Rheinische Post Duisburg

I bin sicha, du konnst draus was machn

- HERMANN STRASSER

Der Duisburger Soziologe Hermann Strasser hat einen Band mit Liebesgedi­chten der österreich­ischen Bühnenküns­tlerin Brunhilde Jakisch herausgege­ben. Der Band heißt: „Mein Herz ist wie ein junges Pferd“.

Bei der Lektüre der Liebesgedi­chte fragt man sich, ob Soziologie so schön sein kann. Deshalb haben wir Professor Strasser gefragt, was ihn dazu gebracht hat, diesen Gedichtban­d herauszuge­ben und wie er zu diesen Gedichten gekommen ist. Hier seine ausführlic­he Antwort. „Mein Herz ist wie ein junges Pferd“: Nein, nicht mein Herz, sondern das der Brunhilde Pointner, geborene Jakisch. Brunhilde, die am 28. Februar 1909 zur Welt kam und als Einzelkind unter einem sehr strengen Vater in Wien aufwuchs. Sie erhielt zunächst Klavier- und Ballettunt­erricht, wurde dann Sängerin, auch auf Opernbühne­n. In den späten zwanziger Jahren des vorigen Jahrhunder­ts, bestieg die noch sehr junge Brunhilde Jakisch immer wieder stürmisch die Himmelslei­ter der Gefühle. Sie hinterließ­en tiefe Gräben des Schmerzes und der Enttäuschu­ng und endeten in so manchem Liebesleid, wie schon ihr Einstiegsg­edicht demonstrie­rt:

Mein Herz ist wie ein junges Pferd,

Das oft mit größter Last beschwert Man sieht geduldig traben. Auf einmal kommt – ich weiß nicht was –

Da macht das Roß sich einen Spaß

Und ist auch schon im Graben.

Kein Wunder, dass ihr Anschreibe­n gegen die Zeit in Gedichten der Leidenscha­ft Ausdruck fand, auch wenn sie dadurch der Liebe als Himmelsmac­ht weder Herr noch Frau wurde. In den 1940er Jahren zog sie nach Salzburg. 1960 heiratete sie in zweiter Ehe Walter Pointner, ebenfalls geboren 1909, der als kaufmännis­cher Angestellt­er bei verschiede­nen Firmen in Salzburg tätig war. Sie starb dort am 18. Juni 1977, nachdem sie lange an der Zuckerkran­kheit gelitten hatte.

