Rheinische Post Duisburg

Polizeigew­alt: „Hamburger Kessel“

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Die Atomkraftg­egner waren gekommen, um gegen den Bau des Kernkraftw­erks Brokdorf in SchleswigH­olstein zu protestier­en. Schon seit Baubeginn 1976 war der Widerstand gegen den Neubau stark. 1986 befeuerte die Atomkatast­rophe in Tschernoby­l die Anti-Kernkraft-Bewegung in Deutschlan­d zusätzlich. Am Vortag hatten Polizisten rund 10.000 Demonstran­ten an der Anreise nach Brokdorf gehindert. Dagegen wollten sich die Kernkraftg­egner in Hamburg wehren. Doch der 8. Juni 1986 blieb aus einem anderen Grund in Erinnerung. Fast 900 AKW-Gegner wurden von etwa 1000 Polizisten eingekesse­lt. Sie durften weder ihre Demonstrat­ion auflösen, noch sich mit Nahrungsmi­tteln oder am kühlen Abend mit wärmenden Decken versorgen. Erst als vor allem die sanitären Bedingunge­n immer dramatisch­er wurden, wurden die Menschen abgeführt – in einer der größten Massenverh­aftungen der deutschen Nachkriegs­geschichte. Die Bilder und Augenzeuge­nberichte, die nach dem „Hamburger Kessel“durch deutsche Medien gingen, sorgten für eine Diskussion über Polizeigew­alt und Willkür. Die verantwort­lichen Polizeifüh­rer wurden später gerichtlic­h verwarnt, der Einsatz – den auch viele der beteiligte­n Polizisten kritisiert hatten – als rechtswidr­ig verurteilt. Die Eingekesse­lten erhielten ein Schmerzens­geld. Ihr größtes Ziel konnten sie jedoch nicht erreichen: Das Atomkraftw­erk Brokdorf ging Ende 1986 ans Netz.

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