Maas: Im Internet wird zu wenig gelöscht
Der Bundesjustizminister verteidigt sein umstrittenes Gesetz gegen Hass im Netz vor dem Bundestag.
BERLIN Noch vor der Bundestagswahl soll die Pflicht zum Löschen von Hasskommentaren und Falschbehauptungen in den sozialen Netzwerken gesetzlich verschärft werden. Weil strafbare Inhalte derzeit nur zwischen ein Prozent (Twitter), 39 Prozent (Facebook) und 90 Prozent (Youtube) getilgt werden, will Bundesjustizminister Heiko Maas (SPD) die bestehenden Verpflichtungen in einem dreistufigen Verfahren erzwingen. Netzwerke mit über zwei Millionen Nutzern müssen ein professionelles Beschwerdemanagement aufbauen und regelmäßig Bericht erstatten. Zudem haben sie künftig offenkundig rechtswidrige Inhalte innerhalb von 24 Stunden zu löschen, schwieriger zu beurteilende Gesetzesverstöße innerhalb von einer Woche.
Das sogenannte Netzwerkdurchsetzungsgesetz (NetzDG) debattier- te der Bundestag nun in erster Lesung. Es folgt die Detailberatung in den Ausschüssen, die sich dazu auch mit den Einschätzungen von Experten befassen werden. Es zeichnet sich ab, dass der Entwurf bei derartigen Anhörungen durchfallen wird. Die Opposition und fachkundige Organisationen sehen die Meinungsfreiheit in Deutschland in Gefahr. Insbesondere geht es bei der Kritik um die Entscheidung von Maas, die Qualifizierung von rechtlich gerade noch möglichen Meinungsäußerungen und strafbaren Beleidigungen oder Falschdarstellungen in private Hände zu legen.
Maas betonte, dass die hohen Bußgelder zwischen fünf und 50 Millionen Euro nur denjenigen drohen, die „systematisch versagen“, sich also komplett weigern, ein anwenderfreundliches und funktionierendes Beschwerdesystem mit Löschfunktionen zu schaffen. „Hass im Netz ist der wahre Feind der Meinungsfreiheit“, sagte der SPD-Politiker. „Die gängige Praxis zeigt, es wird nicht zu viel gelöscht, sondern leider viel zu wenig.“
„Wir brauchen das Gesetz möglichst bald“, unterstrich der niedersächsische Innenminister Boris Pistorius (SPD). Auch für Facebook, Twitter & Co. müsse es verbindliche Regeln geben, die dann auch einzuhalten seien. „Wenn die sozialen Netzwerke klug sind, machen sie mit, denn es ist sicherlich nicht in ihrem Interesse, wenn sich bei ihnen nur die dunkle Seite versammelt, dann gerät auch ihr Geschäftsmodell in Ge-
Boris Pistorius fahr“, sagte der Minister unserer Redaktion. Meinungsfreiheit sei etwas anderes als pure Menschenverachtung. Wer sich durch das Anwenden der Regeln in seiner Meinungsfreiheit verletzt sehe, dem stehe der Klageweg offen. Zugleich schlug Pistorius eine zeitliche Begrenzung vor. „Wir sollten das Netzwerkdurchsetzungsgesetz in zwei Jahren evaluieren und überprüfen, wie es wirkt und wo sich möglicherweise Korrekturen anbieten“, erklärte der SPD-Politiker.
Rund 50 Anhänger der rechtsextremen „Identitären Bewegung“versuchten vergeblich, mit „Maas muss weg“-Rufen das Justizministerium in Berlin zu stürmen. Sie protestierten gegen das Gesetz und wollten mit einer Leiter in das Gebäude eindringen. Maas befand sich nach Ministeriumsangaben in seinem Büro in Sicherheit. Die Polizei beendete den Protest und stellte einzelne Personalien fest.
„Auch für Facebook, Twitter & Co. muss es verbindliche Regeln geben“
niedersächsischer Innenminister