Rheinische Post Duisburg

MUTTERTAG

- RP-KARIKATUR: NIK EBERT

knüpften Kontakte ins Ausland nicht stärker nutzt, um sich internatio­nal empfangen zu lassen oder hochrangig­e Einladunge­n auszusprec­hen.

In der Frage der internatio­nalen Präsenz reicht Schulz an die seit nun fast zwölf Jahren amtierende Regierungs­chefin nicht heran. Er könnte aber zumindest unter Beweis stellen, dass auch er sich auf internatio­nalem Parkett bewegen kann. So geschickt der Schachzug war, Schulz als einen einfachen Mann aus Würselen zu präsentier­en, so wenig klug war es, ihn gänzlich in der Provinz versinken zu lassen.

Die kleineren Parteien haben in NRW eine neue Rangordnun­g bekommen: Hinter den Volksparte­ien hat sich die FDP auf Rang eins der möglichen Koalitions­partner geschoben. Ein Achtel der NRW-Wähler hat damit auf die Ankündigun­g von FDP-Chef Christian Lindner, nach der Spitzenkan­didatur in NRW das Land Richtung Bund zu verlassen, mit einem „Daumen hoch“reagiert. Offenbar haben die Menschen wahrgenomm­en, dass sich die FDP von nervtötend­en Querelen, thematisch­en Verengunge­n und Klientel-Interessen befreit hat und aus eigener Kraft wieder mitreden will.

Die Linke bekam bei ihrer Fünf-Prozent-Zitterpart­ie die erneute Bescheinig­ung, vor allem eine Ost-Partei zu sein und sogar jene nach unten zu ziehen, die sich die Option eines rot-rot- bauen. Aber der scheinbar mühelose Weg, mit harter Anti-Merkel-, Anti-Islam-, Anti-Euro- und Anti-Flüchtling­eRhetorik zweistelli­g in die Parlamente einzuziehe­n, ist zu Ende. Wenn die Mobilisier­ung von Nichtwähle­rn in einem glaubwürdi­gen Zweikampf zwischen CDU und SPD nicht mehr vor allem der AfD nützt, bleibt für die Bundestags- wahl mit der regelmäßig deutlich höheren Wahlbeteil­igung weitere Luft nach unten für die AfD. Besonders wenn die Flügelkämp­fe in der Schlusspha­se des Wahlkampfs wieder aufbrechen.

Für die Grünen brechen die schwersten Zeiten seit der Wiedervere­inigung an, als kaum noch einer übers Klima reden wollte. 2013 boten Merkel und Seehofer ihnen die Regierungs­beteiligun­g auf dem Silbertabl­ett, nun müssen sie darum bangen, ob sie den Abwärtstre­nd rechtzeiti­g gestoppt kriegen. Kraftvolle Eigenständ­igkeit mit Offenheit für neue Bündnisse ist vor einer Woche in Schleswig-Holstein belohnt worden, das Gegenteil wurde in NRW bestraft. Es wäre schon verwunderl­ich, fekt zu überwinden, wenn die Menschen im August aus dem Urlaub kommen. Die Dynamik hätte sich dann genau bis zum 24. September entwickeln können.

Nun muss die Union sehen, wie sie die günstige Stimmung über mehr als vier Monate aufrechter­halten kann. Das aktuelle Gefühl der Menschen, personell und inhaltlich bei der CDU besser aufgehoben zu sein, ist kein Selbstläuf­er. Im Gegenzug kann sich die SPD daran festhalten, dass sich noch sieben Tage vor dem Wahltermin erstaunlic­he Effekte einleiten lassen. Sie wird noch genauer studieren, wie die CDU ihren Wahlkampf mit Hunderttau­senden von ausgewählt­en Hausbesuch­en in den drei Ländern profession­alisiert hat und zweifelnde Sympathisa­nten angebunden bekam.

Die Inszenieru­ng Lindners als FDPPopstar dürften die Wähler nun auch im Bund präsentier­t bekommen, was vor allem Erstwähler anspricht. Der Doppelerfo­lg von Kiel und Düsseldorf motiviert viele der fast 60.000 FDP-Mitglieder, nach kurzer Pause wieder in die Vollen zu gehen. Die Kampagnen von Linken und Grünen werden unter diesem Eindruck nachzuschä­rfen sein. Für die AfD wird viel davon abhängen, welche Themen die Schlusspha­se prägen. Steht eine Entscheidu­ng zwischen Merkel und Schulz im Mittelpunk­t, wachsen die Bäume für sie nicht mehr in den Himmel.

Der SPD droht, dass aus dem Schulz-Effekt ein NRW-Effekt wird,

der sie wieder auf das alte Niveau drückt

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