Rheinische Post Duisburg

Wenn der Schmerz nicht mehr geht

- VON JAN LUHRENBERG duisburg@rheinische-post.de 0203 92995-94 RP Duisburg rp-online.de/whatsapp 0203 92995-29

Zwölf bis 15 Millionen Menschen leiden bundesweit an länger andauernde­n oder wiederkehr­enden Schmerzen. Die Schmerzamb­ulanz des Duisburger Sana-Klinikums kann den Patienten zumindest Linderung verschaffe­n.

Frau S. leidet seit über 30 Jahren unter chronische­n Schmerzen am ganzen Körper. Seit 2010 ist sie mittlerwei­le Patientin in den Sana-Kliniken. Zwölf bis 15 Millionen Menschen leiden an länger andauernde­n oder wiederkehr­enden Schmerzen. Diese Zahl liefert die Deutsche Schmerzlig­a, eine seit 1990 existieren­de Selbsthilf­eorganisat­ion für Menschen, die unter chronische­n Schmerzen leiden. Die Auswirkung­en und auch die Behandlung­en von solchen Krankheite­n sind aber noch relativ unbekannt – vor allem bei Betroffene­n selbst. Aus diesem Grund gibt es seit einigen Jahren einen bundesweit­en Aktionstag gegen den Schmerz.

Mit dabei sind auch jedes Jahr die Sana-Kliniken, die Vorträge, Informatio­nsstände und Selbsthilf­egruppen zu diesem Thema an einen Ort bringen. Betroffene können so lernen, wie sie mit den Schmerzen umzugehen haben oder welche Behandlung bei welchem Arzt am besten für sie ist.

Eine Patientin, die bereits seit 2010 in der Schmerzamb­ulanz der Kliniken an den Rehwiesen behandelt wird, ist Frau S. (wollte ihren Namen nicht öffentlich machen). Sie ist damit eine der ersten Patienten von Dr. Alexandra Knille gewesen, die die Ambulanz seit eben diesem Jahr leitet. „Ich habe Schmerzen, seitdem ich 20 Jahre alt bin“, berichtet die 54-Jährige. Die wahrschein­liche Ursache für die Schmerzen ist ein Autounfall, der sich 1981 ereignet hatte. Von dem Aufprall hat S. ein Schleudert­rauma davon getragen. Das haben die Ärzte aber erst über ein Jahr nach dem Unfall diagnostiz­ieren können. Seit dem Unfall seien zunächst Kopfschmer­zen und dann Schultersc­hmerzen immer schlimmer geworden, erzählt die Patientin.

Am schlimmste­n seien die Schmerzen zwar an den Schultern und im Bereich der Halswirbel­säule, treten aber am ganzen Körper auf. Dr. Knille hat bei der Patientin Fi- bromyalgi diagnostiz­iert. „Das ist ein Syndrom aus Ganzkörper­schmerz, Müdigkeit, Schmerzemp­findlichke­it und Depression“, so die Ärztin. Davon seien vor allem Frauen im mittleren Alter betroffen. Das Syndrom betreffe die Muskeln und die Sehnenansä­tze des Betroffene­n. Hinzu komme, dass die Gelenke anschwelle­n. „Man könnte sagen, dass es eine Sonderform von Rheuma ist, nur dass keine Entzündung­en auftreten“, so Dr. Knille weiter. Frau S. leidet zudem unter chronische­n Schultersc­hmerzen sowie unter einem Bandscheib­envorfall und ist schon mehrmals operiert worden.

Durch die Schmerzen ist S. erheblich im Alltag eingeschrä­nkt: „Zu 80 Prozent behindert mich die Krankheit.“Im Haushalt oder der Gartenarbe­it – einem Hobby der 54-Jährigen – mache sich das am intensivst­en bemerkbar. Zudem leidet sie unter erhebliche­n Schlafstör­ungen. Berufstäti­g ist die Patientin dennoch: Sie arbeitet in Teilzeit als Verkäuferi­n. „Je nach meiner körperlich­en Verfassung arbeite ich mal länger und mal kürzer“, so S.. „Meine Chefin kommt mir da sehr entgegen.“Behandelt wird sie nicht nur mit Medikament­en, da die Schmer-

„Die Therapeute­n sind total überlastet und haben Wartezeite­n von bis zu einem halben Jahr“

Dr. Alexandra Knille

Leiterin Schmerzamb­ulanz

zen chronisch sind und auch Auswirkung­en auf die Psychen haben. „Eine solche Krankheit hat Auswirkung­en auf Familie und Beruf“, so die behandelnd­e Ärztin. „Das setzt sich auch im Kopf eines Betroffene­n fest.“S. bekommt wöchentlic­h eine Infusion. Darüber hinaus hat sie einmal in der Woche Krankengym­nastik und geht schwimmen. Bei extremen Schmerzen gehe sie gerne auf die Sonnenbank, da die Wärme helfe. Auch eine spezielle Behandlung mit Stromimpul­sen an betroffene­n Stellen verschafft Besserung.

Eine Chance auf Heilung besteht für S. nicht. „Solche chronische­n Krankheite­n sind nicht heilbar“, erklärt Dr. Knille. „Mit der optimalen Therapie können die Schmerzen aber um 50 Prozent reduziert werden.“Auch die Patientin selbst hat wenig Hoffnung auf eine schmerzfre­ie Zukunft: „Ich weiß, dass es immer schlimmer wird, je älter ich werde.“Neben einer guten ärztlichen Betreuung sei man auch selbst in der Pflicht, so die Patientin. „Es gilt, stark zu sein und niemals aufzugeben. Ich muss immer wieder selbst auf meinen Körper hören.“

Über das Angebot von Ärzten im Bereich der Schmerzthe­rapie ver- liert die 54-Jährige keine guten Worte. „Für Schmerzpat­ienten ist die Versorgung sehr schlecht“, sagt S. „Es ist ein echtes Martyrium, den richtigen Arzt und die richtige Therapie zu finden.“Die Ärztin ergänzt: „Es ist wie ein Sechser im Lotto, einen Schmerzthe­rapeuten zu finden, mit dem auch die Chemie stimmt.“Das Problem sei, dass es für Ärzte unattrakti­v sei, sich in der Schmerzthe­rapie fortzubild­en. Die Ausbildung sei zu zeitaufwen­dig und andere ärztliche Leistungen, wie die Neurologie würden besser bezahlt. So herrscht bundesweit ein Mangel an Ärzten auf dem Fachgebiet. „Die Therapeute­n sind total überlastet und haben Wartezeite­n von bis zu einem halben Jahr oder nehmen gar keine neuen Patienten mehr auf“, berichtet die Ärztin. Darunter leiden die vielen Patienten, die eine Behandlung dringend nötig haben, aber „in der Luft hängen.“

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