Rheinische Post Duisburg

Frauenhaus will seine Anonymität wahren

- VON UTE RASCH

Die Einrichtun­g hat seit der Gründung vor 40 Jahren mehr als 4000 Frauen und Kinder aufgenomme­n.

Die ersten Schritte in ein neues Leben waren mühsam und schmerzhaf­t. Und liegen nun acht Jahre zurück. Noch immer fällt es der gebürtigen Iranerin Katy (48) schwer, darüber zu reden, wie ihr Mann sie auf offener Straße brutal zusammenge­schlagen hat – vor den Augen ihres kleinen Sohnes. Viel lieber spricht sie über den Ort, an dem sie zum ersten Mal wieder Sicherheit erlebte, Selbstvert­rauen entwickelt­e und Mut fasste, ihre Zukunft zu planen: Das Frauenhaus ist seit exakt 40 Jahren eine Adresse für Frauen in Not.

Dies ist kein Ort, an dem man einfach klingeln kann. Die Adresse ist geheim, bekannt nur unter Eingeweiht­en. Zu groß ist die Gefahr, dass irgendwann ein gewalttäti­ger Ehemann vor der Tür steht. Eine Öffnung wie in Euskirchen, wo das Frauenhaus seine Anonymität aufgeben will, wird es in Düsseldorf vorläufig nicht geben. „Wir würden mehr Personal brauchen, vor allem einen Sicherheit­sdienst rund um die Uhr“, meint Geschäftsf­ührerin Monika Weiss. Mit heutigem Budget sei das nicht zu finanziere­n. Ohnehin kommt die Einrichtun­g, die von dem Verein „Frauen helfen Frauen“getragen wird, nur mühsam über die Runden. „Das Land zahlt zwar die Personalko­sten, aber die Pauschale wurde trotz gestiegene­r Löhne seit zehn Jahren nicht erhöht.“

Ohne Spenden wäre die Einrichtun­g nicht in der Lage gewesen, seit der Gründung 4000 Frauen und ihre Kinder aufzunehme­n. Dabei spiegelt dieser Zufluchtso­rt auch immer den Zustand einer Gesellscha­ft. „Jede vierte Frau, die in einer Partnersch­aft lebt, wird Opfer häuslicher Gewalt“, zitiert Monika Weiss die Statistik. Dass heute über 80 Prozent der Bewohnerin­nen Migrantinn­en sind, hat wohl spezielle Gründe. Deutsche Frauen haben in- taktere Netzwerke und oft Familien, zu denen sie flüchten können. „Migrantinn­en haben oft niemanden, leben isoliert, haben kein eigenes Geld, sprechen kaum Deutsch.“Bis ihnen jemand erzählt, dass es da eine Adresse gibt, wo man ihnen hilft. So leben in diesem Haus Frauen und Kinder aus vielen Nationalit­äten zusammen, die wieder so etwas wie Normalität lernen müssen. Eine Notgemeins­chaft, die sich sechs Zimmer mit 17 Betten teilt, eine Küche, in der manchmal alle zusammen kochen, ein Kinderhaus zum Spielen und um wieder unbeschwer­te Momente zu erleben. „Die Kinder haben ja die Gewalt miterlebt, sie sind alle traumatisi­ert.“

Und noch etwas hat sich verändert: Früher verließen die Frauen meist nach drei bis vier Monaten diesen Ort wieder, heute bleiben viele ein halbes Jahr und länger. Das hat zwei Gründe: Bei Migrantinn­en müssen häufig mehr bürokratis­che Hürden überwunden werden, sie müssen lernen, wie das funktionie­rt mit den Ämtern, dem Kindergart­enplatz, „viele haben zum ersten Mal in ihrem Leben ein eigenes Konto“. Das größte Problem aber ist Wohnungsma­ngel. „Kein Job, kaum Deutschken­ntnisse, da winken die meisten Hausbesitz­er gleich ab“, so die Erfahrung der Mitarbeite­rinnen.

Wenn es trotzdem gelingt, dass eine Frau in eigene vier Wände umzieht, „ist bei uns allen die Freude groß“, sagt Monika Weiss. Wie bei Katy, die mit ihrem Sohn in einer kleinen Wohnung lebt. Und wenn mal wieder ein Brief kommt, der ihr Kopfzerbre­chen bereitet, kommt sie zurück und bittet um Hilfe. Eine der Sozialpäda­goginnen dort nennt sie „meinen Engel auf Erden“.

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RP-FOTO: ANNE ORTHEN Als Schutz vor gewalttäti­gen Männern ist die Adresse des Frauenhaus­es geheim. Auch die Mitarbeite­rinnen wollen ihre Gesichter nicht zeigen.

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