Walter Pointner ging es finanziell gut; er besaß auch eine Ferienwoh- nung in meinem Heimatort, in Altenmarkt im Pongau. Eines Tages sprach mich dort auf der Oberen Marktstraß­e ein Herr mit den Worten an: „Di kenn i do.“Ich konnte darauf nur antworten: „Du wirst mir sicherlich gleich auf die Sprünge helfen.“Und das tat er auch, waren wir doch im selben Internat in Salzburg, im Rupertinum, gewesen, noch dazu im selben Schlafsaal. Und da ging mir ein Licht auf. Das konnte nur der Roman Oberbichle­r sein. Kurze Zeit später kam er bei einem weiteren Spaziergan­g auf mich zu und meinte: „I hab’ da was für di. I bin sicha, du konnst draus was machn.“Roman Oberbichle­r, der „Schlüsselm­ann“von Altenmarkt, betreute nämlich die Ferienwohn­ung der Pointners. So erzählte er mir, dass nach dem Tod von Walter Pointner und dem Verkauf der Wohnung im Jahre 2010 ihm die Stieftocht­er von Brunhilde Pointner die handschrif­tlichen Notizen mit deren Gedichten übergeben hätte. Was ein Mann des Schlüsseld­ienstes so alles bewerkstel­ligen kann! Er war nicht zuletzt ein Vertrauens­mann und ihm vertraute die Pointner-Tochter die Liebes- und Herzensgeh­eimnisse ihrer Stiefmutte­r an. So übergab er mir die Notizen zur Lektüre, und ich war sogleich von den Gedichten sehr beeindruck­t, schrieb sie ab und brachte einige Gedanken in Form eines Vorund Nachwortes zu Papier. Sie sollen dem Leser helfen, die poetischen Ergüsse der Brunhilde Jakisch einzuordne­n. Und so machte ich mich auf die Suche nach der Stieftocht­er Sontrud M. Duke, geb. Pointner. Ich stöberte sie im amerikanis­chen Bundesstaa­t Minnesota auf. Und sie erlaubte mir, auch weil ich Altenmarkt­er sei, wie sie mir am Telefon sagte, die Gedichte zu veröffentl­ichen. Sontrud, die – später Sonny genannt – 1940 zur Welt kam, lebt schon seit Ende der fünfziger Jahre in den U.S.A. Sonny kam immer wieder zu Besuch nach Österreich, später auch nach Altenmarkt im Pongau, um dort Urlaub zu machen und sich in der Gebirgsluf­t zu erholen. Noch heute hat sie Kontakt zu früheren Nachbarn in der Ferienwohn­ung. Nach dem Tod von Bruni, wie die Stiefmutte­r genannt wurde, heiratete Walter Pointner noch einmal, kam 1999 ins Altersheim in Altenmarkt und starb dort 2003. Auch wenn Brunhilde Jakisch eine Gelegenhei­tsdichteri­n war, ge- Deine Augen. So blaugrün wie ein Alpensee, Der märchenhaf­t verträumt, So klar und doch so grundlos ist, Von dunklem Fels umsäumt. Und wie des Mondes Silbersche­in In einer stillen Nacht Auf seinen Fluten spiegelt sich Mit feenhafter Pracht, So ist der Glanz auf deinem Aug’, Mit seltsam feuchtem Schimmer, So unergründl­ich und doch warm Und so voll Liebe immer. Doch wie von einem heft’gen Wetter Des Sees Wasser dunkeln Und unterm grellen Licht der Blit ze So schön und grausig funkeln, Wenn dich gereizt, beleidigt hat Auf Erden hier Gebor’nes, Da dunkeln, funkeln, blitzen sie Im Feuer heil’gen Zornes. Wenn ich in diese Augen seh’ Dann weiß ich eines immer, Hier kannst du glauben und ver trauen, Denn diese lügen nimmer. Brunhilde Jakisch, Mein Herz ist wie ein junges Pferd: Gedichte von Liebes leid und Herzschmer­z. Aufgeschri­e ce, 2016. 160 S. € 8,78, E-Book Kindle € 4,05. ISBN 9781532718­656 lang es ihr, unvergessl­iche Eindrücke der Natur, von Freundscha­ft und Liebe, von so manchem Frühlingsm­orgen oder Herbstaben­d lyrisch festzuhalt­en. Sie verstand sich nie nur als teilnehmen­de Beobachter­in im Alltagsleb­en, sondern auch als Zeitgenoss­in, die in so manchem Gedicht auch zur Zeitzeugin wurde. Immerhin hat sogar René König, der Kölner Soziologen­papst, einmal behauptet, dass Soziologen nicht selten den Einsichten von Schriftste­llern in ihren Gedichten und Romanen folgten. Jedenfalls hat Brunhilde Jakisch mit Verstand gesehen und mit dem Herzen geschriebe­n, auch wenn ihr der Traum nicht fern gewesen sein dürfte, dass sich alles im Fluss befinde. Nicht zuletzt deshalb waren es diese Gedichte allemal Wert, aufgeschri­eben und veröffentl­icht zu werden.

Diese Gedichte waren es allemal Wert, aufgeschri­eben und veröffentl­icht

zu werden.

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FOTOS: RP-ARCHIV, H. STRASSER Das Bild oben zeigt Brunhilde Pointner, geborene Jakisch. Der Duisburger Soziologe Prof. Dr. Hermann Strasser hat sie wiederentd­eckt. Prof. Martin Goppelsröd­er schuf diese Zeichnung für den Band.
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