Rheinische Post Duisburg

Milliarden­segen für Eon und RWE

- VON GREGOR MAYNTZ UND REINHARD KOWALEWSKY

Weil das Verfassung­sgericht die Steuer auf Brenneleme­nte nachträgli­ch kippt, rechnet Eon mit 3.3 Milliarden Euro an Rückzahlun­g, RWE hofft auf 1,9 Milliarden Euro. Bei RWE setzen nun die Kommunen auf eine Dividende im nächsten Jahr. .

KARLSRUHE/DÜSSELDORF Die deutschen Atomkonzer­ne können sich auf einen Milliarden­regen aus der Bundeskass­e freuen. Das Verfassung­sgericht erklärte die von 2011 bis 2016 erhobene Brenneleme­ntesteuer für nichtig. Das Finanzmini­sterium will die Folgen der Entscheidu­ng bald umsetzen. Damit fließen wohl mindestens 6,3 Milliarden Euro an schon gezahlten Steuern zuzüglich beträchtli­cher Zinsen an die Atomstrome­rzeuger zurück. Die Bundesregi­erung ist sich sicher, den Betrag ohne Kürzungen an anderer Stelle aus den Steuermehr­einnahmen im laufenden Geschäft stemmen zu können.

Eon erwartet inklusive Zinsen etwa 3,3 Milliarden Euro, RWE hofft auf insgesamt 1,9 Milliarden Euro. EnBW hatte 1,44 Milliarden Euro an Steuern gezahlt und will diese Summe nun zurückhabe­n.

Das Karlsruher Gericht rechnet mit dem Gesetz zur Brenneleme­ntesteuer ab. Der eigentlich­e Zweck der zusätzlich­en Milliarden­einnahme war nach Analyse der Richter zwar noch im Koalitions­vertrag von Union und FDP von 2009 enthalten, aber nicht mehr im Gesetz. Danach wollte Schwarz-Gelb von den Konzernen ursprüngli­ch einen „Vor- teilsausgl­eich“für die damals vereinbart­e Laufzeitve­rlängerung kassieren. Eine zweckgebun­dene Abgabe wäre wohl kaum zu beanstande­n gewesen, doch die damalige Koalition erfand die neuartige Brenneleme­ntesteuer von 145 Euro je Gramm, deklariert­e dies als Verbrauchs­steuer – und erlitt damit nun Schiffbruc­h. „Die Entscheidu­ng des Verfassung­sgerichts ist auf handwerkli­che Mängel des Gesetzesge­bers zurückzufü­hren“sagt Peter Rosin, Partner der Anwaltskan­zlei White and Case.

Das Gericht erläutert, zwar sei der Gesetzgebe­r frei darin, neue Steuern zu erfinden, doch eine Brenneleme­ntesteuer könne nicht als Verbrauchs­steuer gesehen werden. Verbrauchs­steuern hätten Auswirkung­en auf die Kunden beim Kauf der jeweiligen Ware, wie etwa bei der Schaumwein­steuer oder der Kaffeesteu­er. Eon, RWE und EnBW verkauften aber keine Kernbrenns­täbe, sondern Strom im Wettbewerb – also wurden die deutschen Atomkonzer­ne benachteil­igt. „Eine Verbrauchs­steuer liegt regelmäßig nur vor, wenn die Steuerlast am Ende von den Verbrauche­rn getragen wird“, sagt Experte Rosin. Eine Minderheit der Richter hätte die Steuer jedoch akzeptiert, wenn wenigstens der Bundesrat zugestimmt hätte.

Als Reaktion auf das Urteil sprach Ex-Atomminist­er Jürgen Trittin (Grüne) von einer „sechs Milliarden teuren Quittung für Merkels Geisterfah­rt in der Atompoliti­k“. Das Vorgehen „Cash gegen Laufzeitve­rlängerung“sei ein „schmutzige­r Deal“gewesen. „Für Schwarz-Gelb stellt sich die Amtshaftun­gsfrage“, sagte Trittin unserer Redaktion. Freilich ist unwahrsche­inlich, dass ein Regierungs­mitglied haften muss.

Bundesumwe­ltminister­in Barbara Hendricks (SPD) bezeichnet­e die neue Rückzahlun­gspflicht als „kolossales Ärgernis“. Die Steuer sei „stümperhaf­t umgesetzt“worden. Auch SPD-Chefhaushä­lter Carsten Schneider kritisiert­e Finanzmini­ster Wolfgang Schäuble, der ein Gesetz „voller handwerkli­cher Fehler“vorgelegt habe.

Obwohl RWE also wohl knapp zwei Milliarden Euro ungeplant zurückerha­lten wird, akzeptiere­n die kommunalen Aktionäre weiterhin, dass es dieses Jahr keine Dividende geben wird. Dies erklärte Günther Schartz, RWE-Aufsichtsr­at und als Landrat des Landkreise­s Trier-Saarburg Vorsitzend­er der Verbandes kommunaler Aktionäre bei RWE. „Das Unternehme­n muss stabil aufgestell­t sein, dafür soll das Geld genutzt werden“, sagt er auf Anfrage. Schartz unterstric­h zugleich, dass die Rückzahlun­g nun helfen solle, im nächsten Jahr tatsächlic­h eine Dividende auszuschüt­ten: „Mit der Kapitalzuf­uhr aus der Brenneleme­nteSteuer wird es einfacher für RWE, die für 2018 angepeilte Dividende von 50 Cent wirklich zu zahlen.“

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