Geschichten aus dem Vatikan
Papstexperte Andreas Englisch begeisterte mehr als 400 Besucher in der Rheinhauser Christuskirche. Der Vortrag war in Rekordzeit ausverkauft.
RHEINHAUSEN Als der junge Journalist Andreas Englisch im Herbst 1987 die Redaktion der Bergedorfer Zeitung im Osten Hamburgs mit seinen munteren Erzählungen unterhielt, konnte noch niemand ahnen, dass ihm eine große Karriere bevorstand, er eines Tages als Bestseller-Autor bundesweit bekannt werden würde. Doch der Humor des ungewöhnlich jovialen Westfalen, seine Eloquenz, seine Fähigkeit, Ge- schichten zu erzählen und Anekdoten zum Besten zu geben, fiel schon damals auf. Und weil Andreas immer so schnell reden konnte wie ein Italiener, nannten ihn alle bald nur noch „Giovanni“. 30 Jahre später in Rheinhausen zeigt sich: „Giovanni“hat seitdem nichts von seinem Elan, Drive und Charme verloren.
Doch der Autor von neun Büchern und zwei Romanen über die Päpste Johannes Paul II., Benedikt XVI. und Franziskus sowie die katholische Kirche, ist reifer, erfahre- ner geworden: Denn „Giovanni“, der frühere Vatikan- und ItalienKorrespondent des Springer-Auslandsdienstes, der Fernsehjournalist und Talk-Show-Gast hat einen harten, aufregenden Job gemacht, hat geheiratet und mit seiner Ehefrau aus Hamburger Tagen einen Sohn. Kurz vor seinem 54. Geburtstag hat der Wahl-Römer Andreas Englisch jetzt mit seinem Vortrag mehr als 400 Besucher in der vollbesetzten katholischen ChristusKirche unterhalten. Er plauderte wie immer.
Andreas Englisch brauchte noch nie ein Manuskript, auch heute bevorzugt er die freie Rede. Mit dem Mikro in der Hand plaudert der Journalist im Anzug mit Krawatte von seinen Begegnungen mit den drei Päpsten, im Vatikan und auf zahlreichen Auslandsreisen. Vor allem Franziskus, der amtierende Pontifex, als Argentinier der erste Südamerikaner auf dem Heiligen Stuhl, hat es Englisch angetan. Man kennt sich, man schätzt sich, man duzt sich. Englisch ist sichtbar beeindruckt von der Bescheidenheit, der Bodenständigkeit, der Nähe des Jesuiten zu allen Menschen, denen er begegnet, überall auf der Welt, auch zu seinen Mitarbeitern.
Franziskus’ Eigenschaften belegt Englisch mit zahlreichen Anekdoten. Eine Auswahl: Als der Papst nach dem Amtsantritt den gepanzerten Dienstwagen, einen Mercedes 600 SEL benutzen soll, weigerte er sich: „Was soll ich mit so einem protzigen Auto?“fragte er seinen Zeremonienmeister.
„Ich fahre mit allen Mitarbeitern mit dem Bus. Dann will ich aber vorne sitzen, ich bin der Papst.“Auch was seine Dienstwohnung angeht, zeigte sich Franziskus bescheiden: „Als Franziskus in den Apostolischen Palast einziehen sollte, in dem alle Päpste seit dem 15. Jahrhundert wohnten, weigerte er sich: „Ich will nicht in so einen protzigen Palast. Ich möchte in einem Zimmer im Gästehaus der Heiligen Martha wohnen. Dort fühle ich mich wohl!“
Das Zimmer sei nur 22 Quadratmeter groß, ergänzt Englisch. „Das war ein unglaublicher Affront!“Der Jesuit lehne jeden Luxus ab: „Bald schaffte Franziskus auch Speiseund Weinkarten sowie die Kellner ab.“Seitdem speist der Papst gemeinsam mit seinen Kardinälen und Bischöfen in der Mensa im Gästehaus der Heiligen Martha. Zu Ostern lehnte er den Prachtmantel ab, er wollte lieber seinen 30 Jahre alten Priesterrock anziehen. Zitat: „Ich bin der Papst, nicht der Weihnachtsmann.“
Danach überraschte der „Kämpfer im Vatikan“die hohen Würdenträger erneut: Auf seinen Dienstreisen ins Ausland nahm er immer wieder ganz gewöhnliche Leute mit, wenn sie es wünschten, so wie die Waschfrau aus dem Vatikan auf seine Reise ins schwedische Lund, die immer schon mal Königin Sylvia treffen wollte. Englisch: „Das alles wäre vor 30 Jahren im Vatikan völlig unvorstellbar gewesen!“
Noch wichtiger hält Englisch die andauernde Auseinandersetzung zwischen dem Papst und dem hohen Klerus im Vatikan: Als Franziskus mit Kardinälen und Bischöfen im Speisesaal des Gästehauses der Heiligen Martha saß, fragte er sie: „Was machen Sie hier eigentlich den ganzen Tag?“
Inzwischen habe der reformfreudige Papst in der Kurie nicht nur viele Freunde, sondern leider auch vie- le Gegner. „Daher muss er alle ganz normalen Menschen hinter sich bringen.“
Auf theologische Fragen geht Englisch nur am Rande ein, im Lutherjahr glaubt er an Fortschritte auch in der Ökumene. Dann bekennt er aber am Ende seines Vortrags: „Als ich angefangen habe, war ich kein gläubiger Christ. Dass ich es geworden bin, hat ganz viel mit Papst Johannes Paul II. zu tun.“Am Ende gab es tosenden Applaus für den prominenten Gast.