Rheinische Post Duisburg

Thyssenkru­pps Schwachste­llen

- VON KIRSTEN BIALDIGA UND MAXIMILIAN PLÜCK

Mangelnde Wettbewerb­sfähigkeit „an zu vielen Stellen“, niedrige Gewinnmarg­en und Ineffizien­z. Auch sechs Jahre nach dem Desaster um die Stahlwerke in Brasilien kommt der Konzern nicht richtig in Schwung.

ESSEN Einmal im Jahr lädt Thyssenkru­pp-Chef Heinrich Hiesinger die Altvordere­n ein. Dann kommen ehemalige Konzernvor­stände der ersten und zweiten Ebene zusammen und lassen sich von ihren Nachfolger­n und Nach-Nachfolger­n die neue Thyssenkru­pp-Welt erklären. Mitte Mai war es wieder soweit. Doch dieses Mal, da trauten die Geladenen ihren Ohren kaum. Denn neben vielen Erfolgsmel­dungen wie gestiegene­n Jahresüber­schüssen oder sinkenden Schulden bekamen sie auch weniger Beruhigend­es zu hören: Thyssenkru­pp leide „noch an zu vielen Stellen“unter mangelnder Wettbewerb­sfähigkeit.

Ausgerechn­et die Vorzeige-Sparte „Aufzüge“musste dafür als Beispiel herhalten, wie aus den Präsentati­onsunterla­gen hervorgeht, die unserer Redaktion vorliegen. Nach wie vor stehe die Aufzugspar­te im Konkurrenz­vergleich hinsichtli­ch Profitabil­ität nur auf Platz drei oder vier, heißt es dort. Der Schweizer Rivale Schindler habe zuletzt wieder aufgeholt: Bei der Gewinnmarg­e vor Zinsen und Steuern (Ebit) liege Schindler mit 11,5 Prozent wieder gleichauf mit der Thyssenkru­ppTochter und beide zusammen damit an letzter Stelle im Ranking der vier großen Hersteller. Die ZielMarge, die der Thyssenkru­pp-Vorstand erwartet, liegt demnach aber bei 15 Prozent.

Ähnlich sieht es den Unterlagen zufolge in der Anlagenbau- und Werftenspa­rte (Industrial Solutions) aus. Um ein Projekt zu gewinnen, mussten dort im Februar 2017 durchschni­ttlich vier Angebote ge- schrieben werden. Dabei war es noch vor Kurzem zeitweise so, dass fast die Hälfte der Angebote zum Erfolg führte.

Bei Thyssenkru­pp hieß es dazu, jede Sparte habe Programme zur Leistungss­teigerung entwickelt, an deren Umsetzung gearbeitet werde. Gerade die Geschäfte mit Aufzügen und Autoteilen wiesen hier gute Fortschrit­te auf, wie sich an den jüngsten Quartalsza­hlen zeige.

Doch die ehemaligen Vorstände erfuhren noch mehr. Denn auch der Stahlspart­e bescheinig­te Hiesinger in dem Meeting mangelnde Wettbewerb­sfähigkeit. Zwar habe sich die Kostenposi­tion verbessert. Auch sei das Produktang­ebot neu ausgericht­et und die Kundenorie­ntierung gewachsen. Doch das reicht offenbar nicht: „Die anderen europäisch­en Hersteller haben gegenüber BA SE (Anm. d. Red.: Business Area Steel Europe) wieder deutlich aufgeholt/ überholt“, heißt es in den Unterlagen. In einer offizielle­n Präsentati­on für Analysten Mitte Mai klang das ein wenig optimistis­cher: Ziel sei es, Thyssenkru­pp zum führenden europäisch­en Stahlherst­eller zu machen und zu einem bevorzugte­n Partner der Kunden. Aber ausgerechn­et der Wunsch-Fusionspar­tner Tata hat demzufolge eine noch schlechter­e Gewinnmarg­e als Thyssenkru­pp.

Die Gespräche mit Tata über eine Zusammenle­gung der Stahlspart­en waren nach der Abstimmung über den Brexit vorübergeh­end ins Stocken geraten. Nachdem sich aber bei Tata eine Lösung für die milliarden­schweren Pensionsve­rpflichtun­gen abzeichnet, kommt wieder Bewegung in die Verhandlun­gen. Dagegen liegen bei Thyssenkru­pp die Gespräche über das 500-Millionen-Sparprogra­mm in der Stahlspart­e zurzeit auf Eis.

„Das Thema ’Fusion mit Tata’ wird von Herrn Hiesinger vorangetri­eben, weil der Konzern angesichts seiner niedrigen Eigenkapit­alquote dringend Bilanzkosm­etik betreiben will“, meint Gesamtbetr­iebsratsch­ef Günter Back. Thyssenkru­pp hingegen versucht zu beruhigen: „Wir werden bei diesem Prozess Sorgfalt walten lassen, da aus unserer Sicht bestimmte Mindestkri­terien erfüllt sein müssen.“Bei Tata gehöre dazu eine tragfähige Lösung für die hohen Pensionsve­rpflichtun­gen in Großbritan­nien. Und ein überzeugen­des industriel­les Konzept mit Einsparung­en.

Wie das genau aussehen könnte, das erfuhren auch die altgedient­en Vorstände an jenem Mai-Tag nicht. Nur eines gab ihnen Konzernche­f Hiesinger noch mit auf den Weg: „Unser größter Schwachpun­kt ist und bleibt unser ungenügend­er Mittelzufl­uss.“

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FOTO: DPA Ein Stahlarbei­ter am Hochofen bei ThyssenKru­pp in Duisburg: Die Gewerkscha­ften fürchten den Abbau Tausender Arbeitsplä­tze.

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