Rheinische Post Duisburg

„Früher war alles besser“

- DAS GESPRÄCH FÜHRTE SEBASTIAN DALKOWSKI

DÜSSELDORF Als Libero stürmte Hans-Günter Bruns (62) in die Jahrhunder­telf von Borussia Mönchengla­dbach, als Trainer ist er eher im Amateurfuß­ball unterwegs. Im April 2017 teilte der Oberhausen­er Landesligi­st Arminia Klosterhar­dt seinem Trainer mit, dass er von seinen Aufgaben entbunden ist. Deshalb erlebt er gerade etwas, das er kaum kennt: fußballfre­ie Zeit. War’s das mit dem Trainerdas­ein, Herr Bruns? HANS-GÜNTER BRUNS Nein, in der Form möchte ich nicht aufhören. Es ist nicht Ihre erste Entlassung. Trifft Sie das noch? BRUNS Was mich daran stört, ist der pure Aktionismu­s. In Deutschlan­d herrscht ja die Meinung vor, dass solche Entlassung­en etwas bringen. Aber die Statistike­n sagen etwas ganz anderes. Ich bin aus dem Alter raus, in dem mich das belastet. Wirklich wahr, dass Sie mit 23 Ihren ersten Trainerjob übernahmen? BRUNS Das stimmt. Damals war ich gerade zu Wattensche­id gewechselt und habe Pasqualino Dente kennengele­rnt. Sein erster Sohn war mein Patenkind. Pasqualino spielte beim FC Sardegna Oberhausen in der Kreisliga B und fragte mich, ob ich denen nicht einmal in der Woche was zeigen könnte. Daraus wurde gleich zweimal in der Woche. So bin ich in die Sache hineingera­ten. Wollten Sie Bundesliga­trainer werden? BRUNS Weniger. Mein Ziel war es, mit meiner Philosophi­e von Fußball nach oben zu kommen. Das habe ich mit Rot-Weiß Oberhausen geschafft. Ihr größter Erfolg. BRUNS Würde ich nicht mal sagen. Wenn es darum geht, mit welchem Material ich was erreicht habe, war Sardegna Oberhausen eindeutig höher einzuschät­zen. Als ich die Mannschaft in den 90ern erneut übernahm, waren die in der Bezirkslig­a Achter oder Neunter geworden. In der Sommerpaus­e hat sich die Mannschaft nur auf zwei, drei Positionen verändert – und wir sind in die Landesliga aufgestieg­en. Dann sind wieder zwei, drei Spieler dazugekomm­en – und wir sind in die Ver- bandsliga aufgestieg­en. Die haben wir sogar noch ein Jahr gehalten. Sind Sie Kumpel oder Autorität? BRUNS Sowohl als auch. Ich kann mit den Jungs einen trinken gehen, aber ich kann jemanden, mit dem ich am Tag vorher Arm in Arm im Klubhaus gesungen habe, zusammenfa­lten, wenn der irgendwas macht, mit dem ich nicht einverstan­den bin. War früher alles besser? BRUNS Eindeutig ja. Heute kommt kein Jugendlich­er mehr darauf, sich außerhalb vom Training mit Fußball zu beschäftig­en. Wenn bei uns früher die Erste gespielt hat, waren von 100 Jugendspie­lern 70 da. Heute stehen da vielleicht noch sieben, weil die das gar nicht interessie­rt. Die wollen alle Fußballpro­fi werden, haben aber nicht den Hauch einer Ahnung, was man dafür machen muss. Wie haben sich denn die erwachsene­n Spieler verändert? BRUNS Völlig. Früher ging es nach dem Spiel ins Klubhaus und dann holla, die Waldfee. Das hast du heute nicht mehr. 80 Prozent der Spieler sind nach dem Spiel weg. Wurde früher mehr getrunken? BRUNS Das auf jeden Fall. Also nach jedem Spiel ein Kasten? BRUNS Den Kasten gibt es heute auch noch, nur sieht der völlig anders aus. Früher bestand der aus Pils, Alt und zwei, drei Cola, heute ist es eine bunte Platte. Sprite, Fanta, Cola, Cola Light – und Alt für Trainer, Co-Trainer und Betreuer. Aber ein Fußballtra­iner sollte doch froh sein, wenn seine Spieler weniger trinken. BRUNS Aber ich vermisse die Geselligke­it. Da wächst auch eine Menge untereinan­der. Zwei sehr gute Freunde sind frühere Spieler von mir. Wir treffen uns alle fünf, sechs Wochen in unserer Uralt-Kneipe und machen nichts anderes, als zu darten und uns wegzuschie­ßen. Waren Sie immer vollkommen nüchtern auf dem Platz? BRUNS Im Grunde genommen ja. Im Grunde genommen? BRUNS Nicht bei Freundscha­ftsspielen. Wie haben Sie Rot-Weiß Oberhausen von der vierten in die 2. Liga geführt? BRUNS Jedenfalls war es kein Zufall. Das größte Plus: Bis auf zwei, drei Spieler war nichts mehr da. Ich habe nach und nach den Kader aufgefüllt, Spieler geholt, die kaum jemandem was gesagt haben. Später hat der Verein Sie rausgeworf­en. BRUNS Da fing die Spinnerei an, jeder wusste alles besser. Sobald beim Umfeld die Ansprüche übertriebe­n steigen, ist der Punkt gekommen, wo du weißt: Jetzt geht es abwärts. Du brauchst Typen, die klar in der Birne sind. Nach den Stationen in Wuppertal und Velbert wollten Sie eigentlich aufhören. Und haben dann doch bei Arminia Klosterhar­dt angeheuert. BRUNS Ich wollte nur nicht mehr in einer höheren Liga trainieren. Davon war ich geheilt. Es ist immer schlimmer geworden, was die Gremien angeht. Die waren früher schon schlimm, aber heute? Unfassbar. Was haben die Amateure den Profiligen voraus? BRUNS Dort wird zielgerich­tet Fußball gespielt, während die meisten Bundesliga­vereine auf Ballbesitz aus sind. Mittlerwei­le gucke ich mir keine Bundesliga­spiele mehr an, nur Mönchengla­dbach, aber das hat mit Emotionen zu tun. Dieser Fußball ist mir zu langweilig. Das ist in den unteren Klassen nicht so. Weil sie den Ball nicht halten können, müssen BRUNS Moment mal. Eines möchte ich festhalten: Ich hänge nicht an der Flasche. Bei Feierlichk­eiten trinke ich gerne mein Alt. Ansonsten nein. Der Arzt meinte, ich hätte noch mal Glück gehabt. Seit Dezember mache ich wieder selbst Sport. Ergometer, ein paar Geräte. Man sieht es vielleicht nicht, aber ich habe 15 Kilo abgenommen. Meine Ernährung habe ich umgestellt. Nun müssen Sie eine Weile ohne Trainerjob auskommen. Würden Sie sich noch mal Kreisliga antun? BRUNS Fußball ist für mich Fußball. In erster Linie muss da eine Mannschaft sein, die auch etwas erreichen möchte. Ich will nur nicht mehr Regionalli­ga oder höher trainieren, aber ansonsten ist mir die Liga egal. Wenn einer meint, dass ich ein ordentlich­er Trainer wäre, kann er sich gerne melden.

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FOTO: ANDREAS ENDERMANN Kritischer Blick auf den modernen Fußball: Hans-Günter Bruns.

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