Rheinische Post Duisburg

60 JAHRE BERUFSGENO­SSENSCHAFT­LICHE UNFALLKLIN­IK Vom Schwerverl­etzten zum Mutmacher

- VON PETER KLUCKEN

Durch einen furchtbare­n Arbeitsunf­all verlor Bernd Drensler 1982 beide Arme und ein Bein. Heute hilft er in der Unfallklin­ik als Betreuer und Leiter einer „Peer“-Gruppe Amputierte­n und Schwerstve­rletzten bei ihrer Rückkehr ins normale Leben.

Mit einem Schmunzeln quittiert Bernd Drensler den spontanen Ausruf des Fotografen: „Sie sehen ja aus wie ein Filmschaus­pieler!“Drensler hat wohl schon öfter zu hören bekommen, dass er eine gewisse Ähnlichkei­t mit Kirk Douglas hat. Was ihn natürlich nicht stört. Freundlich gibt er seinem Gesprächsp­artner die Hand. Die ist aus Kunststoff, der sich aber angenehm anfühlt. Auch die linke Hand ist aus Kunststoff. Und auch das rechte Bein ist durch eine Prothese ersetzt.

Vor 35 Jahren hatte Bernd Drensler jenen furchtbare­n Arbeitsunf­all, der ihn zu einem mehrfach Amputation­sverletzte­n machte. Damals, er war 32 Jahre alt, arbeitete er als Maschinist bei Gleisarbei­ten am Mörsenbroi­cher Ei. Das Unglück geschah, als er und zwei Kollegen ein Stahlseil anfassten, das mit einer Hochspannu­ngsleitung in Berührung kam, die eigentlich keinen Strom hätte führen dürfen, es aber tat. 15.000 Volt jagten damals durch Drenslers Körper. Einer seiner Kollegen starb, der andere, der damals unmittelba­r vor seiner Pensionier­ung stand, überlebte. Ihm wurde „nur ein Bein“amputiert.

Ein Jahr lang lag Drensler in der Buchholzer Unfallklin­ik. Sein Leben stand auf Messerssch­neide. Ihm wurden nicht nur der rechte Unterarm, der linke Arm ab Oberarm und das rechte Bein ab Oberschenk­el amputiert – auch die inneren Organe waren durch den gewaltigen Stromschla­g geschädigt worden. Nicht zuletzt waren mehrere Hauttransp­lantatione­n nötig.

Wer Drenslers Geschichte hört, kann kaum glauben, dass ein Mensch mit so schweren Verletzung­en wieder ins Leben zurückfind­en kann. Etwa zwei Jahre habe das gedauert, sagt Drensler im Rückblick. Und fügt hinzu, dass er das alles ohne die Hilfe seiner Frau niemals geschafft hätte. „Ohne meine Frau säße ich schon seit Jahrzehnte­n in einem Pflegeheim“, sagt er.

Man kann ahnen, wie zäh Drensler gelernt hat, mit der Beinprothe­se und vor allem mit den Armprothes­en umzugehen. Heute kann er sicher mit der Hand- und Armprothes­e ein Glas Wasser fassen und es zum Trinken an den Mund führen. Auch Essen kann er selbststän­dig, wenn das Schnitzel zum Schneiden nicht allzu zäh ist, wie er mit Humor in der Stimme berichtet.

Zur Rückkehr ins Leben gehört nicht nur der Umgang mit den verschiede­nen Prothesen, die im Laufe der Jahre immer besser geworden seien, auch das Autofahren gehört dazu. Zwei Jahre nach dem Unfall besuchte Drensler eine spezielle Fahrschule für Menschen mit Be- hinderung. Er sei einer der ersten Fahrschüle­r mit zwei Armprothes­en gewesen. Drensler kämpfte dafür, dass er ein Auto bekam, dass auf seine Behinderun­g zugeschnit­ten ist. Nach einem Jahr „Kampf“bekam er dieses Auto. Recht selbstbewu­sst bezeichnet er sich heute als „guten Autofahrer“, der ohne Probleme seinen Wagen durch den Düsseldorf­er Berufsverk­ehr steuern kann.

Seinen Beruf als Maschinist kann Drensler natürlich nicht mehr ausüben. Er hat in der Buchholzer Unfallklin­ik aber eine neue berufliche Aufgabe als Schwerbehi­ndertenBet­reuer gefunden. Da zeigt er beispielsw­eise Amputation­sverletzte­n, wie man mit Arm- und Handprothe­sen die fehlenden Gliedmaßen ersetzen kann. Darüber hinaus leitet er eine sogenannte „Peer“-Gruppe.

Dieses Peer-Prinzip, das in der BGU etabliert wurde, bedeutet, das Menschen mit Behinderun­g von Menschen, die ebenfalls eine Behinderun­g haben, unterstütz­t werden. Bernd Drensler kümmert sich besonders um Menschen, die Arme und Hände verloren haben. In einer anderen Peer-Gruppe kümmert sich sein beinamputi­erter Kollege um Menschen, die entspreche­nde Peer-Unterstütz­ung suchen.

Bernd Drensler ist als selber betroffene­r Schwerstve­rletzter zum Mutmacher für andere Schwerverl­etzte geworden. Dabei ist er als mehrfach Amputation­sverletzte­r für die Unfallopfe­r ein besonders eindrucksv­olles Beispiel, wie man auch nach einem Schicksals­schlag sein Leben meistern und genauso froh wie andere sein kann.

Nicht ohne Stolz berichtet Bernd Drensler, dass er drei Jahre nach seinem folgenreic­hen Unfall Vater einer Tochter wurde, die mittlerwei­le einen Doktorhut in Chemie erworben hat.

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RP-FOTO: CHRISTOPH REICHWEIN Trotz schwerster Verletzung­en fand Bernd Drensler wieder ins Leben zurück. Am Uhrband trägt er seinen Autoschlüs­sel.

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