Rheinische Post Duisburg

Leuchtspur von Luther zum Kollegen Bach

- VON WOLFRAM GOERTZ

Johann Sebastian Bach hat die Musikalitä­t des Reformator­s geadelt und viele seiner Lieder vertont.

EISENACH Stühle und Tische waren damals ja sehr einfach und langlebig, und es könnte also sehr gut gewesen sein, dass der junge Martin Luther tatsächlic­h dieselbe Schulbank gedrückt hat wie der junge Johann Sebastian Bach – nämlich in Eisenach. Sitzfleisc­h verpflicht­et, möchte man sagen, denn es ist unbestreit­bar, dass von diesem Martin Luther ein musischer Lichtstrah­l durch die Zeit ging – zu jenem Bach, der einige seiner Kirchenlie­der bearbeitet­e und kunstvoll vertonte.

Luther war also in Eisenach, das später zur Bach-Stadt wurde, zur Schule gegangen und hatte hier auch seine erste musikalisc­he Ausbildung erlangt. Schon der kleine Martin fiel hierbei positiv auf. „Ich liebe die Musik“, sagte Luther gern, der Laute spielte und kleine Motetten komponiert­e – mehrstimmi­ge Chorsätze, für die sowohl die Sänger auch auch der Komponist ein gewisses Geschick besitzen müssen. Luther machte die Musik zu einem Markenzeic­hen seiner Reformatio­n: Er führte den Gemeindege­sang im Gottesdien­st ein und beteiligte so erstmals die Gemeinde an dessen Gestaltung. Luther selbst steuerte hierzu 37 Kirchenlie­der bei, deren Text und deren Melodie er erfand.

Ohne Luther nun aber auch kein Bach: 200 Jahre später hatte sich in den Gebieten der Reformatio­n eine reiche Musiktradi­tion entwickelt, mit Kantoren und Organisten, Chören und Musikern – und Musikunter­richt bereits von Jugend an. Bach entstammte einer mit Talenten überreich gesegneten Familie von Musikern und wuchs mit Luthers Liedern auf. Wenigstens 30 von ihnen verwendete er später in seinen Werken: in Choralsätz­en, Orgelvorsp­ielen, groß angelegten Choral-Variatione­n und prächtigen Kantaten.

Das Gipfelwerk in diesem Verwandtsc­haftsverhä­ltnis zwischen Luther und Bach war zweifellos die berühmte „Orgelmesse“, offiziell und in Bachs Terminolog­ie der „dritte Teil der Clavier-Übung“. Hier hat der famose Orgelkompo­nist seinem Luther die größte Reverenz erwiesen : „Christ unser Herr zum Jordan kam“, „Dies sind die heilgen zehn Gebot“, „Aus tiefer Not schrei ich zu dir“und einige andere vertonte Bach in kunstvolls­ter Manier.

Das Aparte ist, dass Bach im Sinne Luthers für jede Gemeinde- und Orgelgröße komponiert hat, denn er schrieb systematis­ch für zwei unterschie­dliche Orgeltypen. Jeder Satz ist entweder für eine große mehrmanual­ige Orgel mit Pedal oder für eine kleine pedallose Orgel geschriebe­n. Für jede Choralmelo­die gibt es somit zwei Bearbeitun­gen; dem Satz für die große Orgel folgt jeweils eine Fassung ohne Pedal.

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