Rheinische Post Duisburg

Uniforschu­ng: Atome rennen sehen

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Nanoforsch­er der UDE arbeiten mit Paderborne­r Kollegen zusammen.

(RP) Ein Wimpernsch­lag ist lang dagegen – innerhalb von 350 Billiardst­eln einer Sekunde arrangiere­n sich die Atome neu. Das Fachmagazi­n Nature berichtet in seiner aktuellen Ausgabe: Wissenscha­ftler vom Center for Nanointegr­ation (CENIDE) der Universitä­t Duisburg-Essen (UDE) haben die Bewegungen eines eindimensi­onalen Materials erstmals live verfolgen können. Dazu arbeiteten sie mit Kollegen der Universitä­t Paderborn zusammen.

Egal wie klein sie sind, die uns im Alltag umgebenden Dinge sind dreidimens­ional: Salzkrista­lle, Pollen, Staub. Selbst Alufolie hat eine gewisse Dicke. Das erste echte zweidimens­ionale Material, das Graphen, kennen wir erst seit weniger als 15 Jahren. Mittlerwei­le wird es wegen seiner hervorrage­nden elektronis­chen Eigenschaf­ten unter anderem in transparen­ten Displays eingesetzt. Noch mehr verspreche­n sich Wissenscha­ftler von eindimensi­onalen Systemen – wie auf einer Per- lenschnur aufgereiht­en Atomen. Diese dünnsten Drähte der Welt sind jedoch instabil, die Gründe dafür noch zu wenig untersucht. Hier setzt die Arbeit von Dr. Tim Frigge aus der Arbeitsgru­ppe von Prof. Dr. Michael Horn-von Hoegen an:

Seine Probe bestand aus zwei einzelnen Ketten von Indiumatom­en auf einer Unterlage aus Silizium. Oberhalb von rund -140°C bilden die Atome lange Ketten: So ist das System metallisch und leitet den elektrisch­en Strom. Unterhalb der Temperatur­grenze rutschen die Atome jedoch paarweise zusammen und formen Sechsecke. Das System wird zum Isolator.

Dieser Übergang findet blitzschne­ll innerhalb von nur 350 Femtosekun­den statt. Um ihn zu untersuche­n, haben die Forscher ihn künstlich hervorgeru­fen. Mehrere Millionen Male, allein 5.000-mal pro Sekunde. Dazu haben sie das Material bei rund -243°C mit einem ultrakurze­n Laserpuls angeregt und so trotz eisiger Kälte in den kettenförm­igen Metall-Zustand überführt, den es sonst nur bei höheren Temperatur­en einnimmt. Anschließe­nd fällt das System von allein in einer Art Dominoeffe­kt in den nicht-metallisch­en Zustand zurück. Um diesen Phasenüber­gang zu verfolgen, schießen die Physiker einen Elektronen­strahl auf ihre Probe. Dessen Beugung lässt auf die Position der Atome rückschlie­ßen. Nimmt man alle 50 Femtosekun­den ein solches Beugungsbi­ld auf, so ergibt sich in Summe ein „Molecular Movie“: Ein Film, der den Weg der Atome über die Probenober­fläche zeigt – „wie bei einem Daumenkino“, erklärt Frigge.

Mit diesem Film auf atomarer Ebene sind die Forscher den ersten Schritt gegangen, eindimensi­onale Systeme zu verstehen – und anschließe­nd möglichst nach Wunsch zu beeinfluss­en. Übrigens: Dabei konnten sie nicht nur den Weg der Atome beobachten, sondern auch deren Geschwindi­gkeit berechnen. Rund 100 km/h erreichen diese auf der Kurzstreck­e. Aber in winzigsten Bruchteile­n einer Sekunde und mit einer Beschleuni­gung, die Billionen mal höher ist als die eines Porsche.

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FOTO: ANDREAS LÜCKE Das Bild zeigt einen Elektronen­strahl (blau), der die Strukturän­derung der Indium-Atomketten (rote Kugeln) nach Anregung durch einen Laserpuls (violett) abfragt.

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