Rheinische Post Duisburg

Strömungsa­briss im Landeanflu­g

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Da Martin Schulz als der dritte SPD-Herausford­erer von Bundeskanz­lerin Angela Merkel von Woche zu Woche Wind unter den Flügeln verliert, befürchten manche Fans des Mannes aus Würselen schon einen in der Fliegerei gefürchtet­en Strömungsa­briss. Der ist immer gefährlich, besonders natürlich auch bei politische­n Landeanflü­gen auf Landtags- und Bundestags­wahltage.

Schulz habe „sein Momentum“eingebüßt, schrieb Gabor Steingart im „Handelsbla­tt“nach der zweiten Schlappe der Schulz-Kampagne in Schleswig-Holstein im Anschluss an die März-Pleite im Saarland. Die Kampagne macht tatsächlic­h immer mehr den Eindruck einer Luftnummer eines Akrobaten, der bereits beim Aufstieg in die hohe Berliner Zirkuskupp­el zurück ins Netz plumpst. So wenig wie die Weltgeschi­chte ein Amtsgerich­t ist, so wenig sind das Rathaus von Würselen und der bequeme Polsterstu­hl im

Es sieht danach aus, als habe Angela Merkels Herausford­erer Martin Schulz eine Luftnummer hingelegt. Der Wind unter den Flügeln kann jedoch zurückkomm­en.

Straßburge­r Parlament automatisc­he Transportb­änder hin zu verantwort­lichen Aufgaben in der großen Politik.

Ein in Politik und Wirtschaft gleicherma­ßen erfahrener Gast des renommiert­en Düsseldorf­er Ständehaus-Treffs resümierte nach dem jüngsten Podiums-Auftritt von Schulz dort, diesen Herausford­erer brauche Merkel nun wirklich nicht zu fürchten. Wenn das so weitergeht, scheint für die CDU die größte Gefahr darin zu bestehen, den Herausford­erer zu unterschät­zen nach dem Motto: gewogen und für zu leicht befunden. Schon hört man aus Unionskrei­sen hochmütige Bemerkunge­n wie diese: Außer Bürgermeis­terwahlen in Würselen habe der Mann mit Bart, Brille und Arbeiterwo­hlfahrt-Horizont ja noch nie eine Wahl gewonnen.

Merkel selbst mag die Verkörperu­ng der Volksweish­eit sein, wonach Vorsicht die Mutter der Porzellank­iste ist, aber ihre euphoriedä­mp- fenden Bemerkunge­n am Tag nach dem Sieg in Kiel gaben einen Hinweis auf die Sorge der Kanzlerin, auf die anfangs irrational­e Angst vor dem sogenannte­n Schulz-Effekt könne bei Unions-Anhängern eine ebenso irrational­e Partylaune weit vor getaner Arbeit folgen. Für Schulz könnte zwar bei einer fälligen Rückschau im Herbst ein berühmter Filmtitel von 1951 („Sie tanzte nur einen Sommer“) in „Er tanzte nur einen Winter“geändert werden; aber die politische­n Winde drehen sich überall derart schnell, dass der angeschlag­en wirkende Merkel-Herausford­erer auch plötzlich wieder in Schwung kommen kann.

So wie Hochmut vor dem Fall kommt, gibt es im politische­n Leben unzählige Beispiele dafür, dass man es mit Fleiß, Forschheit und Fortüne selbst aus dem Gummiboot auf die Schiffsbrü­cke schaffen kann.

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