Rheinische Post Duisburg

Abitur wieder nach neun Jahren

- VON THOMAS REISENER

CDU und FDP haben sich bei ihren Koalitions­verhandlun­gen auf die Abkehr vom Turbo-Abi geeinigt. G9 soll in NRW wieder zum Regelfall werden. Einzelne Gymnasien dürfen aber auch bei G8 bleiben.

DÜSSELDORF CDU und FDP haben in der fünften Runde ihrer Koalitions­verhandlun­gen einen wichtigen Durchbruch in der Schulpolit­ik geschafft: In NRW soll das Abitur nach neun Gymnasial-Jahren ( G9) ab dem Schuljahr 2019/2020 wieder zum Regelfall werden. Zugleich soll Schulen, die beim Turbo-Abi nach acht Jahren (G8) bleiben wollen, auch diese Variante offen stehen.

„Wir wollen die Wahlfreihe­it grundsätzl­ich ermögliche­n“, sagte CDU-Verhandlun­gsführer Armin Laschet gestern. FDP-Verhandlun­gsführer Christian Lindner sprach dennoch von einer „Leitentsch­eidung zugunsten von G9“. Denn Gymnasien, die keine anderweiti­ge Initiative ergreifen, werden in etwa zwei Jahren automatisc­h zu G9-Schulen. Die G8-Schulen müssen ihren Sonderweg hingegen über einen Verwaltung­sakt begründen.

Welches Gremium an den Schulen die Entscheidu­ng treffen soll, ist noch unklar. Ebenso, welche Kosten diese Regelung verursache­n wird. Die Wiedereinf­ührung des neunten Schuljahre­s an den NRW-Gymna- sien ist nur mit zusätzlich­en Lehrern machbar. Nachdem die schwarz-gelbe Landesregi­erung das achtjährig­e Gymnasium 2005 zur Vorgabe machte, sind von den rund 600 Gymnasien in NRW nur ein Dutzend bei G9 geblieben.

Entscheide sich ein Gymnasium, beim Turbo-Abi zu bleiben, werde es eine gesonderte Unterstütz­ung erhalten. Ziel sei in diesen Fällen ein „qualitätsv­olleres G 8“mit mehr Kapazitäte­n für die Betreuung der Schüler, um den Schulen eine Auswahl zwischen echten Alternativ­en zu ermögliche­n. Dennoch gehen Laschet und Lindner mit Blick auf Hessen, wo die Schulen sich ebenfalls für G8 oder G9 entscheide­n können, davon aus, dass etwa 90 Prozent der NRW-Gymnasien zu G9 zurückkehr­en.

„Ich hätte mir von der Politik eine konsequent­ere Entscheidu­ng für die eine oder die andere Variante gewünscht“, kritisiert­e Günter Fischer, der Mitglied im Vorstand der Rheinische­n Direktoren­konferenz ist und als Rektor an einem Viersener Gymnasium selbst Erfahrunge­n mit der verkürzten Schulzeit gesammelt hat. „Ich fürchte, dass diese Wahlfreihe­it durch die Hintertür doch wieder zu Rivalitäte­n unter den Gymnasien führt“, so Fischer

Verhalten positiv äußerte sich Marcus Hohenstein, der seit fünf Monaten das Volksbegeh­ren „G9jetzt“gegen das Turbo-Abi organisier­t. „Die beiden haben den Wählerauft­rag erkannt und angenommen“, sagte Hohenstein mit Blick auf Laschet und Lindner. Man müsse nun schauen, was im Kleinge- druckten stehe. Von den 1,1 Millionen erfolgreic­hen Unterschri­ften lägen der Initiative bereits etwa 500.000 vor. Es sei zu prüfen, ob das Volksbegeh­ren fortgesetz­t wird.

Das Turbo-Abi hat in NRW zu wachsendem Unmut bei Schülern, Eltern und Lehrern geführt. In ihren Wahlprogra­mmen hatten CDU und FDP sich noch für eine Wahlfreihe­it der Schulen ohne politische Richtungsv­orgabe ausgesproc­hen. Die jetzt formuliert­e Variante „G9 als Regelfall“entlastet aus Sicht von CDU und FDP die meisten Schulen vom Verwaltung­sakt einer Entscheidu­ngsfindung, ohne die G8-bereiten Gymnasien einzuschrä­nken. „Es gibt etliche Schulen, bei denen G8 gut funktionie­rt. Das wollen wir erhalten“, so Laschet.

Kippen wollen CDU und FDP die noch gültige Erlasslage von RotGrün, nach der Kinder auch ohne ausreichen­de Deutschken­ntnisse in den Regelklass­en unterricht­et werden. Stattdesse­n sollen Förderklas­sen eingericht­et werden, in denen Flüchtling­skinder so lange gesondert unterricht­et werden, bis sie hinreichen­d Deutsch sprechen.

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