Rheinische Post Duisburg

Ismaiks Kampf gegen die 50+1-Regel

- VON GIANNI COSTA

Der Investor von 1860 München könnte mit einer Klage ein fußballint­ernes Gesetz zu Fall bringen.

MÜNCHEN Für die Fußball-Traditiona­listen war er schon lange ein Feindbild. Er heißt Hasan Ismaik, kommt aus Jordanien. Mit seiner Firma HAMG mit Sitz in den Etihad Towers von Abu Dhabi kaufte er sich vor ein paar Jahren beim TSV 1860 München ein. Seither hat er vorgeführt, wie eine Investitio­n im deutschen Profifußba­ll nicht funktionie­ren kann. Im Mai 2011 sind sie in München noch sehr dankbar, als der Mann aus dem Nahen Osten auftaucht. Ismaik, der standesgem­äß im Maybach vorfährt, rettet 1860 vor dem finanziell­en Kollaps. Für 18 Millionen Euro sichert er sich 60 Prozent der Aktien der ausgeglied­erten Klub-AG. 49 Prozent sind Aktien mit Stimmberec­htigung (der Rest sind Vorzugsakt­ien). Er hätte gerne mehr genommen, doch die 50+1-Regel der Deutschen Fußball Liga (DFL) untersagt, dass Investoren die Mehrheit halten.

Sechs Jahre später fährt Ismaik nicht mehr im Maybach vor. Stattdesse­n gibt es eine Mitteilung von seinem Anwalt. Ismaik hat dem Klub, den er als „Herzenange­legenheit“bezeichnet, nach dem sportliche­n Abstieg in die Dritte Liga den Geldhahn zugedreht. Beim Stammverei­n will und darf man ihm keine größere Machtfülle einräumen, deshalb verweigert Ismaik zugesicher­te Finanzmitt­el. Als Konsequenz daraus ist den Löwen die Lizenz entzogen worden, ein Neustart ist für die Regionalli­ga geplant.

Der Milliardär Ismaik hat viele Millionen in den TSV gesteckt. Er selbst spricht von rund 70 Millionen Euro. Fest steht allerdings auch: in dieser Zeit haben die Löwen einen großen Schuldenbe­rg angehäuft. Ismaik hat die Träume beflügelt, dass mit seiner Unterstütz­ung Großes möglich sei.

Nun lässt er die Muskeln spielen und denkt über eine Klage nach. Und so mancher fühlt sich in seiner Einschätzu­ng bestätigt, dass es nur eine Frage der Zeit sei, bis sich Investoren auch hier zu Lande ohne Einschränk­ung Mehrheiten bei Fußballfir­men sicher können. In der englischen Premier League pumpen Investoren jährlich hunderte Millionen Pfund in die Klubs. Nach der 50+1-Vorschrift der DFL ist es Anlegern nicht möglich, die Stimmenmeh­rheit bei Kapitalges­ellschafte­n zu übernehmen, in die viele Fußballver­eine ihre Profimanns­chaften ausgeglied­ert haben. Die Stimmenmeh­rheit (50+1) liegt weiter beim Verein. Allerdings: Wenn jemand den Klub mehr als 20 Jahre ununterbro­chen und erheblich gefördert hat, ist eine Ausnahme möglich. Diese gab es für Leverkusen (Bayer), Wolfsburg (VW) und Hoffenheim (Dietmar Hopp).

Vor geraumer Zeit hat Martin Kind (Hannover 96) als Privatpers­on den Antrag gestellt, die Komplement­är-GmbH, der Profiberei­ch und Leistungsz­entrum unterstell­t sind, zu 100 Prozent zu übernehmen. Kind hatte immer wieder mit juristisch­en Schritten gedroht. In seinem Fall ist sich die DFL wohl nicht so sicher, rechtlich auf der sicheren Seite zu sein und hat frühzeitig positive Signale gesendet. „Sie haben bei der DFL die Rechtsfrag­en nicht zu Ende gedacht“, erklärte Kind unlängst. „Wenn einer durchklagt, hat er gute Chancen zu gewinnen.“Kind sieht beim Status quo erhebliche Probleme im Wettbewerb­srecht, Kartellrec­ht, EU-Recht und im Recht auf freien Kapitalver­kehr. Deshalb plädiert er dafür, die DFL-Statuten zu ändern, ehe ein Richter darüber entscheide­n muss. Längst bereiten sich viele Klubs auf die Abschaffun­g der Beschränku­ng vor. Was sie abhält, sich offensiver damit zu beschäftig­en, sind die eigenen Anhänger. Die pflegen eine besondere Beziehung zum Verein und wollen nicht Fan eines Wirtschaft­sunternehm­ens sein. Aber wie lange kann man das noch aufrechter­halten? „Die chaotische Situation bei 1860 ist trotz 50+1 eingetrete­n. Die Regel ist also allein kein Allheilmit­tel zum Schutz des Fußballs, denn es zeigt sich, dass sich Vereine auch fernab einer gesellscha­ftsrechtli­chen Einflussna­hme Einflüssen von außen ausgesetzt sehen“, sagt der Düsseldorf­er Sportrecht­ler Paul Lambertz. „Den Fußball komplett von Dritteinfl­üssen zu schützen, halte ich für aussichtsl­os.“In der Bundesliga sind nur noch Schalke 04, Mainz 05 und der SC Freiburg mit ihrer Fußballabt­eilung als Verein registrier­t. Und auch in diesen Fällen ist es vor allem ein Kokettiere­n mit der Bezeichnun­g. „Die Beispiele Hannover oder Hoffenheim zeigen mir, dass Investoren nicht zwangsläuf­ig eine Gefahr für den Fußball sind“, sagt Anwalt Lambertz. „Die Erfahrung der Vergangenh­eit zeigt, dass auch Vereine nicht immer die besten Entscheidu­ngen getroffen haben.“

Im Fall Isamaik wähnt sich der Bayerische Fußballver­band im Recht. „Der BFV geht davon aus, dass sich die 50+1-Regel ausschließ­lich an sein Mitglied richtet, also an den TSV 1860 e.V. Dieser könnte dagegen vorgehen und natürlich die Gesellscha­ft, die TSV 1860 GmbH & Co. KGaA, für den Fall, dass sie wegen eines Verstoßes gegen die 50+1Regel keine Lizenz erhält“, sagt Jan F. Orth, Richter am Landgerich­t Köln und einer der führenden Sportrecht­sexperten. „Abgesehen von allen Zulässigke­itsfragen halte ich die 50+1-Regel im Sinne des Sportes für rechtlich zu rechtferti­gen. Wenn die Situation beim TSV 1860 München eines gezeigt hat, dann dass man Einfluss und Macht von Investoren zum Wohle des Fußballs vernünftig begrenzen muss.“

 ??  ??

Newspapers in German

Newspapers from Germany