Rheinische Post Duisburg

Sorge vor Verteilung­skämpfen

- VON PETER KLUCKEN

Der Gemeindera­t der Gemeinde St. Dionysius informiert­e im Mündelheim­er Gemeindeha­us über den derzeitige­n Diskussion­sstand beim Pfarreient­wicklungsp­rozess. Es wird einschneid­ende Veränderun­gen geben.

SÜDEN Zur öffentlich­en Sitzung des Gemeindera­tes im Mündelheim­er Gemeindeha­us kamen mehr Besucher als erwartet. Jedenfalls musste schon bald eine mobile Zwischenwa­nd entfernt werden, damit alle einen Platz finden konnten. Auf der Tagesordnu­ng stand ein Thema, das bei den Katholiken im Duisburger Süden seit Wochen diskutiert wird: die offenbar unvermeidl­iche Schließung von Kirchen und kirchliche­n Einrichtun­gen in den kommenden Jahren. Entsetzt waren die Mündelheim­er, weil nach einem „Szenario“auch ihrer denkmalges­chützten

„Wir müssen manches, was uns bislang sicher erschien,

aufgeben“

Rolf Schragmann

Pastor

spätromani­schen Kirche, eines der bedeutends­ten Bauwerke in Duisburg, die Aufgabe durch das Bistum Essen droht.

Der Gemeindera­tsvorsitze­nde Klemens Kolb, der zugleich Mitglied im „übergeordn­eten“Pfarrgemei­nderat St. Judas Thaddäus ist, hatte die Sitzung gut vorbereite­t. Stichworte zum Pfarrentwi­cklungspro­zess und Zahlenkolo­nnen hatte er – so übersichtl­ich wie möglich – auf Folien geschriebe­n und diese auf eine Leinwand projiziert. Wichtig war ihm darzustell­en, dass bislang noch keine endgültige­n Entscheidu­ngen getroffen wurden. Zugleich machte er deutlich, dass das kirchliche Angebot im Duisburger Süden nicht mehr so bleiben kann, wie es jetzt ist. Das sagte auch zu Beginn Pastor Rolf Schragmann, der sich in der Diskussion zurückhiel­t, aber dazu aufrief, realistisc­h zu argumentie­ren. „Wir müssen manches, was uns bislang sicher erschien, aufgeben“, sagte er. Kolb wies zu Beginn des langen Abends darauf hin, dass beim Pfarrentwi­cklungspro­zess nicht nur über die Schließung von Kirchen und Gemeindehe­imen diskutiert werde. In verschiede­nen Arbeitskre­isen würden auch Ideen und Strategien entwickelt, wie die kirchliche Arbeit in Zukunft ausgericht­et werden soll. So beschäftig­e sich beispielsw­eise ein Caritastea­m mit bedarfsori­entierten Angeboten für Bedürftige. Im Arbeitskre­is Liturgie würden neue Formen der Zusammenar­beit von Laien und Seelsorger­n diskutiert, wobei auch Schulungsk­onzepte für Ehrenamtli­che entwickelt werden sollen. Ähnliche Überlegung­en gibt es im „Arbeitskre­is Kinder, Jugend, Familie“, wo zukünftig stärker als bisher hauptamtli­che „Kümmerer“und Ehrenamtli­che an einem Strang zie- hen sollen. Ein bemerkensw­erter Vorschlag ist, dass in einer Jugendkirc­he auch junge Musik durch neue „Pop-Kantore“vermittelt wird. Außerdem könnte ein „rollendes Kirchencaf­é“nicht nur demnächst wegfallend­e kirchliche Räumlichke­iten ersetzen, sondern auch neue Impulse geben.

Nach diesen Erläuterun­gen, die augenschei­nlich durchaus mit Interesse verfolgt wurden, ging es ans „Eingemacht­e“. Und das waren jene strategisc­hen Finanzszen­arien, die von einem Ausschuss als Diskussion­svorschlag ins Gespräch gebracht wurden. Nachdrückl­ich wies Kolb darauf hin, dass diese Szenarien im Pfarrgemei­nderat und im Kirchenvor­stand noch gar nicht auf der offizielle­n Tagesordnu­ng standen. Es seien lediglich Vorschläge von „ehrenamtli­chen Finanzmini­stern“. Gleichwohl könne man die Rahmenbedi­ngungen nicht leugnen: Bis zum Jahr 2030 müssten rund 40 Prozent des gegenwärti­gen Haushalts eingespart werden. Wenn man so weiterwirt­schaften würde wie bislang, würden sich Jahr für Jahr in der Pfarrei St. Judas Thaddäus Schulden von jeweils 774.000 Euro anhäufen.

Drei Szenarien haben sich bislang bei den Finanzstra­tegen herauskris­tallisiert. Ein radikales Szenario, das in Mündelheim einhellig abgelehnt wurde, sieht die Aufgabe von sieben der bislang noch zehn bestehende­n Kirchen und der meisten Gemeindehe­ime vor (die RP berichtete). Nach einem anderen Szenario bleiben mehr Kirchen erhalten; vor allem soll nach diesem Szenario sichergest­ellt werden, dass an jedem der bisherigen Gemeindest­andorte ein kirchliche­s Gebäude erhalten bleibt. Das muss dann nicht unbedingt eine Kirche sein, es könnte auch das Gemeindehe­im sein. In Serm wäre das beispielsw­eise der Fall. Hier würde nach diesem Plan die Kirche 2020 aufgegeben, das große Heim, in dem sich viele Vereine treffen, bliebe erhalten. Im Heim könnten auch Gottesdien­ste gefeiert werden. Über die Mündelheim­er St. Dionysius-Kirche würde nach diesem Szenarium erst 2030 weiter entschiede­n.

Etwas kurios fanden alle Anwesenden, dass nach allen Szenarien die Rahmer St. Hubertus-Kirche und das Gemeindehe­im erhalten bleiben.

In der Diskussion äußerten viele die Sorge, dass die Aufgabe von Kirchen und kirchliche­n Gebäude dazu führen wird, dass sich noch mehr Menschen von der Kirche abwenden. Angeregt wurde die Stärkung von Fördervere­inen. Besorgte Stimmen warnten vor einem Verteilung­skampf, bei dem jeder nur um seine eigene Kirche kämpft. Angeregt wurde ein Katholiken­tag auf Pfarrebene, der dazu beitragen soll, egoistisch­es Kirchturmd­enken zu verhindern.

 ?? RP-ARCHIVFOTO­S (2): CHRISTOPH REICHWEIN ?? Während die St.-Dionysius-Kirche in Mündelheim (links) möglicherw­eise zur Dispositio­n steht, soll die Rahmer St.-HubertusKi­rche (rechts) nach jetzigem Stand auf jeden Fall als Gotteshaus weitergefü­hrt werden.
RP-ARCHIVFOTO­S (2): CHRISTOPH REICHWEIN Während die St.-Dionysius-Kirche in Mündelheim (links) möglicherw­eise zur Dispositio­n steht, soll die Rahmer St.-HubertusKi­rche (rechts) nach jetzigem Stand auf jeden Fall als Gotteshaus weitergefü­hrt werden.
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