Schimmel treibt Mieterin aus dem Haus
Sabine Uhlemann hat Ärger mit dem Bauverein. Ihre Wohnung an der Rheinhauser Hermannstraße war so feucht, dass sie aus gesundheitlichen Gründen ausziehen musste.
RHEINHAUSEN Als Sabine Uhlemann im April vergangenen Jahres an die Rheinhauser Hermannstraße zog, war sie bester Dinge. Die neue Wohnung schien ein Glücksfall zu sein. 38 Quadratmeter für 260 Euro Warmmiete im Zentrum, schön geschnitten, dazu ein Balkon mit Grünblick. „Ich habe mich richtig gefreut“, erinnert sie sich. Den ersten Dämpfer erhielt sie bei der Renovierung. Eine Bekannte, gelernte Malerin und Lackiererin, schlug die Hände über dem Kopf zusammen. „Alles nass“, stellte sie fest. „Hier wirst du Probleme kriegen.“Heute, ein gutes Jahr später, steht Sabine Uhlemann in der nun wieder leer geräumten Küche und berichtet von
Sabine Uhlemann einem Martyrium. Die Traumwohnung entpuppte sich als Alptraum. „Die ist mir“, sagt sie, „unter den Händen weggeschimmelt.“
Sabine Uhlemann musste ausziehen – heute klagt die zuvor gesunde, sportliche Frau über schweres Asthma, ganz zu schweigen von seelischen Blessuren, die der Dauer-Ärger bei ihr verursacht hat.
Für den Vermieter, den Bauverein Rheinhausen, sind Mieterbeschwerden an der Hermannstraße nicht neu. Die Bausubstanz sei „sensibel“, räumt der Vorsitzende Volker Seemann ein. 60 Wohnungen unterhält man dort, alle stammten aus den 1920er Jahren und erforderten „ein entsprechendes Verhalten seitens der Mieter“. Dafür seien die Kosten mit monatlich 170 Euro kalt extrem billig. Und Klagen über Schimmel seien selten: „Das war bisher zweimal der Fall.“
Sabine Uhlemann ist sauer. Sie hat einen Stapel Unterlagen mitgebracht, Briefe von Mieterverein, Gutachtern, Vermieter. Sie hat sich einen Anwalt genommen. Dieser, Experte für Mietrecht, macht ihre Forderungen gegenüber dem Bauverein geltend: Sabine Uhlemann will Schadenersatz. Geld für die durch die Feuchtigkeit verdorbenen Möbel, die Matratze, Couch und Gardinen – Geld für den erneuten Umzug, den sie eigentlich nicht wollte. Sie zeigt auf ein Schlüsselkörbchen auf dem Fenstersims. Selbst daran hat sich Schimmel gebildet. „Ich habe“, sagt sie, „so noch nie wohnen müssen.“Mit dem Beginn der feuchteren Jahreszeit ging der Ärger los. In der Küche hob sich das Laminat, die Türe ging nicht mehr zu. Die Decke wurde feucht, in den Ecken und an der Tür bildeten sich Schimmelflecken, auch um die Fenster herum und unter der Heizung. Aus dem feuchten Keller habe es bei nassem Wetter bis in den ersten Stock gerochen. Sabine Uhlemann informierte den Bauverein. Der schickte einen Mitarbeiter mit Messgerät, um den Fall zu prüfen. Sein Urteil: Die Mieterin sei schuld. Sie habe nicht richtig geheizt und gelüftet, die Beseitigung des Schimmels liege folglich bei ihr und könne nur kostenpflichtig durchgeführt werden. Die Wände, heißt es bis heute, seien zu diesem Zeitpunkt trocken gewesen.
Sabine Uhlemann wehrte sich. Sie schaltete den Mieterverein und das WDR-Fernsehen ein – ein zweiter Gutachter kam zu einem ande- ren Urteil: Sabine Uhlemann trägt keine Schuld. Verantwortlich seien durchgängige Wärmebrücken im Beton, durch die Wärme schneller nach außen gelangt. Dadurch kühlen die Mauern aus. Folge dieser Baumängel: feuchte Wände, schlimmstenfalls Schimmel. Sabine Uhlemann zog die Konsequenzen. Sie zog aus, erstritt eine Rückzahlung ihres Genossenschaftsanteils von 850 Euro. Nicht ohne sich vorher mit ihrer Nachbarschaft auszutauschen. „Viele haben Probleme“, erfuhr sie. „Aber die trauen sich nicht, etwas zu unternehmen.“
Schadenersatzforderungen lehnt der Bauverein ab: Sabine Uhlemann habe ihre finanzielle Einlage zeitnah zurück erhalten, was nicht üblich sei – außerdem räumte man ihr ein außerordentliches Kündigungsrecht ein. „Wir haben uns geeinigt“, fasst Volker Seemann zusammen. „Ich sehe keine Veranlassung, Weiteres zu tun.“
Wärmebrücken seien seitens des Hauseigentümers ohne Weiteres nicht vermeidbar, da helfe nur „ein angepasstes Lüftungs- und Heizverhalten“, das zugegebenermaßen kompliziert sei. Hierfür habe man Broschüren verteilt, außerdem technisches Gerät für das Messen der Luftfeuchtigkeit in den Räumen. Eine dauerhafte Lösung würde nur eine Sanierung der Gebäude bringen – aufwändige Wärmedämmungen jedoch seien an den Häusern Hermannstraße nicht geplant.
Der Bestand im Zentrum von Rheinhausen, räumt Seemann ein, sei einer der letzten, der noch nicht modernisiert wurde. In Bergheim hatte man eine ähnliche Situation - hier riss der Bauverein im Vorjahr 108 Wohnungen ab, dafür entstanden 128 neue. Moderner Wohnraum allerdings sei dann um einiges teurer. Seemann seufzt hörbar, „anders geht es nun mal nicht.“
Sabine Uhlemann hat inzwischen eine neue Wohnung gefunden. Ihre alte wird nun einer Schimmelsanierung unterzogen.
Dann hofft der Bauverein auf einen neuen Mieter...
„Viele haben Probleme. Aber die trauen sich
nicht, etwas zu unternehmen“
Mieterin