Flüchtling fühlt sich im Pfarrhaus wohl
Seit fast zwei Jahren lebt Aziz Ajiz bei Johannes Mehring im Pfarrhaus der Rheinhauser Gemeinde St. Peter.
RHEINHAUSEN „Ich bin hungrig gewesen, und ihr habt mir zu essen gegeben. Ich bin ein Fremder gewesen, und ihr habt mich aufgenommen.“Das sind Worte aus dem Matthäus-Evangelium. Diese Worte sprach aber auch Aziz Ajiz einmal im Vorprogramm eines MSV-Spiels. Der 40-Jährige ist Christ und aus Pakistan geflohen, um in Deutschland um politisches Asyl zu bitten. Fast zwei Jahre ist es her, dass er nach Duisburg kam und der Flüchtlingsunterkunft in Neuenkamp zugewiesen wurde.
Aziz Ajiz ist Teil der Fokolarbewegung, eine geistliche Gemeinschaft christlichen Ursprungs. Kurz nach seiner Ankunft fragte er in Rom nach Gleichgesinnten in der Region. Man vermittelte ihn über Köln an Johannes Mehring (62), Gemeindepfarrer der katholischen Kirchengemeinde St. Peter. Der zögerte nicht lange, nahm Ajiz bei sich im Pfarrhaus auf. Warum? „Ich bin der Meinung, dass Priester öfter in Wohngemeinschaften leben sollten,“sagt er. Auch für ihn sei das Zusammenleben eine Bereicherung. Seit über eineinhalb Jahren wohnen sie jetzt zusammen, schläft der Pakistaner in Mehrings „Studierzimmer.“
Oft sitzen die beiden Männer zusammen, reden über Gott – und über die Welt. Aijz gefällt es in seiner neuen Gemeinde, auch wenn ihm aufgefallen ist, dass die Menschen ihren Glauben hier anders leben als in seiner Heimat, nicht so fromm.
Aziz Aijz lächelt fast die ganze Zeit. Er spricht oft von Liebe, Gemeinschaft, Barmherzigkeit – obwohl seine eigene Geschichte voll ist von Gewalt und Ungerechtigkeit. Über 96 Prozent der fast zwei Millionen Pakistaner sind Muslime. Aijz und seine Familie gehörten zu der christlichen Minderheit im Land. Neben seiner Arbeit im Familienbetrieb war Aijz karitatives Engagement wichtig. Mit Freunden habe er einen Verein gegründet, beschulte benachteiligte Kinder. „Nicht nur Christen“, wie er betont. Aijz sprach auch offen über Menschenrechte, thematisierte die Situation von Minderheiten, Frauen und Kindern im Land. Das, so erzählt er, habe nicht jedem gefallen. Nachdem er einen Selbstmordanschlag öffentlich verurteilt habe, begannen die Drohanrufe. Irgendwann lauerten ihm Unbekannte auf, verprügelten ihn. Die Narbe an der Wange sieht man noch heute. Er suchte Rat bei der Kirche, ein Priester seiner Gemeinde riet ihm zur Flucht.
Er landet in Bielefeld, von wo er der Stadt Duisburg zugewiesen wird. Es ist Juli 2015, ein Montag, als er am Hauptbahnhof ankommt. So viele Menschen! „Was machen die hier?“, fragt er einen Passanten. Er bekommt den Ratschlag, das Weite zu suchen. Der Duisburger Ableger von Pegida sei ihm nicht freundlich gesonnen, nicht dass man ihm etwas tue. Ajiz lächelt wieder. „Ich bin in Pakistan so oft verprügelt worden,“erklärt er.
Er sei zu den Demonstranten gegangen, habe das Gespräch gesucht. „Die hatten Angst, dass sie irgendwann in der ,Islamischen Republik Deutschland’ leben. Wegen der Flüchtlinge. Ich habe ihnen gesagt, dass ich auch geflüchtet bin und die Trennung von Staat und Religion sehr wichtig finde.“Er habe ein nettes Gespräch geführt. Als wenige Monate später der Jahreswechsel 2015/16 als „Die Kölner Silvesternacht“in die Geschichte eingeht, ist es Aziz Ajiz, der gemeinsam mit anderen Geflüchteten einen Brief an Kanzlerin Angela Merkel schickt. Darin steht: „Wir verabscheuen die sexuellen Übergriffe und Diebstahldelikte (...) und verurteilen sie (...).“Viele Medien veröffentlichen den Brief. Eine Zeitung veröffentlicht werden auch Kontaktdaten der Schreiber, die daraufhin bedroht werden.
Spürt Aziz Aijz keinen Frust? Weil er auch hier bedroht wird, weil er nach fast zwei Jahren noch immer keinen Bescheid über seinen Asylgesuch hat? Seine Familie hat er seit mehr als zwei Jahren nur noch über das Internet gesprochen. „Ich glaube an das Positive, an Liebe. Wenn es mir schlecht geht, denke ich an Dinge, die mir guttun. Nach den Angriffen auf mich solidarisierten sich viele Menschen. Freunde und Nachbarn kamen damals, riefen laut meinen Namen. Diese Erinnerung gibt mir Kraft.“
Kraft, die er braucht. Zwar ist er glücklich beim „Vater“, wie er Pfarrer Mehring anspricht. Sein Gastgeber ist ihm längst ein Freund geworden. Die beiden scherzen, tauschen sich aus, Mehring begleitete Ajiz zur Anhörung, bei der er seine Asylgründe vortragen musste. Trotzdem wünscht er sich, dass endlich über seine Zukunft entschieden wird. Dass er arbeiten kann.
Bis dahin lernt er Deutsch und singt im Kirchenchor. Auch geht er oft in die Unterkunft, in der er offiziell noch immer gemeldet ist. „Jemand muss ja auch mit den Menschen dort ins Gespräch kommen,“meint Ajiz. Er lächelt dabei.