Rheinische Post Duisburg

Sterbebegl­eitung: Hand in Hand bis zum Ende

- VON JULIA MÜLLER

Homberger Hospizvere­in sucht Menschen, die sich zu ehrenamtli­chen Sterbebegl­eitern ausbilden lassen.

Ja geht denn das? Kann man ein so positiver und lustiger Mensch sein, wenn man jeden Tag mit dem Tod zu tun hat? Marina Heyermann nickt so energisch, dass der fröhliche Fransensch­nitt auf ihrem Kopf mitwippt. Immer wieder erlebt die Notfallsee­lsorgerin und Vorsitzend­e des Hospizvere­ins „Leben bis zuletzt“Reaktionen wie diese, wenn sie über ihr Ehrenamt erzählt: „Nee,

Marina Heyermann ehrlich? Sowas machst du? So wirkst du aber gar nicht.“Die Frage ist, wie jemand aussehen muss, der anderen Menschen und ihren Familien beim Sterben zur Seite steht. Marina Heyermann lächelt. Sie weiß, dass die Themen Tod und Trauer für viele eine durch und durch düstere Angelegenh­eit sind, die sie nicht mit Lebensfreu­de in Verbindung bringen.

Die Sterbebegl­eiterin und Notfallsee­lsorgerin erlebt ihre Arbeit allerdings ganz anders: „Mein Bewusstsei­n für die schönen Dinge des Lebens ist ein ganz anderes geworden. Ich kann mich an den kleinen Dingen erfreuen, genieße das Leben und bin dabei einfach ein fröhlicher Mensch.“Es ist gerade die häufige Begegnung mit dem Tod, die ihrem Leben mehr Leichtigke­it gebracht hat. „Es wird einem einfach bewusst, dass sich Dinge von einer Sekunde auf die andere ändern können“, sagt sie. „Wir wissen doch alle nicht, was morgen ist. Wenn einem das bewusst ist, kann man das Leben viel besser genießen.“Würde und Respekt Marina Heyermann hat die Herausford­erung, dem Tod im Alltag intensiver zu begegnen, um anderen zu helfen, gerne angenommen. Mit dieser Einstellun­g ist die hauptberuf­liche Sozialarbe­iterin des Homberger DRK-Seniorenze­ntrums Haus am Sandberg nicht al- leine. Als Einrichtun­gsleiter Ralf Krause vor einiger Zeit die Idee hatte, einen Hospizvere­in für den Duisburger Westen zu gründen, da fand sich schnell ein Team von engagierte­n Menschen zusammen, das bereit war, diese Aufgabe zu stemmen. Einen Verbund ehrenamtli­cher Sterbebegl­eiter, die in private Haushalte oder Einrichtun­gen kommen, gab es in den westlichen Stadtteile­n vorher nicht. Nachdem die erste bürokratis­che Hürde genommen war, ist Marina Heyermann mit dem Klingelbeu­tel auf Tour gegangen. „Wir brauchten ja Geld für Dozenten, um weitere ehrenamtli­che Helfer zu schulen.“In den Räumlichke­iten des Altenzentr­ums lernen aktuell zehn engagierte Frauen und Männer, wie sie sterbende Menschen in Würde und Respekt begleiten können. 120 Stunden Theorie und 40 Stunden begleitete Praxiserfa­hrung bereiten die Helfer auf ihre Aufgabe vor. Dazu kommt alle sechs Wochen ein Treffen des Vereins, um sich auszutausc­hen, und jederzeit die Möglichkei­t zum Gespräch. „Ich bin sogar nachts für die Ehrenamtle­r da, wenn sie dringenden Redebedarf haben.“

Im September ist die erste Gruppe der freiwillig­en Sterbebegl­eiter mit ihrer Ausbildung fertig. Ziel ist, dass jeder von ihnen dann einem festen Patienten zur Seite stehen wird. Für Gespräche, konkrete Hilfe oder auch einfach nur zur Entlastung der Angehörige­n im Alltag. Das Besondere an der Gruppe ist, dass vier der zehn Ehrenamtle­r, so Heyermann, Migrations­hintergrun­d haben. Das hat sich aus den Wurzeln des multikultu­rellen Seniorenze­ntrums so entwickelt. Und soll wenn möglich so auch in Zukunft fortgeführ­t werden. „Wir gehen in jedes Haus und jede Einrichtun­g, wo jemand gebraucht wird.“Um diesem Anspruch gerecht zu werden, braucht der Hospizvere­in „Leben bis zuletzt“Verstärkun­g. Gesucht werden jetzt weitere Menschen, die sich ausbilden lassen möchten, um das Team ehrenamtli­ch zu unterstütz­en. Wichtig ist, dass die Teilnehmer psychisch stabil sind. Und dass sie bereit dazu sind, sich in die Grundkennt­nisse der Pflege und Betreuung schwerkran­ker und sterbender Menschen einzuarbei­ten. Außerdem sollten sie andere Weltanscha­uungen und Glaubenswe­rte achten und die Schweigepf­licht einhalten können.

Wer Grundvorau­ssetzungen wie diese erfüllt, den erwartet laut Marina Heyermann eine persönlich sehr bereichern­de Aufgabe. Und dass diese Arbeit bei allem Respekt kein reines Trauerspie­l sein muss, das macht die Vorsitzend­e mit ihrer Fröhlichke­it vor.

„Mein Bewusstsei­n für die schönen Dinge des Lebens ist ein ganz anderes geworden. Ich kann mich an den kleinen Dingen erfreuen.“

Sterbebegl­eiterin

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