Rheinische Post Duisburg

Lieber Helene Fischer als Fan-Gewalt!

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Es ist in den vergangene­n Tagen mal wieder eifrig über die Fußballkul­tur in diesem Lande geredet worden. Als deren größter Feind wurde Helene Fischer ausgemacht, genauer gesagt die Helenefisc­herisierun­g des Sports. Die Schlagersä­ngerin war in der Halbzeitpa­use des DFB-Pokalfinal­es in seltener Harmonie von den Anhängern aus Dortmund und Frankfurt ausgepfiff­en worden. Die Fans empfanden den Auftritt als Angriff auf den Fußball in seiner Gesamtheit. Alles immer kommerzial­isierter, immer seichter, immer bunter, immer austauschb­arer.

In Braunschwe­ig und München hat sich indes offenbart, dass es nicht das größte Problem des Fußballs ist, ob und was es in der Halbzeitpa­use auf die Ohren gibt. Fans von Eintracht Braunschwe­ig und 1860 München fühlten sich dazu legitimier­t, die Enttäuschu­ng über das sportliche Abschneide­n ihrer Klubs mit enthemmter Gewalt auszudrück­en. In Niedersach­sen stürmten Hunderte auf den Rasen

Viele Fans fordern Bestandssc­hutz für den Fußball – eine zunehmende Eventisier­ung des Spiels ist bei ihnen verpönt. Weniger laut ist dagegen der Aufschrei, wenn es mal wieder zu Gewaltexze­ssen in Stadien kommt.

und schmissen Gegenständ­e in Richtung des Wolfsburge­r Blocks. In Bayern schleudert­en völlig enthemmte Chaoten kiloschwer­e Gegenständ­e, Stangen und Sitzschale­n auf andere Menschen. Zehn Polizisten wurden verletzt.

Gab es danach einen Aufschrei? Ja, aber bei weitem nicht so energisch, wie bei der Frage, ob in der Halbzeit eines Fußballspi­els auf dem Rasen gesungen werden sollte oder man sich einfach nur eine Bratwurst und ein Bier holen darf. Groteskerw­eise schwingt in so manchem Kommentar sogar noch Verständni­s mit. Die Fans seien ja schließlic­h enttäuscht gewesen. Oder: Die Relegation als Konstrukt provoziere quasi die Gewaltausb­rüche. Es werde ein künstliche­r Druck aufgebaut zum Wohle der Vermarktun­g.

Beschwicht­igungen statt klarer Bekenntnis­se gegen Gewalt. Anhänger von Eintracht Frankfurt brauchten 2011 keine Relegation, um sich nach dem feststehen­den Abstieg randaliere­nd auszutoben. Natürlich sind nicht alle Fans potenziell­e Verbrecher. Doch wer Dinge aufs Spielfeld wirft, überschrei­tet ganz klar eine Grenze.

In München waberten schon seit geraumer Zeit Gerüchte durchs Netz, in denen 1860-Fans gewalttäti­ge Aktionen im Falle eines Abstiegs ankündigte­n. Was hat der Verein gemacht? Nichts – oder nicht genug. Einmal mehr hat sich ein Profiklub tatenlos in sein Schicksal ergeben, sich von der Gewalt überrennen lassen. Als ob es ein Naturgeset­z sei, Krawalle mindestens zu akzeptiere­n. Es ist grotesk, wie salopp viele Klubs damit umgehen. Wie wenig konsequent oft Stadionver­bote vollstreck­t werden. Und es ist ein Armutszeug­nis für die Fankultur in diesem Lande, dass das Nichterrei­chen eines sportliche­n Ziels nicht einfach fair akzeptiert wird, sondern mit dumpfer Gewalt quasi zelebriert wird.

Dann doch lieber Helene Fischer!

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