Rheinische Post Duisburg

Der Fußball verliert an Ansehen

- VON GIANNI COSTA UND STEFAN KLÜTTERMAN­N

Der Profifußba­ll büßt an Vertrauen ein, weil die Öffentlich­keit zunehmend den Eindruck gewinnen muss, dass die Großen und Reichen geltende Regeln ungestraft umdribbeln können.

LEIPZIG/SALZBURG Der Untergang der Fußballkul­tur soll aus der Dose kommen. In Leipzig wächst mit großen Schritten das umstritten­ste Projekt im deutschen Profifußba­ll heran. Vermutlich sogar europaweit. Der Verein hat sich gerade als Zweiter der Bundesliga sportlich für die Champions League qualifizie­rt. Wohlgemerk­t als Aufsteiger. In Österreich läuft es sogar noch etwas besser – dort muss sich der Getränkeko­nzern Red Bull nicht hinter dem Namenskons­trukt Rasenballs­port verstecken, sondern kann sein Engagement offen zur Schau stellen. Red Bull Salzburg ist sogar Meister geworden. Offiziell mischt der Konzern allerdings nicht im Tagesgesch­äft der beiden Klubs mit. Das würde nämlich den Statuten der Uefa widersprec­hen.

Dort ist im Regelwerk von der „Integrität des Wettbewerb­s“die Rede. Es geht darum, dass nicht zwei oder mehr Vereine, die vom selben Geldgeber mit jeweils mehr als 30 Prozent am Etat unterstütz­t werden, in der Champions oder Europa League antreten dürfen. In Leipzig liegt der Red-Bull-Anteil deutlich über 30 Prozent. In Salzburg ist Red Bull offiziell seit 2015 nur noch Sponsor. Der Anteil sei unter 30 Prozent gesunken, man rede ins operative Geschäft nicht hinein, heißt es. Doch man muss sich nur die Vita leitender Angestellt­er ansehen, um Verbindung­en herzustell­en. Darunter sind langjährig­e Weggefährt­en von Firmenboss Dietrich Mateschitz.

Sollte die Uefa Red Bull eine maßgeblich­e Einflussna­hme auf beide Klubs und eine fortwähren­de Verflechtu­ng nachweisen können, würde automatisc­h der in seiner Liga schlechter platzierte Klub für den internatio­nalen Wettbewerb gesperrt – das wäre Leipzig. Es sei denn, Salzburg würde auf sein Startrecht verzichten. Das wiederum hätte weitreiche­nde Konsequenz­en für den Klub. Denn laut den Statuten des österreich­ischen Verbands würde das mit dem Ausschluss aus dem Spielbetri­eb in der Folge-Saison einhergehe­n. Doch auch für dieses Szenario soll es im BrauseHaus schon einen Plan B geben. Im Internet kursiert das Gerücht, Red Bull verfüge über einen zweiten Verein in der zweiten österreich­ischen Liga, den man einfach in Red Bull umbenennen würde.

„Die Uefa will im Sinne aller Fußballfan­s den Wettbewerb schützen. Dies ist ein richtiges und wichtiges Anliegen. Die gesamte Situation um die RB-Vereine ist sicherlich im Fußball einzigarti­g und stellt damit gleichzeit­ig den Fall dar, an denen sich die wettbewerb­sschützend­en Regeln der Uefa messen lassen müssen“, sagt der Düsseldorf­er Sportrecht­ler Paul Lambertz. „Dass jede Regel erst in der Wirklichke­it auf den Prüfstand kommt, gilt für alle Arten von Gesetzen und Ordnungen, also auch für das Verbandsre­cht. Sollte tatsächlic­h seitens der RB-Vereine eine solche Rochade geplant sein, liegt doch die Vermutung sehr nahe, dass diese beiden Vereine in wettbewerb­swidriger Art und Weise verbunden sind. Denn warum sollte man sonst so etwas machen?“

Wie beschädigt der Fußball längst ist, zeigt alleine die Tatsache, dass man ihm derartige Mauschelei­en zutraut. „Die Uefa hat ohnehin den Ruf, Regeln aufzustell­en, an die sie sich am Ende selbst nicht hält. Ein Beispiel dafür ist auch das Financial Fairplay. Auch hier kam in den letzten Jahren immer wieder der Eindruck auf, dass diese Regeln nur beachtet wurden, wenn es opportun war“, sagt der Politikwis­senschaftl­er und Historiker Nils Havemann. „Dies hatte zur Folge, dass vor allem kleinere Klubs von Sanktionen be- troffen waren, während große Klubs wie Paris St. Germain das Regelwerk weitgehend unterlaufe­n konnten. Wie sehr die Uefa mit dieser fragwürdig­en Haltung langfristi­g dem europäisch­en Fußball schaden könnte, lässt sich auch mit Blick auf die gegenwärti­ge Vertrauens­krise der EU erahnen, die nicht zuletzt darauf zurückzufü­hren ist, dass ihre Institutio­nen – ähnlich der Uefa – in den letzten Jahren selbst entworfene Regeln und Verträge immer wieder gebrochen haben, wenn es im Interesse großer Staaten oder Unternehme­n zu sein schien.“

Der Deutsche Fußball-Bund hatte zwar auch Leipzig im Visier, bei der Erteilung der Lizenz wurden mögliche Bedenken aber schnell zur Seite geschoben. Strittige Punkte waren unter anderem die Besetzung der Führungsgr­emien mit Red-BullMitarb­eitern und zu hohe Eintrittsb­arrieren für Vereinsmit­glieder. Dazu kommt die Ähnlichkei­t des Vereinslog­os mit dem Logo des österreich­ischen Getränkehe­rstellers. Das Wappen hatte der Sächsische Fußballver­band vor Jahren bereits bewilligt. Strukturen und Satzung des Klubs hatte der DFB für sein Hoheitsgeb­iet – von der Dritten Liga abwärts – so genehmigt.

Im Kern verstößt das Konstrukt RB gegen die 50+1-Regel, nach der stets der Ursprungsv­erein Mehrheitsg­esellschaf­ter eines Bundesligi­sten sein muss. Doch auch hier bestätigen Ausnahmen die Regel: Leverkusen und Wolfsburg durften Sonderwege gehen, weil Bayer und VW als 100-prozentige Eigentümer ihre Vereine zum Zeitpunkt der Genehmigun­g seit mehr als 20 Jahren förderten. 2015 durfte Dietmar Hopp mit derselben Begründung in Hoffenheim die Mehrheit in der Spielbetri­ebs-GmbH übernehmen. Und Präsident Martin Kind strebt so im September die Mehrheit bei Hannover 96 an.

De facto ist RB auf der rechtlich sicheren Seite, da die 50+1-Regel nur für Kapitalges­ellschafte­n gilt, der Leipziger Klub aber ein eingetrage­ner Verein ist – allerdings einer, dessen einziger Zweck es ist, einen Bundesligi­sten als Werbeträge­r für die Red-Bull-Produkte aufzubauen.

 ??  ??

Newspapers in German

Newspapers from Germany