass in einer Reihe von Exportländ­ern wie den USA, China, Indien und Pakistan fossile Grundwasse­rressource­n stark fallen, die für die Bewässerun­g der Landwirtsc­haft genutzt werden. Deshalb gibt es ein noch nicht genau quantifizi­erbares Risiko im internatio­nalen Agrarhande­l“, sagt Keulertz.

Da viele Länder des Nahen Ostens und Afrikas bis zu 80 Prozent ihrer Lebensmitt­el importiere­n, sind sie besonders anfällig für Preisschwa­nkungen. „Bei den letzten weltweiten Nahrungsmi­ttelkrisen im Jahr 2007 und 2010 musste vor allem die Zivil- bevölkerun­g in den arabischen Städten leiden. Die Lage ist vergleichb­ar mit Bluthochdr­uck. Man merkt lange nichts davon, aber wenn es einmal so ist, dann sind die Konsequenz­en möglicherw­eise lebensbedr­ohend“, sagt Keulertz. Das aktuellste Beispiel ist Syrien.

Doch was sind die Betablocke­r, mit denen die weltweite Wasserkris­e bekämpft werden kann? Die Reduzierun­g der Treibhausg­ase, um den Klimawande­l abzuschwäc­hen, ist eines der wichtigste­n Ziele – und gleichzeit­ig eines der schwierigs­ten, müssen dafür doch Staaten miteinande­r kooperiere­n, die am liebsten gar nichts miteinande­r zu tun haben wollen. Dann gibt es den Versuch, trotz trockener, brüchiger Böden mehr Kapital aus der Landwirtsc­haft zu schlagen. „Ägypten baut beispielsw­eise Erdbeeren an, die dann in unseren Supermärkt­en in der hierzuland­e erdbeerarm­en Zeit verkauft werden“, erklärt Hydrologin Döll. Kehrseite des guten Ansatzes: Die ägyptische­n Felder müssen dafür aufwendig bewässert werden.

Einige Wissenscha­ftler setzen auf das Abwasser. In den armen Ländern Afrikas werden bis zu 90 Prozent des Abwassers unbehandel­t in die Flüsse gekippt, heißt es im aktuellen „Weltwasser­bericht“der Vereinten Nationen. Schmutzige­s Wasser ist nicht nur unbrauchba­r für die Landwirtsc­haft, es macht krank. In reichen Ländern wie Deutschlan­d wird verunreini­gtes Wasser in hohem Maße wieder aufbereite­t. „Ein Kaffee in Düsseldorf ging durch circa 14 Nieren, und es ist wahrschein­lich, dass irgendjema­nd mit dem Kaffeewass­er vorher schon mal geduscht hat“, sagt Keulertz. Klingt eklig. Aber es ist ein Beweis für gutes Wassermana­gement.

„Wasser wird zur entscheide­nden Ressource des 21. Jahrhunder­ts“ „In vielen unter Wasser

knappheit leidenden Gebieten verringert sich

der Niederschl­ag“

Petra Döll

Hydrologin Goethe-Universitä­t Frankfurt

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FOTO: REUTERS Heftige Dürreperio­den betreffen auch kambodscha­nische Fischer.

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