Rheinische Post Duisburg

Stunde der Wahrheit für Trump

- VON MATTHIAS BEERMANN UND FRANK HERRMANN

Der von Donald Trump gefeuerte FBI-Chef James Comey könnte den Präsidente­n bei seiner Anhörung heute schwer belasten. Es geht um den Vorwurf der Strafverei­telung im Amt – genau darüber stolperte 1974 Richard Nixon.

WASHINGTON Tim Weiner kennt das FBI, er hat gerade ein Buch über die amerikanis­che Bundespoli­zei geschriebe­n, das sich glänzend verkauft. Er kennt sowohl James Comey, den im Mai gefeuerten Direktor, als auch dessen Vorgänger Robert Mueller, der als Sonderermi­ttler herausfind­en soll, was dran ist an Vorwürfen, wonach Berater des Wahlkämpfe­rs Donald Trump geheime Absprachen mit dem Kreml trafen. Leute wie Comey, sagt er, ließen sich durch nichts einschücht­ern, durch niemanden davon abbringen, der Wahrheit auf den Grund zu gehen. Auch nicht von Donald Trump. „Diese Leute sind Gottesgesc­henke. Wenn jemand die Republik retten kann, dann sind es die Topleute des FBI.“

Die Rettung der Republik: So übertriebe­n das klingen mag, es spricht Bände über die Erwartunge­n, die sich mit Comeys ersten öffentlich­en Aussagen seit seiner Entlassung verbinden. Für das liberale Amerika ist es nach wochenlang­em Vorgeplänk­el der eigentlich­e Beginn eines Untersuchu­ngsmaratho­ns, der womöglich mit Trumps Amtsentheb­ung endet – wenn auch frühestens nach der Kongresswa­hl im Herbst 2018, und wohl auch nur dann, wenn die Demokraten den Republikan­ern die Mehrheit im Parlament abnehmen. Denn sonst müssten viele von Trumps Parteifreu­nden gegen ihn stimmen. Das scheint derzeit undenkbar – es sei denn, die von Comey vorgebrach­ten Vorwürfe wären so gravierend und die Beweislage gegen Trump so erdrückend, dass selbst die Republikan­er nicht daran vorbei könnten. Für die Anhänger der Präsidente­n ist die mit Spannung erwartete Aussage Comeys ohnehin nur der vorläufige Höhepunkt einer Hexenjagd, aus der ihr Held letztlich gestärkt hervorgehe­n werde, weil es schlicht keine Beweise gebe für die These geheimen Kungelns mit dem Kreml.

Der Geheimdien­stausschus­s wiederum ist streng genommen nur ein Nebenschau­platz: Im Mittelpunk­t des Interesses steht Mueller, der 72 Jahre alte Sonderermi­ttler, der als Muster des integren Profis gilt. Als eine Art Startschus­s für eine Phase, in der es wirklich ernst wird, hat Comeys Auftritt im „Senate Intelligen­ce Committee“allerdings eine nicht zu unterschät­zende symbolisch­e Bedeutung.

Sollte der Geschasste unterstrei­chen, was gestern aus seiner bereits schriftlic­h abgegebene­n Aussage durchsicke­rte, dann wäre dies eine schwere Bürde für den Mann im Oval Office. Offenbar zog der damalige FBIChef den Zorn des Präsidente­n auf sich, weil er sich nicht beirren ließ, Licht ins Dunkel der RusslandCo­nnection zu bringen.

Bereits im Januar hatte ihn Trump bei einem Abendessen im Weißen Haus aufgeforde­rt, ihm die Treue zu schwören, was Comey ablehnte. „Ich brauche Loyalität. Ich erwarte Loyalität“, sagte Trump demnach. Comey war allerdings nach eigenen Worten besorgt, dass Trump eine Art Klüngelei mit ihm anstrebe. „Das hat mich tief beunruhigt.“Das FBI sei traditione­ll von der Regierung unabhängig. Im Februar wurde der baumlange Jurist gebeten, nicht länger gegen Michael Flynn zu ermitteln, den nach nur 24 Tagen im Amt zurückgetr­etenen Nationalen Sicherheit­sberater, der mit dem russischen Botschafte­r Sergej Kisljak mauschelte und sich als Lobbyist von der türkischen Regierung bezahlen ließ.

Wie erst jetzt bekannt wurde, soll Trump auch den Koordinato­r der USGeheimdi­enste, Dan Coats, unter Druck gesetzt haben. Nach einem Bericht der „Washington Post“wollte er den Ex-Senator dazu bringen, beim damaligen FBI-Chef zu intervenie­ren, auf dass dessen Behörde die Causa Flynn nicht mehr unter die Lupe nehme, zumindest nicht mehr so gründlich. Bei einer Anhörung im Geheimdien­stausschus­s des Senats sagte Coats allerdings gestern auf die Frage, ob Trump ihn gedrängt habe, die Bedeutung der FBI-Ermittlung­en in dieser Sache herunterzu­spielen, er habe sich nicht dazu gedrängt gefühlt, in die Gestaltung der Geheimdien­starbeit einzugreif­en. NSAChef Mike Rogers sagte auf dieselbe Frage, er sei nie gebeten worden, etwas Ungesetzli­ches zu tun oder gedrängt worden, unmoralisc­h zu handeln.

Was Comey zu alledem sagen wird? Er wolle in nüchterner Sachlichke­it schildern, was er seinerzeit mit Trump beredete, glauben Insider vorab zu wissen. Nach einem Dinner in der Machtzentr­ale erschien ihm der Inhalt des Gesprächs immerhin so brisant, dass er hinterher Notizen anfertigte. Mehr als die Rolle des Zeugen wolle er gleichwohl nicht spielen, heißt es.

Vor allem die Demokraten werden wissen wollen, ob der Staatschef die Justiz behinderte, als er das FBI an die kurze Leine zu legen versuchte. Bestätigt Comey den Verdacht, kann es eng werden für Trump. Dann nämlich begäbe er sich, wie Tim Weiner es formuliert, auf die „Nixon-Rutschbahn“. Der Vorwurf der versuchten Strafverei­telung im Amt endete in Richard Nixons Fall 1974 mit dem erzwungene­n Rücktritt des US-Präsidente­n.

Selbst, wenn es soweit nicht kommen sollte: Die Handlungsf­ähigkeit des Präsidente­n ist bedroht, sollte der Skandal weiter köcheln. Zumal neben Trump selbst einige zentrale Figuren aus seinem direkten Umfeld ins Zwielicht geraten sind, allen voran sein Schwiegers­ohn Jared Kushner, den Trump zu so etwas wie einem Sonderbeau­ftragten gemacht hat. So gibt es Hinweise auf Verbindung­en Kushners zur AlfaGroup, einem von russischen Oligarchen geführten Konzern mit Nähe zum Kreml. Schon jetzt haben die Ermittlung­en in der Russland-Affäre erste Risse in der Regierung provoziert. So soll es einem Bericht des Senders ABC News zufolge deswegen zum Streit zwischen Trump und Justizmini­ster Jeff Sessions gekommen sein. Sessions bot demnach mindestens einmal seinen Rücktritt an. Dabei galt er bisher als Trumps treuer Gefolgsman­n der ersten Stunde.

Die Russland-Affäre

hat sich längst zur größten Hypothek von Trumps Präsidents­chaft

ausgewachs­en

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