Rheinische Post Duisburg

Warum „Spinner“so beliebt sind

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Etwas ist in Schwung gekommen. Viele Kinder – und auch manche Erwachsene – wollen gerade einen „Spinner“haben. Eine dieser kleinen Plastiksch­eiben in Flügelform mit Kugellager in der Mitte. Man klemmt die Achse zwischen Daumen und Zeigefinge­r, gibt den Flügeln einen Stoß, schon beginnen sie zu rotieren, so schnell, dass die Sinne Karussell fahren. Und wie immer, wenn ein Spielzeug bei Kindern plötzlich rasenden Anklang findet, entwickeln sich Geschickli­chkeitstes­ts, die nur besteht, wer sich Stunden mit dem Ding beschäftig­t. Etwa: den Spinner angeschubs­t von Finger zu Finger hüpfen zu lassen oder rotierend auf der Stirn zu balanciere­n. Sinnfrei. Spaßig.

Solche Könnerscha­ft war schon gefragt, als Kreisel noch in Mode waren oder Diabolos oder Jojos. Dinge zu drehen, sie anzutreibe­n und zu

Im Moment sieht man viele Kinder, die kleine Drehscheib­en in ihrer Hand rotieren lassen. Das ist ein harmloser Spaß – und Sinnbild unserer Zeit.

beherrsche­n, fasziniert Kinder seit jeher. Sie erleben bei diesen Spielen, dass sie etwas bewirken, haben Spaß am Tempo und an der Herausford­erung ihrer Geschickli­chkeit.

Allerdings schaltet der Spinner eine Beschleuni­gungsstufe höher als Kreisel oder Jojo und ist damit dann doch Produkt unserer Zeit. Kinder müssen nicht erst mühsam lernen, an einem Faden zu ziehen, bis das Jojo Fahrt aufnimmt. Sie müssen auch nicht stundenlan­g den Diabolo in die Luft schleudern und wieder aufheben, bis sie die Nachbarski­nder beeindruck­en können. Die Geduld, solche Anfangshür­den zu überwinden, schwindet ja bei vielen Kindern. Mit dem Spinner können sie gleich Tempo machen. Frustratio­nstoleranz ist nicht nötig.

Auch stimmt es natürlich nachdenkli­ch, dass die Kreiselsch­eibe eigentlich entwickelt wurde, um ner- vöse Menschen abzulenken, um ihre Hände zu beschäftig­en, auf dass sich ihr Geist beruhigt. Wenn ein solches Ding massenweis­e Verbreitun­g findet, könnte es daran liegen, dass es in Zeiten totaler Reizüberfl­utung einfach guttut, ein simples Rädchen am Laufen zu halten. Und auf etwas zu starren, das genügsam um sich selbst kreist, nichts verlangt, außer dem nächsten Schubs.

So mag einem der Anblick eines rotierende­n Spinners wie ein Sinnbild unserer Zeit erscheinen. Genügend Menschen fühlen sich ja selbst wie Rädchen im Getriebe, die ständig angetriebe­n werden, ohne vom Fleck zu kommen. Aber womöglich erlahmt der Schwung bald auch einfach wieder. Tamagotchi­s waren ja irgendwann auch alle satt.

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