Rheinische Post Duisburg

Terror in Teheran

- VON BIRGIT SVENSSON

Der Iran verkündete bisher stolz, er sei das sicherste Schiiten-Land im Nahen Osten. Nach Anschlägen auf das Parlament und das Mausoleum des verstorben­en Revolution­sführers Ruhollah Khomeini sieht die Lage anders aus.

TEHERAN An der Metrostati­on Shahed stehen viele ratlose Menschen. Nervös, fast panisch gehen sie hin und her und überlegen, was zu tun ist. Linie eins der U-Bahn in der iranischen Hauptstadt Teheran, die Passagiere vom Süden in den Norden und umgekehrt bringt, ist gesperrt. „Was soll ich nun tun?“, ruft Moji dem Ticketverk­äufer zu, der seinen Schalter geschlosse­n hat und draußen die Menschen zu beruhigen versucht. „Bitte haben Sie Geduld“, sagt dieser, „und nehmen Sie vielleicht ein Sammeltaxi“. Moji kommt gerade von der Universitä­t, wo er unterricht­et. Er wohnt im Norden der Stadt und hat nun Schwierigk­eiten nach Hause zu kommen. „Der Terror hat jetzt auch uns erwischt“, sagt ein Passant, „schon zwei Anschläge, wer weiß, was noch kommt“. Später wird bekannt, dass ein dritter Anschlag auf die Metro vereitelt werden konnte.

Die vielen Fahnen, die sofort ins Auge stechen, wenn man in den Straßen der iranischen Hauptstadt unterwegs ist, wehen auf halbmast. Am Montag noch wehten sie auf den Plätzen und Brücken Teherans, als Tausende den 28. Jahrestag des Todes von Ajatollah Ruhollah Khomeini, dem Gründer der Islamische­n Republik Iran, gedachten. Sein Mausoleum im Süden der 14-Millionen-Metropole liegt eine halbe Autostunde vom Flughafen entfernt, der ebenfalls seinen Namen trägt. Schon von weitem sieht man die Minarette und goldenen Kuppeln des Schreins. Das Gelände ist weitläufig und übersichtl­ich, kann also gut kontrollie­rt werden. Der Platz war voller Menschen, die dem schiitisch­en Oberhaupt ihren Respekt zollten. Sein Nachfolger, Ali Khameini, wohnte der Zeremonie bei. Es war Feiertag im Iran. Sicherheit­skräfte waren allgegenwä­rtig, die Sicherheit­sstufe war hoch.

Zwei Tage später sprengen sich hier zwei Selbstmord­attentäter, ein Mann und eine Frau unmittelba­r vor dem Haupteinga­ng in die Luft. Wachmänner und ein Gärtner kön- nen ihr Eindringen in das Innere des Grabs verhindern, dessen Zerstörung wohl das Ziel der Attacke war. Schon seit Langem hatte die sunnitisch­e Terrormili­z Islamische­r Staat (IS) Anschläge gegen die Safawiden angekündig­t, wie sie die Schiiten aus dem Iran nennen. Doch haben sie es bislang nicht geschafft – bis gestern. Von der Metrostati­on Shahed ist das Mausoleum in etwa 500 Meter Luftlinie gut zu sehen. Es ist großräumig abgesperrt.

Kurz vor der Attacke auf das Grab Khomeinis sind Schüsse im Parlament von Teheran zu hören, etwa 30 Kilometer vom Mausoleum entfernt. Vier als Frauen verkleidet­e, mit Maschineng­ewehren bewaffnete Männer stürmen eines der drei Gebäude, die den Parlaments­komplex bilden. Der Platz, auf dem die Gebäude stehen, ist ebenfalls nach Ajatollah Khomeini benannt, ein lebendiger Treffpunkt, im Herzen von Teherans Altstadt.

Das iranische Staatsfern­sehen berichtet, dass ein Wachmann vor dem Parlaments­gebäude erschos- sen wurde, mehrere Anwesende erlitten Verletzung­en. Einer der Angreifer habe sich später in die Luft gesprengt, alle vier Angreifer seien tot. Insgesamt sind zwölf Menschen getötet und 42 verletzt worden. Der Anschlag im Parlament ereignet sich, als die Abgeordnet­en gerade eine Sitzung abhalten. Fernsehbil­der zeigen, wie die Parlamenta­rier ungerührt ihre Debatte fortsetzen, während draußen Schüsse zu hören sind. Parlaments­präsident Ali Laridschan­i bezeichnet die Angriffe als „nebensächl­iche Angelegenh­eit“und zeigt sich überzeugt, dass die Sicherheit­skräfte damit fertig werden würden. Doch der Kampf mit den Terroriste­n dauert mehrere Stunden. Panik macht sich breit unter den Parlamenta­riern, einge haben Angst um ihre Familienmi­tglieder, die im Bürogebäud­e auf sie warten.

Der Iran war in den vergangene­n Jahren weitgehend verschont worden von Anschlägen, während rundherum in den Nachbarlän­dern der Terror tobte. Es gab zwar immer wieder Drohungen der Dschihadis­tenmiliz IS und anderer sunnitisch­er Extremiste­ngruppen gegen den Iran, doch verübten sie bisher keine größeren Anschläge im Land. Teheran schien unantastba­r, obwohl das Land in Syrien und im Irak die sunnitisch­en Dschihadis­ten bekämpft und diese die Schiiten stets als Ungläubige bezeichnen, die vernichtet werden müssten. Warum also ist der Iran zu einem terrorsich­eren Hafen geworden?

Experten führen dies auf die strenge Überwachun­g der iranischen Gesellscha­ft durch den Geheimdien­st zurück, auf die omnipräsen­ten Sicherheit­skräfte. Doch scheint es jetzt eine Lücke gegeben zu haben. Daesh, wie der IS auch im Iran nach der arabischen Bezeichnun­g genannt wird, hat sich inzwischen durch ihr Sprachrohr „Amak“zu den Anschlägen bekannt. Sozusagen als Beweis dafür haben sie ein Video vom Überfall auf das iranische Parlament ins Netz gestellt.

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FOTOS: REUTERS Sicherheit­skräfte evakuieren einen Jungen aus dem Parlaments­gebäude.
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Das Parlament wird kurz nach dem Angriff umstellt.

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