MUTTERTAG
knüpften Kontakte ins Ausland nicht stärker nutzt, um sich international empfangen zu lassen oder hochrangige Einladungen auszusprechen.
In der Frage der internationalen Präsenz reicht Schulz an die seit nun fast zwölf Jahren amtierende Regierungschefin nicht heran. Er könnte aber zumindest unter Beweis stellen, dass auch er sich auf internationalem Parkett bewegen kann. So geschickt der Schachzug war, Schulz als einen einfachen Mann aus Würselen zu präsentieren, so wenig klug war es, ihn gänzlich in der Provinz versinken zu lassen.
Die kleineren Parteien haben in NRW eine neue Rangordnung bekommen: Hinter den Volksparteien hat sich die FDP auf Rang eins der möglichen Koalitionspartner geschoben. Ein Achtel der NRW-Wähler hat damit auf die Ankündigung von FDP-Chef Christian Lindner, nach der Spitzenkandidatur in NRW das Land Richtung Bund zu verlassen, mit einem „Daumen hoch“reagiert. Offenbar haben die Menschen wahrgenommen, dass sich die FDP von nervtötenden Querelen, thematischen Verengungen und Klientel-Interessen befreit hat und aus eigener Kraft wieder mitreden will.
Die Linke bekam bei ihrer Fünf-Prozent-Zitterpartie die erneute Bescheinigung, vor allem eine Ost-Partei zu sein und sogar jene nach unten zu ziehen, die sich die Option eines rot-rot- bauen. Aber der scheinbar mühelose Weg, mit harter Anti-Merkel-, Anti-Islam-, Anti-Euro- und Anti-FlüchtlingeRhetorik zweistellig in die Parlamente einzuziehen, ist zu Ende. Wenn die Mobilisierung von Nichtwählern in einem glaubwürdigen Zweikampf zwischen CDU und SPD nicht mehr vor allem der AfD nützt, bleibt für die Bundestags- wahl mit der regelmäßig deutlich höheren Wahlbeteiligung weitere Luft nach unten für die AfD. Besonders wenn die Flügelkämpfe in der Schlussphase des Wahlkampfs wieder aufbrechen.
Für die Grünen brechen die schwersten Zeiten seit der Wiedervereinigung an, als kaum noch einer übers Klima reden wollte. 2013 boten Merkel und Seehofer ihnen die Regierungsbeteiligung auf dem Silbertablett, nun müssen sie darum bangen, ob sie den Abwärtstrend rechtzeitig gestoppt kriegen. Kraftvolle Eigenständigkeit mit Offenheit für neue Bündnisse ist vor einer Woche in Schleswig-Holstein belohnt worden, das Gegenteil wurde in NRW bestraft. Es wäre schon verwunderlich, fekt zu überwinden, wenn die Menschen im August aus dem Urlaub kommen. Die Dynamik hätte sich dann genau bis zum 24. September entwickeln können.
Nun muss die Union sehen, wie sie die günstige Stimmung über mehr als vier Monate aufrechterhalten kann. Das aktuelle Gefühl der Menschen, personell und inhaltlich bei der CDU besser aufgehoben zu sein, ist kein Selbstläufer. Im Gegenzug kann sich die SPD daran festhalten, dass sich noch sieben Tage vor dem Wahltermin erstaunliche Effekte einleiten lassen. Sie wird noch genauer studieren, wie die CDU ihren Wahlkampf mit Hunderttausenden von ausgewählten Hausbesuchen in den drei Ländern professionalisiert hat und zweifelnde Sympathisanten angebunden bekam.
Die Inszenierung Lindners als FDPPopstar dürften die Wähler nun auch im Bund präsentiert bekommen, was vor allem Erstwähler anspricht. Der Doppelerfolg von Kiel und Düsseldorf motiviert viele der fast 60.000 FDP-Mitglieder, nach kurzer Pause wieder in die Vollen zu gehen. Die Kampagnen von Linken und Grünen werden unter diesem Eindruck nachzuschärfen sein. Für die AfD wird viel davon abhängen, welche Themen die Schlussphase prägen. Steht eine Entscheidung zwischen Merkel und Schulz im Mittelpunkt, wachsen die Bäume für sie nicht mehr in den Himmel.
Der SPD droht, dass aus dem Schulz-Effekt ein NRW-Effekt wird,
der sie wieder auf das alte Niveau drückt