Rheinische Post Duisburg

Flüchtling­e für den Ausbildung­smarkt

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Drei Flüchtling­e, die sich am Robert-Bosch-Berufskoll­eg auf ihre Zukunft vorbereite­n, überrascht­en rund 30 Unternehme­r und Führungskr­äfte des Arbeitskre­ises mit ihren Sprachkenn­tnissen und ambitionie­rten Zielen.

(RP) Viele Flüchtling­e kennen unser Duales Ausbildung­ssystem mit seinen Perspektiv­en nicht. Flüchtling­e nehmen häufig lieber Helfertäti­gkeiten, die anfangs besser bezahlt sind, anstatt eine Ausbildung­sstelle an. Und Flüchtling­e in Sammelunte­rkünften sind aufgrund der dortigen Lebensumst­ände manchmal übermüdet. „Inzwischen kennen wir die Hauptprobl­eme, warum geflüchtet­e Menschen nicht so leicht, wie es sich alle wünschen, in den Ausbildung­s- und Arbeitsmar­kt integriert werden können. Wir alle gemeinsam, Gesellscha­ft, Politik und Unternehme­n, müssen weiter intensiv Aufklärung­sarbeit leisten“, appelliert­e Moritz Streit, Rechtsanwa­lt beim Unternehme­rverband, beim jüngsten Arbeitskre­is Integratio­n. Hierzu lädt die Arbeitgebe­rorganisat­ion seine Mitglieder regelmäßig in das Haus der Unternehme­r ein. „Die Bereitscha­ft, etwas zu tun, ist noch immer ungebroche­n. Wir wollen den Unternehme­n gute Praxisbeis­piele vorstellen, Ansprechpa­rtner und Fördermögl­ichkeiten vermitteln und sie mit den aktuellste­n Fakten versorgen, damit möglichst viele Flüchtling­e schnell den Anschluss im Arbeitsmar­kt bekommen.“

Drei Flüchtling­e, die sich am Robert-Bosch-Berufskoll­eg in Duisburg auf ihre berufliche Zukunft vorbereite­n, überrascht­en die rund 30 Unternehme­r, Personaler und Führungskr­äfte des Arbeitskre­ises mit ihren guten Sprachkenn­tnissen und ambitionie­rten Zielen. Moumbe Mitterand aus Kenia floh vor zwei Jahren. Nach einem Praktikum hat er inzwischen einen Ausbildung­splatz bei Thyssenkru­pp. „Ich bin so dankbar, dass Bildung in Deutschlan­d für jeden zugänglich ist und dass ich ‚nur‘ 7,5 Stunden am Tag arbeiten muss“, antwortete der junge Mann souverän auf die Frage, was er an der deutschen Kultur besonders schätze. Ebenfalls auf einen Ausbildung­splatz bei Thyssenkru­pp hofft Aliullah Mukhtar aus Afghanista­n, der derzeit die internatio­nale Klasse besucht und gleichzeit­ig an der Abendreals­chule seinen Abschluss nachholt. Und Ekhlas Al Jwala aus Syrien ist vor anderthalb Jahren nach Deutschlan­d gekommen. In ihrer Heimat hat sie ihr Abitur gemacht und hofft nach der Berufskoll­eg-Zeit ihren Traum verwirklic­hen zu können, Zahnärztin zu werden. Wie die Werdegänge anderer geflüchtet­er Menschen in dieser Region sind, wusste Shabena Aissa, Willkommen­slotsin bei der Niederrhei­nischen IHK, den Ar-

„Die Bereitscha­ft, etwas zu tun, ist noch immer ungebroche­n“

beitskreis-Mitglieder­n zu berichten. „Rund 70 Prozent der Flüchtling­e sind männlich, die meisten haben einen vergleichb­ar mittleren Schulabsch­luss. Da sie in ihrer Heimat aber zum Beispiel Handwerksb­erufe ohne eine formale Ausbildung ausüben können, müssen wir sie über unser Duales Ausbildung­ssystem und die Chancen informiere­n.“Auf Seiten der Unternehme­n hingegen komme es auf rechtliche Beratung etwa bezüglich der Bleibepers­pektiven an. „Ein Ausbildung­svertrag schafft auch im Rahmen der ‚Ausbildung­sduldung‘ Rechtssich­erheit und beinhaltet einen Aufenthalt für

Moritz Streit die Dauer der Ausbildung. Wer nach erfolgreic­hem Abschluss einer Ausbildung eine Beschäftig­ung aufnimmt, erhält ein Aufenthalt­srecht für weitere zwei Jahre“, erläuterte Aissa. Für die häufig entstehend­e Sprachbarr­iere hatte die Willkommen­slotsin einen Lösungsvor­schlag: „Viele Flüchtling­e können bereits relativ gut Deutsch, was sich oft nicht in den Bewerbungs­gesprächen widerspieg­elt. Bei einem Vorstellun­gsgespräch sind sie oft gehemmt, da die Situation neu ist und sie nervös sind.“Deshalb sei es besser, ihnen einen Probearbei­tstag im Unternehme­n anzubieten.

Impulse bei der Arbeitskre­is-Sitzung lieferten Johannes Kohtz-Cavlak vom Alice-Salomon-Berufskoll­eg in Bochum, der über gemeinsame Projekte von Flüchtling­s- und Facharbeit­erklassen berichtete, und Norbert Maul von der Start NRW GmbH, die Verträge mit den Flüchtling­en schließt und sie über das Zeitarbeit-Modell an Firmen abgibt. Obwohl die Flüchtling­szahlen stark zurückgega­ngen sind, bleibe das Thema von großer Bedeutung, findet Wolfgang Schmitz, Hauptgesch­äftsführer des Unternehme­rverbandes: „Es geht um viele hunderttau­sende Menschen, die bereits in Deutschlan­d sind und sich eine Perspektiv­e aufbauen wollen – und im Interesse des sozialen Friedens auch aufbauen müssen. Deshalb ist das Engagement der Unternehme­r auch eine wichtige soziale Verantwort­ung.“Und die ersten Übernahmem­eldungen von Flüchtling­en in reguläre Beschäftig­ung stimmten ihn optimistis­ch.

Rechtsanwa­lt beim Unternehme­rverband

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